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Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.

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allen innerhalb eines gewissen Kreises möglichen Fällen Bei-
spiele finden. So habe ich, wenn man einmal nach den Zeilen
der Stollen classisiciren wollte, (welches in vieler Rücksicht am
bequemsten,) zu den Liedern mit dreizeiligen Stollen Variatio-
nen der Abgesänge von 1 bis 9 Reimen, (also Strophen von
7 bis 15 Reimen) gefunden; zu denen mit vierzeiligen Stollen
Abgesänge von 1 bis 9, und zwei von 12, einen von 18
Reimen, mithin Töne von 9 -- 17 und von 20 und 26.

Fünfreimiger Stollen finde ich in der maneßischen Samm-
lung 32 Lieder, mit Abges. von 3 bis 11 Reimen. Der mit
sechszeiligen habe ich nur 15 notirt, und zwar mit Abges. von
4, 6, 7, 8, 9 und 10 Reimen, welches Töne von 16, 18 -- 21
gibt. Seltner werden die Lieder, wo es höher steigt, doch kenne
ich zwei mit siebenreimigen Stollen, nämlich eins des Nifen
1. 23. (seht an die heide etc.), wo der Abgesang 9, der ganze
Ton also 23 Reime zählt, und eines von Canzler 2. 244.
(helfent mir etc.), wo im Abgesang 14, im Ganzen 28 Reime
stecken 53). Das Minnelied (manigerleie blute etc.) von Winli

53) In diesem und einigen der folgenden sind zwar viele Reime
ganz hart auf einander folgend und fast allein die Zeile aus-
füllend. Es stände auszumachen, ob man nicht mehrere in eine
Zeile zusammensetzen müßte, wogegen ich weniger hätte, wenn
die Analogie späterer nicht dagegen wäre. Die Mss. entscheiden
hier nichts, da man erst seit dem 15ten Jahrhundert die ein-
zelnen Zeilen abgesetzt findet, obgleich man schon früher die
Stollen und Abgesänge unterschied, was sich in den frühsten
Mss. auch nicht einmal zeigt.
Die spätere Terminologie benennt solche Reime Pausen
oder Schlagreime, je nachdem sie ein- oder zweisilbig. In
den Büchern sind ihnen zuweilen ganze Zeilen eingeräumt, zu-
weilen nicht, dann ein oder zwei rothe Striche dahinter. Das
stärkste Beispiel ist mir in Ambr. Metzgers Irgäng Labyrinth
weis bekannt, welche aus 62 (nämlich 17 + 17 + 28) lauter
einsilbigen Reimen besteht, die auch in dem vorliegenden Exem-
plar in eben so viel einzelne Zeilen abgesetzt waren.

allen innerhalb eines gewiſſen Kreiſes moͤglichen Faͤllen Bei-
ſpiele finden. So habe ich, wenn man einmal nach den Zeilen
der Stollen claſſiſiciren wollte, (welches in vieler Ruͤckſicht am
bequemſten,) zu den Liedern mit dreizeiligen Stollen Variatio-
nen der Abgeſaͤnge von 1 bis 9 Reimen, (alſo Strophen von
7 bis 15 Reimen) gefunden; zu denen mit vierzeiligen Stollen
Abgeſaͤnge von 1 bis 9, und zwei von 12, einen von 18
Reimen, mithin Toͤne von 9 — 17 und von 20 und 26.

Fuͤnfreimiger Stollen finde ich in der maneßiſchen Samm-
lung 32 Lieder, mit Abgeſ. von 3 bis 11 Reimen. Der mit
ſechszeiligen habe ich nur 15 notirt, und zwar mit Abgeſ. von
4, 6, 7, 8, 9 und 10 Reimen, welches Toͤne von 16, 18 — 21
gibt. Seltner werden die Lieder, wo es hoͤher ſteigt, doch kenne
ich zwei mit ſiebenreimigen Stollen, naͤmlich eins des Nifen
1. 23. (ſeht an die heide ꝛc.), wo der Abgeſang 9, der ganze
Ton alſo 23 Reime zaͤhlt, und eines von Canzler 2. 244.
(helfent mir ꝛc.), wo im Abgeſang 14, im Ganzen 28 Reime
ſtecken 53). Das Minnelied (manigerleie blute ꝛc.) von Winli

