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Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.

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gelin) u. 15ten (Limburg. Chronik.) Da es in der Tabulatur
bei Wagenseil auch brauchlich, so kann es recht gut einem Mei-
stersänger zukommen, eben so gut aber auch anderen. Zuwei-
len findet man: Reimer. Reinmar 2. 131: ir hohen rimere 91),
(wie vom berühmten altenglischen Dichter Thomas the Rymer.)
Püterich Str. 108. bedient sich des Worts Schreiber für
Dichter, wobei man an unsern tugendhaften Schreiber denken
kann, der Ausdruck selbst ist schon volksmäßig. (Nibel. 9042.)
Auch im Titurel 2510 schreiben für dichten, und bekannt ist,
daß Montfort den Heße von Straßburg gleichfalls Schreiber
nennt, wohin auch noch gehört, daß Wizlau (CCCLXXXIV)
ein Lied mit den Worten "Wizlau diz scrip" endiget.

Bei dieser Gelegenheit gedenke ich einer auffallenden Ge-
wohnheit einiger Meister, sich allegorische Namen beizulegen.

Ich hätte das vorhin als einen Beweis für das Gesell-
schaftliche der alten Meister beibringen können, weil solche Na-
men auf eine Anerkennung mehrerer Gleichen unter einander
schließen lassen, wie denn auch die Glieder einer Menge von
Gesellschaften, z. B. der fruchtbringenden, oder schon des ge-
lehrten Vereins unter Carl dem Großen, liebten, unter be-
sondern Namen hervorzutreten. Allenfalls wäre selbst Vogel.
weide hierher zu nehmen, (man vergl. Adelung 1. 100, und
erinnere sich an Gottfrieds Nachtigallen,) oder lassen sich ältere
Nachrichten von einer Familie Vogelweide geben? Worauf
mag sich wohl der Beiname des tugendhaften Schreibers grün-
den? Wenn bei Vogt "der ungelart tugendhaft Schreiber"
vorkommt, so könnte er gar mit dem ganz allegorischen Unge-
larten dieselbe Person seyn, dessen sehnender Weise Wizlau
denkt, und von dem die spätern Meister den schwarzen Ton
brauchen. Hierher gehören ferner: Raumslant, Singauf,
Spervogil, (?) der wilde Alexander, der Lietschauer (ein guter

91) Gottfried spricht vom Leimen der Reime in gutem Sinn, fügt
aber auch hinzu: als ob sie gewachsen wären. Tristan 4596. 97.

gelin) u. 15ten (Limburg. Chronik.) Da es in der Tabulatur
bei Wagenſeil auch brauchlich, ſo kann es recht gut einem Mei-
ſterſaͤnger zukommen, eben ſo gut aber auch anderen. Zuwei-
len findet man: Reimer. Reinmar 2. 131: ir hohen rimere 91),
(wie vom beruͤhmten altengliſchen Dichter Thomas the Rymer.)
Puͤterich Str. 108. bedient ſich des Worts Schreiber fuͤr
Dichter, wobei man an unſern tugendhaften Schreiber denken
kann, der Ausdruck ſelbſt iſt ſchon volksmaͤßig. (Nibel. 9042.)
Auch im Titurel 2510 ſchreiben fuͤr dichten, und bekannt iſt,
daß Montfort den Heße von Straßburg gleichfalls Schreiber
nennt, wohin auch noch gehoͤrt, daß Wizlau (CCCLXXXIV)
ein Lied mit den Worten „Wizlau diz ſcrip“ endiget.

Bei dieſer Gelegenheit gedenke ich einer auffallenden Ge-
wohnheit einiger Meiſter, ſich allegoriſche Namen beizulegen.

