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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi
guten Stimm auch auff der Lauten/ und etwas we-
nigs auffdem Jnstrument schlagen konte/ ermasseu
sie auch mein Thun desto genauer/ und weil eine zim-
liche Leibs-Proportion und schönes Angesicht darzu
kam/ hielten sie alle mein Sitten/ Wesen/ Thun und
Lassen vor Adelich/ dergestalt nun muste ich ohnver-
sehens ein sehr beliebter Juncker seyn/ über welchem
man sich verwundert/ daß er sich bey einem so lieder-
lichen Dragoner behülffe.

Als ich nun solcher gestalt denselben Winter in
aller Wollust hingebracht hatte/ wurde mein Herr
abgelöst/ welches ihm auff das gute Leben so and
thät/ daß er darüber erkranckte/ und weil auch ein
starckes Fieber darzu schlug/ zumalen auch die alte
Mucken/ die er sein Lebtag im Krieg auffgefangen/
darzu kamen/ machte ers kurtz/ allermassen ich in
drey Wochen hernach etwas zu begraben hatte/ ich
machte ihm diese Grabschrifft:

Der Schmalhans liget hier/ ein dapfferer
Soldat/
Der all sein Lebetag kein Blut vergossen
hat.

Von Rechts und Gewonheit wegen hätte der Haupt-
mann Pferd und Gewehr/ der Führer aber die übri-
ge Verlassenschafft zu sich nehmen und erben sollen/
weil ich aber damals ein frischer auffgeschossener
Jüngling war/ und Hoffnung gabe/ ich würde mit
der Zeit meinen Mann nicht förchten/ wurde mir al-
les zu überlassen angebotten/ wenn ich mich an mei-
nes verstorbenen Herrn statt unterhalten lassen wol-
te; ich nams umb so viel desto lieber an/ weil mir
bekant/ daß mein Herr in seinen alten Hosen ein zim-

liche

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
guten Stimm auch auff der Lauten/ und etwas we-
nigs auffdem Jnſtrument ſchlagen konte/ ermaſſeu
ſie auch mein Thun deſto genauer/ und weil eine zim-
liche Leibs-Proportion und ſchoͤnes Angeſicht darzu
kam/ hielten ſie alle mein Sitten/ Weſen/ Thun und
Laſſen vor Adelich/ dergeſtalt nun muſte ich ohnver-
ſehens ein ſehr beliebter Juncker ſeyn/ uͤber welchem
man ſich verwundert/ daß er ſich bey einem ſo lieder-
lichen Dragoner behuͤlffe.

Als ich nun ſolcher geſtalt denſelben Winter in
aller Wolluſt hingebracht hatte/ wurde mein Herꝛ
abgeloͤſt/ welches ihm auff das gute Leben ſo and
thaͤt/ daß er daruͤber erkranckte/ und weil auch ein
ſtarckes Fieber darzu ſchlug/ zumalen auch die alte
Mucken/ die er ſein Lebtag im Krieg auffgefangen/
darzu kamen/ machte ers kurtz/ allermaſſen ich in
drey Wochen hernach etwas zu begraben hatte/ ich
machte ihm dieſe Grabſchrifft:

Der Schmalhans liget hier/ ein dapfferer
Soldat/
Der all ſein Lebetag kein Blut vergoſſen
hat.

Von Rechts und Gewonheit wegen haͤtte der Haupt-
mann Pferd und Gewehr/ der Fuͤhrer aber die uͤbri-
ge Verlaſſenſchafft zu ſich nehmen und erben ſollen/
weil ich aber damals ein friſcher auffgeſchoſſener
Juͤngling war/ und Hoffnung gabe/ ich wuͤrde mit
der Zeit meinen Mann nicht foͤrchten/ wurde mir al-
les zu uͤberlaſſen angebotten/ wenn ich mich an mei-
nes verſtorbenen Herꝛn ſtatt unterhalten laſſen wol-
te; ich nams umb ſo viel deſto lieber an/ weil mir
bekant/ daß mein Herꝛ in ſeinen alten Hoſen ein zim-

liche
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[244/0250] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi guten Stimm auch auff der Lauten/ und etwas we- nigs auffdem Jnſtrument ſchlagen konte/ ermaſſeu ſie auch mein Thun deſto genauer/ und weil eine zim- liche Leibs-Proportion und ſchoͤnes Angeſicht darzu kam/ hielten ſie alle mein Sitten/ Weſen/ Thun und Laſſen vor Adelich/ dergeſtalt nun muſte ich ohnver- ſehens ein ſehr beliebter Juncker ſeyn/ uͤber welchem man ſich verwundert/ daß er ſich bey einem ſo lieder- lichen Dragoner behuͤlffe. Als ich nun ſolcher geſtalt denſelben Winter in aller Wolluſt hingebracht hatte/ wurde mein Herꝛ abgeloͤſt/ welches ihm auff das gute Leben ſo and thaͤt/ daß er daruͤber erkranckte/ und weil auch ein ſtarckes Fieber darzu ſchlug/ zumalen auch die alte Mucken/ die er ſein Lebtag im Krieg auffgefangen/ darzu kamen/ machte ers kurtz/ allermaſſen ich in drey Wochen hernach etwas zu begraben hatte/ ich machte ihm dieſe Grabſchrifft: Der Schmalhans liget hier/ ein dapfferer Soldat/ Der all ſein Lebetag kein Blut vergoſſen hat. Von Rechts und Gewonheit wegen haͤtte der Haupt- mann Pferd und Gewehr/ der Fuͤhrer aber die uͤbri- ge Verlaſſenſchafft zu ſich nehmen und erben ſollen/ weil ich aber damals ein friſcher auffgeſchoſſener Juͤngling war/ und Hoffnung gabe/ ich wuͤrde mit der Zeit meinen Mann nicht foͤrchten/ wurde mir al- les zu uͤberlaſſen angebotten/ wenn ich mich an mei- nes verſtorbenen Herꝛn ſtatt unterhalten laſſen wol- te; ich nams umb ſo viel deſto lieber an/ weil mir bekant/ daß mein Herꝛ in ſeinen alten Hoſen ein zim- liche

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/250>, abgerufen am 30.04.2024.