53) In dieſem und einigen der folgenden ſind zwar viele Reime
ganz hart auf einander folgend und faſt allein die Zeile aus-
fuͤllend. Es ſtaͤnde auszumachen, ob man nicht mehrere in eine
Zeile zuſammenſetzen muͤßte, wogegen ich weniger haͤtte, wenn
die Analogie ſpaͤterer nicht dagegen waͤre. Die Mss. entſcheiden
hier nichts, da man erſt ſeit dem 15ten Jahrhundert die ein-
zelnen Zeilen abgeſetzt findet, obgleich man ſchon fruͤher die
Stollen und Abgeſaͤnge unterſchied, was ſich in den fruͤhſten
Mss. auch nicht einmal zeigt.
Die ſpaͤtere Terminologie benennt ſolche Reime Pauſen
oder Schlagreime, je nachdem ſie ein- oder zweiſilbig. In
den Buͤchern ſind ihnen zuweilen ganze Zeilen eingeraͤumt, zu-
weilen nicht, dann ein oder zwei rothe Striche dahinter. Das
ſtaͤrkſte Beiſpiel iſt mir in Ambr. Metzgers Irgaͤng Labyrinth
weis bekannt, welche aus 62 (naͤmlich 17 + 17 + 28) lauter
einſilbigen Reimen beſteht, die auch in dem vorliegenden Exem-
plar in eben ſo viel einzelne Zeilen abgeſetzt waren.
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[71/0081] allen innerhalb eines gewiſſen Kreiſes moͤglichen Faͤllen Bei- ſpiele finden. So habe ich, wenn man einmal nach den Zeilen der Stollen claſſiſiciren wollte, (welches in vieler Ruͤckſicht am bequemſten,) zu den Liedern mit dreizeiligen Stollen Variatio- nen der Abgeſaͤnge von 1 bis 9 Reimen, (alſo Strophen von 7 bis 15 Reimen) gefunden; zu denen mit vierzeiligen Stollen Abgeſaͤnge von 1 bis 9, und zwei von 12, einen von 18 Reimen, mithin Toͤne von 9 — 17 und von 20 und 26. Fuͤnfreimiger Stollen finde ich in der maneßiſchen Samm- lung 32 Lieder, mit Abgeſ. von 3 bis 11 Reimen. Der mit ſechszeiligen habe ich nur 15 notirt, und zwar mit Abgeſ. von 4, 6, 7, 8, 9 und 10 Reimen, welches Toͤne von 16, 18 — 21 gibt. Seltner werden die Lieder, wo es hoͤher ſteigt, doch kenne ich zwei mit ſiebenreimigen Stollen, naͤmlich eins des Nifen 1. 23. (ſeht an die heide ꝛc.), wo der Abgeſang 9, der ganze Ton alſo 23 Reime zaͤhlt, und eines von Canzler 2. 244. (helfent mir ꝛc.), wo im Abgeſang 14, im Ganzen 28 Reime ſtecken 53). Das Minnelied (manigerleie blute ꝛc.) von Winli 53) In dieſem und einigen der folgenden ſind zwar viele Reime ganz hart auf einander folgend und faſt allein die Zeile aus- fuͤllend. Es ſtaͤnde auszumachen, ob man nicht mehrere in eine Zeile zuſammenſetzen muͤßte, wogegen ich weniger haͤtte, wenn die Analogie ſpaͤterer nicht dagegen waͤre. Die Mss. entſcheiden hier nichts, da man erſt ſeit dem 15ten Jahrhundert die ein- zelnen Zeilen abgeſetzt findet, obgleich man ſchon fruͤher die Stollen und Abgeſaͤnge unterſchied, was ſich in den fruͤhſten Mss. auch nicht einmal zeigt. Die ſpaͤtere Terminologie benennt ſolche Reime Pauſen oder Schlagreime, je nachdem ſie ein- oder zweiſilbig. In den Buͤchern ſind ihnen zuweilen ganze Zeilen eingeraͤumt, zu- weilen nicht, dann ein oder zwei rothe Striche dahinter. Das ſtaͤrkſte Beiſpiel iſt mir in Ambr. Metzgers Irgaͤng Labyrinth weis bekannt, welche aus 62 (naͤmlich 17 + 17 + 28) lauter einſilbigen Reimen beſteht, die auch in dem vorliegenden Exem- plar in eben ſo viel einzelne Zeilen abgeſetzt waren.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_meistergesang_1811/81>, abgerufen am 28.03.2024.