Ich haͤtte das vorhin als einen Beweis fuͤr das Geſell-
ſchaftliche der alten Meiſter beibringen koͤnnen, weil ſolche Na-
men auf eine Anerkennung mehrerer Gleichen unter einander
ſchließen laſſen, wie denn auch die Glieder einer Menge von
Geſellſchaften, z. B. der fruchtbringenden, oder ſchon des ge-
lehrten Vereins unter Carl dem Großen, liebten, unter be-
ſondern Namen hervorzutreten. Allenfalls waͤre ſelbſt Vogel.
weide hierher zu nehmen, (man vergl. Adelung 1. 100, und
erinnere ſich an Gottfrieds Nachtigallen,) oder laſſen ſich aͤltere
Nachrichten von einer Familie Vogelweide geben? Worauf
mag ſich wohl der Beiname des tugendhaften Schreibers gruͤn-
den? Wenn bei Vogt „der ungelart tugendhaft Schreiber“
vorkommt, ſo koͤnnte er gar mit dem ganz allegoriſchen Unge-
larten dieſelbe Perſon ſeyn, deſſen ſehnender Weiſe Wizlau
denkt, und von dem die ſpaͤtern Meiſter den ſchwarzen Ton
brauchen. Hierher gehoͤren ferner: Raumslant, Singauf,
Spervogil, (?) der wilde Alexander, der Lietſchauer (ein guter

91) Gottfried ſpricht vom Leimen der Reime in gutem Sinn, fuͤgt
aber auch hinzu: als ob ſie gewachſen waͤren. Triſtan 4596. 97.
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[105/0115] gelin) u. 15ten (Limburg. Chronik.) Da es in der Tabulatur bei Wagenſeil auch brauchlich, ſo kann es recht gut einem Mei- ſterſaͤnger zukommen, eben ſo gut aber auch anderen. Zuwei- len findet man: Reimer. Reinmar 2. 131: ir hohen rimere 91), (wie vom beruͤhmten altengliſchen Dichter Thomas the Rymer.) Puͤterich Str. 108. bedient ſich des Worts Schreiber fuͤr Dichter, wobei man an unſern tugendhaften Schreiber denken kann, der Ausdruck ſelbſt iſt ſchon volksmaͤßig. (Nibel. 9042.) Auch im Titurel 2510 ſchreiben fuͤr dichten, und bekannt iſt, daß Montfort den Heße von Straßburg gleichfalls Schreiber nennt, wohin auch noch gehoͤrt, daß Wizlau (CCCLXXXIV) ein Lied mit den Worten „Wizlau diz ſcrip“ endiget. Bei dieſer Gelegenheit gedenke ich einer auffallenden Ge- wohnheit einiger Meiſter, ſich allegoriſche Namen beizulegen. Ich haͤtte das vorhin als einen Beweis fuͤr das Geſell- ſchaftliche der alten Meiſter beibringen koͤnnen, weil ſolche Na- men auf eine Anerkennung mehrerer Gleichen unter einander ſchließen laſſen, wie denn auch die Glieder einer Menge von Geſellſchaften, z. B. der fruchtbringenden, oder ſchon des ge- lehrten Vereins unter Carl dem Großen, liebten, unter be- ſondern Namen hervorzutreten. Allenfalls waͤre ſelbſt Vogel. weide hierher zu nehmen, (man vergl. Adelung 1. 100, und erinnere ſich an Gottfrieds Nachtigallen,) oder laſſen ſich aͤltere Nachrichten von einer Familie Vogelweide geben? Worauf mag ſich wohl der Beiname des tugendhaften Schreibers gruͤn- den? Wenn bei Vogt „der ungelart tugendhaft Schreiber“ vorkommt, ſo koͤnnte er gar mit dem ganz allegoriſchen Unge- larten dieſelbe Perſon ſeyn, deſſen ſehnender Weiſe Wizlau denkt, und von dem die ſpaͤtern Meiſter den ſchwarzen Ton brauchen. Hierher gehoͤren ferner: Raumslant, Singauf, Spervogil, (?) der wilde Alexander, der Lietſchauer (ein guter 91) Gottfried ſpricht vom Leimen der Reime in gutem Sinn, fuͤgt aber auch hinzu: als ob ſie gewachſen waͤren. Triſtan 4596. 97.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_meistergesang_1811/115>, abgerufen am 29.03.2024.