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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Zweytes Buch.
disgustirt befinden wolten/ alle ungleiche Gedancken
benommen würden.

Als man dergestalt oben in der Stuben von mir
redete/ accordirt der dolle Fähnrich/ den ich an mei-
ne Stell selb ander angesperrt hatte/ unden mit mir
in der Küchen/ und brachte mich durch Drohwort
und einen Thaler/ den er mir zusteckte/ dahin/ daß
ich ihm versprach/ von seinen Händeln reinen Mund
zu halten.

Die Tafeln wurden gedeckt/ und wie den vorigen
Tag mit Speifen und Leuten besetzt/ Wermut-
Salbey-Alant-Quitten- und Citronen-Wein muste
neben dem Hippocras den Säuffern ihre Köpff und
Mägen wieder begütigen/ denn sie waren schier alle
deß Teuffels Märtyrer. Jhr erstes Gespräch war
von ihnen selbsten/ nemlich wie sie gestern einander so
brav voll gesoffen hätten/ und war doch keiner unter
ihnen/ der gründlich gestehen wolte/ daß er voll ge-
wesen/ wiewol den Abend zuvor theils bey Teuffel
holen geschworen/ sie könten nicht mehr sauffen/
auch Wein mein Herr! geschryen und geschrie-
ben hatten. Etliche zwar sagten/ sie hätten gute
Räusch gehabt/ andere aber bekenneten/ daß sich kei-
ner mehr voll söffe/ sint die Räusch auffkommen. Als
sie aber von ihren eigenen Thorheiten beydes zu re-
den und zu hören müd waren/ musie sich der arme
Simplicius leiden: Der Gouverneur selbst erinnerte
den Pfarrer/ die lustige Sachen zu eröffnen/ wie er
versprochen hätte.

Dieser bate zuvörderst/ man wolte ihm nichts vor
ungut halten/ dafern er etwan Wörter reden müste/
die seiner geistlichen Person übel anständig zu seyn

ver-
F vj

Zweytes Buch.
diſguſtirt befinden wolten/ alle ungleiche Gedancken
benommen wuͤrden.

Als man dergeſtalt oben in der Stuben von mir
redete/ accordirt der dolle Faͤhnrich/ den ich an mei-
ne Stell ſelb ander angeſperꝛt hatte/ unden mit mir
in der Kuͤchen/ und brachte mich durch Drohwort
und einen Thaler/ den er mir zuſteckte/ dahin/ daß
ich ihm verſprach/ von ſeinen Haͤndeln reinen Mund
zu halten.

Die Tafeln wurden gedeckt/ und wie den vorigen
Tag mit Speifen und Leuten beſetzt/ Wermut-
Salbey-Alant-Quitten- und Citronen-Wein muſte
neben dem Hippocras den Saͤuffern ihre Koͤpff und
Maͤgen wieder beguͤtigen/ denn ſie waren ſchier alle
deß Teuffels Maͤrtyrer. Jhr erſtes Geſpraͤch war
von ihnen ſelbſten/ nemlich wie ſie geſtern einander ſo
brav voll geſoffen haͤtten/ und war doch keiner unter
ihnen/ der gruͤndlich geſtehen wolte/ daß er voll ge-
weſen/ wiewol den Abend zuvor theils bey Teuffel
holen geſchworen/ ſie koͤnten nicht mehr ſauffen/
auch Wein mein Herꝛ! geſchryen und geſchrie-
ben hatten. Etliche zwar ſagten/ ſie haͤtten gute
Raͤuſch gehabt/ andere aber bekenneten/ daß ſich kei-
ner mehr voll ſoͤffe/ ſint die Raͤuſch auffkommen. Als
ſie aber von ihren eigenen Thorheiten beydes zu re-
den und zu hoͤren muͤd waren/ muſie ſich der arme
Simplicius leiden: Der Gouverneur ſelbſt erinnerte
den Pfarꝛer/ die luſtige Sachen zu eroͤffnen/ wie er
verſprochen haͤtte.

Dieſer bate zuvoͤrderſt/ man wolte ihm nichts vor
ungut halten/ dafern er etwan Woͤrter reden muͤſte/
die ſeiner geiſtlichen Perſon uͤbel anſtaͤndig zu ſeyn

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[129/0135] Zweytes Buch. diſguſtirt befinden wolten/ alle ungleiche Gedancken benommen wuͤrden. Als man dergeſtalt oben in der Stuben von mir redete/ accordirt der dolle Faͤhnrich/ den ich an mei- ne Stell ſelb ander angeſperꝛt hatte/ unden mit mir in der Kuͤchen/ und brachte mich durch Drohwort und einen Thaler/ den er mir zuſteckte/ dahin/ daß ich ihm verſprach/ von ſeinen Haͤndeln reinen Mund zu halten. Die Tafeln wurden gedeckt/ und wie den vorigen Tag mit Speifen und Leuten beſetzt/ Wermut- Salbey-Alant-Quitten- und Citronen-Wein muſte neben dem Hippocras den Saͤuffern ihre Koͤpff und Maͤgen wieder beguͤtigen/ denn ſie waren ſchier alle deß Teuffels Maͤrtyrer. Jhr erſtes Geſpraͤch war von ihnen ſelbſten/ nemlich wie ſie geſtern einander ſo brav voll geſoffen haͤtten/ und war doch keiner unter ihnen/ der gruͤndlich geſtehen wolte/ daß er voll ge- weſen/ wiewol den Abend zuvor theils bey Teuffel holen geſchworen/ ſie koͤnten nicht mehr ſauffen/ auch Wein mein Herꝛ! geſchryen und geſchrie- ben hatten. Etliche zwar ſagten/ ſie haͤtten gute Raͤuſch gehabt/ andere aber bekenneten/ daß ſich kei- ner mehr voll ſoͤffe/ ſint die Raͤuſch auffkommen. Als ſie aber von ihren eigenen Thorheiten beydes zu re- den und zu hoͤren muͤd waren/ muſie ſich der arme Simplicius leiden: Der Gouverneur ſelbſt erinnerte den Pfarꝛer/ die luſtige Sachen zu eroͤffnen/ wie er verſprochen haͤtte. Dieſer bate zuvoͤrderſt/ man wolte ihm nichts vor ungut halten/ dafern er etwan Woͤrter reden muͤſte/ die ſeiner geiſtlichen Perſon uͤbel anſtaͤndig zu ſeyn ver- F vj

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/135>, abgerufen am 30.04.2024.