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Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669.

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stalt mit allerhandt sorgsamben unnd beschwerlichen
Träumen/ daß er nit allein nit ruhen kan/ sonder
auch schlaffent viel mehr: Als mancher wachent
sündigt; mit Speiß und Tranck auch allen andern
angenehmen Leibs v[e]rpflegungen tractire ich die
wohlhäbige viel schmäler/ als andere dörfftigste zu-
geniessen pflegen; und wann ich der Hoffart zuge-
fallen nit bißweilen ein Aug zuthäte so müsten sie
sich auch elender beklaiden/ als die aller armseelig-
ste Bettler; ich gönne ihnem keine Freud/ keine Ruhe/
keinen Fried/ keine Lust und in Summa nichts das
gut genennet: Und ihren Leiben geschweige den
Seelen zum besten gedeyen mag; ja auch auffs eus-
serst die jenige Wollüste nit/ die andere Welt-Kinder
suchen und sich dardurch zu uns stürtzen; die fleisch-
liche Wohlüste selbst/ denen doch alles von Natur
nachhängt/ was sich nur auff Erden regt/ versaltze ich
ihnen mit Biterkeit; in dem ich die blühende Jüng-
ling mit alten abgelebten unfruchtbaren garstigen
Vetteln: Die allerholdseeligste Jnngfrauen aber
mit Eißgrauen eyfersichtigen Hanereuern verkup-
pele und beunseelige, ihr gröste Ergetzung muß seyn/
sich mit Sorg und Bekümmernuß zu grämen/ und
ihr höchstes Contentament, wann sie ihr Leben mit
schwerer saure Mühe und Arbeit verschleissen/ sich
umb ein wenig rothe Erden/ die sie doch nicht mit-
nehmen können/ die Höll härtiglich zuerarmen.

Jch gestatte ihnen kein rechtschaffenes Gebett/
noch weniger daß sie auß guter Meinung Allmosen
geben/ und ob sie zwar offt fasten oder besser zure-
den Hunger leyden/ so geschihet jedoch solches nit
Andacht halber/ sonder mir zugefallen etwas zuer-
sparren; ich jage sie in Gefährlichkeit Leibs und Le-

bens/
B

ſtalt mit allerhandt ſorgſamben unnd beſchwerlichen
Traͤumen/ daß er nit allein nit ruhen kan/ ſonder
auch ſchlaffent viel mehr: Als mancher wachent
ſuͤndigt; mit Speiß und Tranck auch allen andern
angenehmen Leibs v[e]rpflegungen tractire ich die
wohlhaͤbige viel ſchmaͤler/ als andere doͤrfftigſte zu-
genieſſen pflegen; und wann ich der Hoffart zuge-
fallen nit bißweilen ein Aug zuthaͤte ſo muͤſten ſie
ſich auch elender beklaiden/ als die aller armſeelig-
ſte Bettler; ich goͤnne ihnem keine Fꝛeud/ keine Ruhe/
keinen Fried/ keine Luſt und in Summa nichts das
gut genennet: Und ihren Leiben geſchweige den
Seelen zum beſten gedeyen mag; ja auch auffs euſ-
ſerſt die jenige Wolluͤſte nit/ die andere Welt-Kinder
ſuchen und ſich dardurch zu uns ſtuͤrtzen; die fleiſch-
liche Wohluͤſte ſelbſt/ denen doch alles von Natur
nachhaͤngt/ was ſich nur auff Erden regt/ verſaltze ich
ihnen mit Biterkeit; in dem ich die bluͤhende Juͤng-
ling mit alten abgelebten unfruchtbaren garſtigen
Vetteln: Die allerholdſeeligſte Jnngfrauen aber
mit Eißgrauen eyferſichtigen Hanereuern verkup-
pele und beunſeelige, ihr groͤſte Eꝛgetzung muß ſeyn/
ſich mit Sorg und Bekuͤmmernuß zu graͤmen/ und
ihr hoͤchſtes Contentament, wann ſie ihr Leben mit
ſchwerer ſaure Muͤhe und Arbeit verſchleiſſen/ ſich
umb ein wenig rothe Erden/ die ſie doch nicht mit-
nehmen koͤnnen/ die Hoͤll haͤrtiglich zuerarmen.

Jch geſtatte ihnen kein rechtſchaffenes Gebett/
noch weniger daß ſie auß guter Meinung Allmoſen
geben/ und ob ſie zwar offt faſten oder beſſer zure-
den Hunger leyden/ ſo geſchihet jedoch ſolches nit
Andacht halber/ ſonder mir zugefallen etwas zuer-
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[0029] ſtalt mit allerhandt ſorgſamben unnd beſchwerlichen Traͤumen/ daß er nit allein nit ruhen kan/ ſonder auch ſchlaffent viel mehr: Als mancher wachent ſuͤndigt; mit Speiß und Tranck auch allen andern angenehmen Leibs verpflegungen tractire ich die wohlhaͤbige viel ſchmaͤler/ als andere doͤrfftigſte zu- genieſſen pflegen; und wann ich der Hoffart zuge- fallen nit bißweilen ein Aug zuthaͤte ſo muͤſten ſie ſich auch elender beklaiden/ als die aller armſeelig- ſte Bettler; ich goͤnne ihnem keine Fꝛeud/ keine Ruhe/ keinen Fried/ keine Luſt und in Summa nichts das gut genennet: Und ihren Leiben geſchweige den Seelen zum beſten gedeyen mag; ja auch auffs euſ- ſerſt die jenige Wolluͤſte nit/ die andere Welt-Kinder ſuchen und ſich dardurch zu uns ſtuͤrtzen; die fleiſch- liche Wohluͤſte ſelbſt/ denen doch alles von Natur nachhaͤngt/ was ſich nur auff Erden regt/ verſaltze ich ihnen mit Biterkeit; in dem ich die bluͤhende Juͤng- ling mit alten abgelebten unfruchtbaren garſtigen Vetteln: Die allerholdſeeligſte Jnngfrauen aber mit Eißgrauen eyferſichtigen Hanereuern verkup- pele und beunſeelige, ihr groͤſte Eꝛgetzung muß ſeyn/ ſich mit Sorg und Bekuͤmmernuß zu graͤmen/ und ihr hoͤchſtes Contentament, wann ſie ihr Leben mit ſchwerer ſaure Muͤhe und Arbeit verſchleiſſen/ ſich umb ein wenig rothe Erden/ die ſie doch nicht mit- nehmen koͤnnen/ die Hoͤll haͤrtiglich zuerarmen. Jch geſtatte ihnen kein rechtſchaffenes Gebett/ noch weniger daß ſie auß guter Meinung Allmoſen geben/ und ob ſie zwar offt faſten oder beſſer zure- den Hunger leyden/ ſo geſchihet jedoch ſolches nit Andacht halber/ ſonder mir zugefallen etwas zuer- ſparꝛen; ich jage ſie in Gefaͤhrlichkeit Leibs und Le- bens/ B

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Zitationshilfe: Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669/29>, abgerufen am 20.04.2024.