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Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.

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als eine bekannte Stelle aus Wace dentlich auf die vieles,
rotes, harpes
und fietalx (Fideln) hinweist.

Die spätern lays, z. B. die des Froißart, habe ich
noch nicht gesehn, es sollen regelmäßige Strophen gewesen
seyn, was sind aber die virelays, die Roquefort durch
lais tournes erklärt? Eine weitere Untersuchung liegt von
unseren Leichen und dem Meistersang abwärts.

II. Mannichfaltigkeit.

Ich habe gezeigt, welche Regel in dem Meistersang walte,
und zu beweisen gesucht, daß sie in den frühesten und letzten
Erzeugnissen desselben auf gleiche Weise erkannt werden muß.
Uebrig bleibt noch durchzuführen, daß ihre Anwendung die
größte Mannichfaltigkeit zuläßt und eben diese unerschöpfliche
Entfaltung wieder von alten und neuen Meistersingern gleich-
sam als zweite Regel gehalten worden ist. Mit Recht be-
trachte ich also diesen zweiten Punct als einen zweiten innern
Beweis meiner Vorstellung und verfahre darum vergleichungs-
weise, indem ich die Mannichfaltigkeit früher und später Pe-
riode zusammenstelle. Vollständigkeit ist hierin vorerst noch
eben so unnöthig als weitläufig.

Unter den Minneliedern sind die einfachen Töne die häufi-
gen und darunter wieder die von sieben und besonders acht
Zeilen, in diesen beiden ist ein gutes Viertel aller Lieder der
maneßischen Sammlung gedichtet. Nächstdem trifft man die
zehnreimigen am meisten an, und gewöhnlich so, daß der Stoll
3, der Abges. 4 Zeilen, nicht ganz so oft, daß der Stoll 2,
der Abges. 6 Zeilen hat, am seltensten, daß er aus 4, der A.
aus 2 besteht. Hiernach sind die sechs-, dann die neun-, dann
die eilfzeiligen Strophen die häufigsten, jede Art wieder mit
eigenen Verschiedenheiten.

Indessen fehlt es auch an alten Meisterliedern nicht, die
immer länger und verwickelter werden, es würden sich fast zu

als eine bekannte Stelle aus Wace dentlich auf die vieles,
rotes, harpes
und fietalx (Fideln) hinweiſt.

Die ſpaͤtern lays, z. B. die des Froißart, habe ich
noch nicht geſehn, es ſollen regelmaͤßige Strophen geweſen
ſeyn, was ſind aber die virelays, die Roquefort durch
lais tournés erklaͤrt? Eine weitere Unterſuchung liegt von
unſeren Leichen und dem Meiſterſang abwaͤrts.

II. Mannichfaltigkeit.

Ich habe gezeigt, welche Regel in dem Meiſterſang walte,
und zu beweiſen geſucht, daß ſie in den fruͤheſten und letzten
Erzeugniſſen desſelben auf gleiche Weiſe erkannt werden muß.
Uebrig bleibt noch durchzufuͤhren, daß ihre Anwendung die
groͤßte Mannichfaltigkeit zulaͤßt und eben dieſe unerſchoͤpfliche
Entfaltung wieder von alten und neuen Meiſterſingern gleich-
ſam als zweite Regel gehalten worden iſt. Mit Recht be-
trachte ich alſo dieſen zweiten Punct als einen zweiten innern
Beweis meiner Vorſtellung und verfahre darum vergleichungs-
weiſe, indem ich die Mannichfaltigkeit fruͤher und ſpaͤter Pe-
riode zuſammenſtelle. Vollſtaͤndigkeit iſt hierin vorerſt noch
eben ſo unnoͤthig als weitlaͤufig.

Unter den Minneliedern ſind die einfachen Toͤne die haͤufi-
gen und darunter wieder die von ſieben und beſonders acht
Zeilen, in dieſen beiden iſt ein gutes Viertel aller Lieder der
maneßiſchen Sammlung gedichtet. Naͤchſtdem trifft man die
zehnreimigen am meiſten an, und gewoͤhnlich ſo, daß der Stoll
3, der Abgeſ. 4 Zeilen, nicht ganz ſo oft, daß der Stoll 2,
der Abgeſ. 6 Zeilen hat, am ſeltenſten, daß er aus 4, der A.
aus 2 beſteht. Hiernach ſind die ſechs-, dann die neun-, dann
die eilfzeiligen Strophen die haͤufigſten, jede Art wieder mit
eigenen Verſchiedenheiten.

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immer laͤnger und verwickelter werden, es wuͤrden ſich faſt zu

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[70/0080] als eine bekannte Stelle aus Wace dentlich auf die vieles, rotes, harpes und fietalx (Fideln) hinweiſt. Die ſpaͤtern lays, z. B. die des Froißart, habe ich noch nicht geſehn, es ſollen regelmaͤßige Strophen geweſen ſeyn, was ſind aber die virelays, die Roquefort durch lais tournés erklaͤrt? Eine weitere Unterſuchung liegt von unſeren Leichen und dem Meiſterſang abwaͤrts. II. Mannichfaltigkeit. Ich habe gezeigt, welche Regel in dem Meiſterſang walte, und zu beweiſen geſucht, daß ſie in den fruͤheſten und letzten Erzeugniſſen desſelben auf gleiche Weiſe erkannt werden muß. Uebrig bleibt noch durchzufuͤhren, daß ihre Anwendung die groͤßte Mannichfaltigkeit zulaͤßt und eben dieſe unerſchoͤpfliche Entfaltung wieder von alten und neuen Meiſterſingern gleich- ſam als zweite Regel gehalten worden iſt. Mit Recht be- trachte ich alſo dieſen zweiten Punct als einen zweiten innern Beweis meiner Vorſtellung und verfahre darum vergleichungs- weiſe, indem ich die Mannichfaltigkeit fruͤher und ſpaͤter Pe- riode zuſammenſtelle. Vollſtaͤndigkeit iſt hierin vorerſt noch eben ſo unnoͤthig als weitlaͤufig. Unter den Minneliedern ſind die einfachen Toͤne die haͤufi- gen und darunter wieder die von ſieben und beſonders acht Zeilen, in dieſen beiden iſt ein gutes Viertel aller Lieder der maneßiſchen Sammlung gedichtet. Naͤchſtdem trifft man die zehnreimigen am meiſten an, und gewoͤhnlich ſo, daß der Stoll 3, der Abgeſ. 4 Zeilen, nicht ganz ſo oft, daß der Stoll 2, der Abgeſ. 6 Zeilen hat, am ſeltenſten, daß er aus 4, der A. aus 2 beſteht. Hiernach ſind die ſechs-, dann die neun-, dann die eilfzeiligen Strophen die haͤufigſten, jede Art wieder mit eigenen Verſchiedenheiten. Indeſſen fehlt es auch an alten Meiſterliedern nicht, die immer laͤnger und verwickelter werden, es wuͤrden ſich faſt zu

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_meistergesang_1811/80>, abgerufen am 19.04.2024.