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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abenth. Simplicissimi
du dann das gantze Land durch stetiges exequiren und
tribuliren in der Contribution erhalten must; Schi-
ckest du die Deinige zu solchem End hinauß/ so ist
rauben/ plündern/ stelen/ brennen und morden ihre
beste Arbeit/ sie haben erst neulich Orb geplündert/
Braunfels eingenommen/ und Staden in die Asche
gelegt/ davon haben sie zwar ihnen Beuten/ du aber
eine schwere Verantwortung bey GOtt gemachet:
Jch lasse seyn/ daß dir vielleicht der Genuß neben der
Ehr auch wol thut/ weist du aber auch/ wer solche
Schätz/ die du etwan samlest/ geniessen wird? Und
gesetzt/ daß dir solcher Reichthum verbleibt (so doch
mißlich stehet) so mustu sie doch in der Welt lassen/
und nimmst nichts darvon mit dir/ als die Sünde/
dardurch du selbigen erworben hast: Hast du dann
das Glück/ daß du dir deine Beuten zu nutz machen
kanst/ so verschwendest du der Armen Schweiß und
Blut/ die jetzt im Elend Mangel leiden/ oder gar
verderden und Hungers sterben. O wie offt sehe ich/
daß deine Gedancken wegen Schwere deines Ampts
hin und wieder zerstreut seyn/ und daß hingegen ich
und andere Kälber ohn alle Bekümmernus ruhig
schlaffen; thust du solches nicht/ so kostet es deinen
Kopff/ dafern anders etwas verabsäumet wird/ das
zu Conservation deiner untergebenen Völcker und
der Vestung hätte observirt werden sollen; Schaue/
solcher Sorgen bin ich überhoben! Und weil ich
weiß/ daß ich der Natur einen Todt zu leisten schul-
dig bin/ sorge ich nicht/ daß jemand meinen Stall
stürmet/ oder daß ich mit Arbeit umb mein Leben
scharmützeln müsse/ sterbe ich jung/ so bin ich der
Mühseeligkeit eines Zug-Ochsens überhoben/ dir

aber

Deß Abenth. Simpliciſſimi
du dann das gantze Land durch ſtetiges exequiren und
tribuliren in der Contribution erhalten muſt; Schi-
ckeſt du die Deinige zu ſolchem End hinauß/ ſo iſt
rauben/ pluͤndern/ ſtelen/ brennen und morden ihre
beſte Arbeit/ ſie haben erſt neulich Orb gepluͤndert/
Braunfels eingenommen/ und Staden in die Aſche
gelegt/ davon haben ſie zwar ihnen Beuten/ du aber
eine ſchwere Verantwortung bey GOtt gemachet:
Jch laſſe ſeyn/ daß dir vielleicht der Genuß neben der
Ehr auch wol thut/ weiſt du aber auch/ wer ſolche
Schaͤtz/ die du etwan ſamleſt/ genieſſen wird? Und
geſetzt/ daß dir ſolcher Reichthum verbleibt (ſo doch
mißlich ſtehet) ſo muſtu ſie doch in der Welt laſſen/
und nimmſt nichts darvon mit dir/ als die Sünde/
dardurch du ſelbigen erworben haſt: Haſt du dann
das Gluͤck/ daß du dir deine Beuten zu nutz machen
kanſt/ ſo verſchwendeſt du der Armen Schweiß und
Blut/ die jetzt im Elend Mangel leiden/ oder gar
verderden und Hungers ſterben. O wie offt ſehe ich/
daß deine Gedancken wegen Schwere deines Ampts
hin und wieder zerſtreut ſeyn/ und daß hingegen ich
und andere Kaͤlber ohn alle Bekuͤmmernus ruhig
ſchlaffen; thuſt du ſolches nicht/ ſo koſtet es deinen
Kopff/ dafern anders etwas verabſaͤumet wird/ das
zu Conſervation deiner untergebenen Voͤlcker und
der Veſtung haͤtte obſervirt werden ſollen; Schaue/
ſolcher Sorgen bin ich uͤberhoben! Und weil ich
weiß/ daß ich der Natur einen Todt zu leiſten ſchul-
dig bin/ ſorge ich nicht/ daß jemand meinen Stall
ſtuͤrmet/ oder daß ich mit Arbeit umb mein Leben
ſcharmuͤtzeln muͤſſe/ ſterbe ich jung/ ſo bin ich der
Muͤhſeeligkeit eines Zug-Ochſens uͤberhoben/ dir

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[162/0168] Deß Abenth. Simpliciſſimi du dann das gantze Land durch ſtetiges exequiren und tribuliren in der Contribution erhalten muſt; Schi- ckeſt du die Deinige zu ſolchem End hinauß/ ſo iſt rauben/ pluͤndern/ ſtelen/ brennen und morden ihre beſte Arbeit/ ſie haben erſt neulich Orb gepluͤndert/ Braunfels eingenommen/ und Staden in die Aſche gelegt/ davon haben ſie zwar ihnen Beuten/ du aber eine ſchwere Verantwortung bey GOtt gemachet: Jch laſſe ſeyn/ daß dir vielleicht der Genuß neben der Ehr auch wol thut/ weiſt du aber auch/ wer ſolche Schaͤtz/ die du etwan ſamleſt/ genieſſen wird? Und geſetzt/ daß dir ſolcher Reichthum verbleibt (ſo doch mißlich ſtehet) ſo muſtu ſie doch in der Welt laſſen/ und nimmſt nichts darvon mit dir/ als die Sünde/ dardurch du ſelbigen erworben haſt: Haſt du dann das Gluͤck/ daß du dir deine Beuten zu nutz machen kanſt/ ſo verſchwendeſt du der Armen Schweiß und Blut/ die jetzt im Elend Mangel leiden/ oder gar verderden und Hungers ſterben. O wie offt ſehe ich/ daß deine Gedancken wegen Schwere deines Ampts hin und wieder zerſtreut ſeyn/ und daß hingegen ich und andere Kaͤlber ohn alle Bekuͤmmernus ruhig ſchlaffen; thuſt du ſolches nicht/ ſo koſtet es deinen Kopff/ dafern anders etwas verabſaͤumet wird/ das zu Conſervation deiner untergebenen Voͤlcker und der Veſtung haͤtte obſervirt werden ſollen; Schaue/ ſolcher Sorgen bin ich uͤberhoben! Und weil ich weiß/ daß ich der Natur einen Todt zu leiſten ſchul- dig bin/ ſorge ich nicht/ daß jemand meinen Stall ſtuͤrmet/ oder daß ich mit Arbeit umb mein Leben ſcharmuͤtzeln muͤſſe/ ſterbe ich jung/ ſo bin ich der Muͤhſeeligkeit eines Zug-Ochſens uͤberhoben/ dir aber

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/168>, abgerufen am 04.05.2024.