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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi
Ehr geben/ und mir gestehen/ welcher Religion er
beygethan seye? denn ich zweiffle sehr/ daß er dem
Evangelio glaube (ob ich ihn zwar alle Sonntag in
meiner Kirchen gesehen) weil er das verwichene Fest
der Geburt Christi weder bey uns noch den Lutheri-
schen zum Tisch deß Herrn gangen! Jch antwortet/
der Herr Pfarrer hört ja wol/ daß ich ein Christ bin/
und wann ich keiner wäre/ so würde ich mich nicht so
offt in der Predigt haben eingefunden/ im übrigen
aber gestehe ich/ daß ich weder Petrisch noch Pau-
lisch bin/ sondern allein simpliciter glaube/ was die
12. Articul deß Allgemeinen H. Christlichen Glau-
bens in sich halten/ werde mich auch zu keinem Theil
vollkommen verpflichten/ biß mich ein oder ander
durch genugsame Erweisungen persuadirt zu glau-
ben/ daß es vor den andern die rechte wahre und al-
lein seeligmachende Religion habe. Jetzt/ sagte er/
glaube ich erst recht/ daß er ein kühnes Soldaten-
Hertz habe/ sein Leben dapffer dran zu wagen/ weil er
gleichsam ohne Religion und Gottesdienst auff den
Alten Käiser hinein dahin leben/ und so frevelhafftig
seine Seeligkeit in die Schantz schlagen darff! Mein
Gott/ wie kan aber ein sterblicher Mensch/ der entwe-
der verdammt oder seelig werden muß/ immermehr
so keck seyn? Jst der Herr in Hanau erzogen/ und nit
anders im Christenthumb unterrichtet worden? Er
sage mir doch/ warumb er seiner Eltern Fußstapffen
in der reinen Christlichen Religion nicht nach folget?
Oder warumb er sich eben so wenig zu dieser/ als zu
einer andern begeben will/ deren Fundamenta so wol
in der Natur als H. Schrifft/ doch so Sonnenklar
am Tag ligen/ daß sie auch in Ewigkeit weder Papist

noch

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
Ehr geben/ und mir geſtehen/ welcher Religion er
beygethan ſeye? denn ich zweiffle ſehr/ daß er dem
Evangelio glaube (ob ich ihn zwar alle Sonntag in
meiner Kirchen geſehen) weil er das verwichene Feſt
der Geburt Chriſti weder bey uns noch den Lutheri-
ſchen zum Tiſch deß Herꝛn gangen! Jch antwortet/
der Herꝛ Pfarꝛer hoͤrt ja wol/ daß ich ein Chriſt bin/
und wann ich keiner waͤre/ ſo wuͤrde ich mich nicht ſo
offt in der Predigt haben eingefunden/ im uͤbrigen
aber geſtehe ich/ daß ich weder Petriſch noch Pau-
liſch bin/ ſondern allein ſimpliciter glaube/ was die
12. Articul deß Allgemeinen H. Chriſtlichen Glau-
bens in ſich halten/ werde mich auch zu keinem Theil
vollkommen verpflichten/ biß mich ein oder ander
durch genugſame Erweiſungen perſuadirt zu glau-
ben/ daß es vor den andern die rechte wahre und al-
lein ſeeligmachende Religion habe. Jetzt/ ſagte er/
glaube ich erſt recht/ daß er ein kuͤhnes Soldaten-
Hertz habe/ ſein Leben dapffer dran zu wagen/ weil er
gleichſam ohne Religion und Gottesdienſt auff den
Alten Kaͤiſer hinein dahin leben/ und ſo frevelhafftig
ſeine Seeligkeit in die Schantz ſchlagen darff! Mein
Gott/ wie kan aber ein ſterblicher Menſch/ der entwe-
der verdammt oder ſeelig werden muß/ immermehr
ſo keck ſeyn? Jſt der Herꝛ in Hanau erzogen/ und nit
anders im Chriſtenthumb unterꝛichtet worden? Er
ſage mir doch/ warumb er ſeiner Eltern Fußſtapffen
in der reinen Chriſtlichen Religion nicht nach folget?
Oder warumb er ſich eben ſo wenig zu dieſer/ als zu
einer andern begeben will/ deren Fundamenta ſo wol
in der Natur als H. Schrifft/ doch ſo Sonnenklar
am Tag ligen/ daß ſie auch in Ewigkeit weder Papiſt

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[356/0362] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi Ehr geben/ und mir geſtehen/ welcher Religion er beygethan ſeye? denn ich zweiffle ſehr/ daß er dem Evangelio glaube (ob ich ihn zwar alle Sonntag in meiner Kirchen geſehen) weil er das verwichene Feſt der Geburt Chriſti weder bey uns noch den Lutheri- ſchen zum Tiſch deß Herꝛn gangen! Jch antwortet/ der Herꝛ Pfarꝛer hoͤrt ja wol/ daß ich ein Chriſt bin/ und wann ich keiner waͤre/ ſo wuͤrde ich mich nicht ſo offt in der Predigt haben eingefunden/ im uͤbrigen aber geſtehe ich/ daß ich weder Petriſch noch Pau- liſch bin/ ſondern allein ſimpliciter glaube/ was die 12. Articul deß Allgemeinen H. Chriſtlichen Glau- bens in ſich halten/ werde mich auch zu keinem Theil vollkommen verpflichten/ biß mich ein oder ander durch genugſame Erweiſungen perſuadirt zu glau- ben/ daß es vor den andern die rechte wahre und al- lein ſeeligmachende Religion habe. Jetzt/ ſagte er/ glaube ich erſt recht/ daß er ein kuͤhnes Soldaten- Hertz habe/ ſein Leben dapffer dran zu wagen/ weil er gleichſam ohne Religion und Gottesdienſt auff den Alten Kaͤiſer hinein dahin leben/ und ſo frevelhafftig ſeine Seeligkeit in die Schantz ſchlagen darff! Mein Gott/ wie kan aber ein ſterblicher Menſch/ der entwe- der verdammt oder ſeelig werden muß/ immermehr ſo keck ſeyn? Jſt der Herꝛ in Hanau erzogen/ und nit anders im Chriſtenthumb unterꝛichtet worden? Er ſage mir doch/ warumb er ſeiner Eltern Fußſtapffen in der reinen Chriſtlichen Religion nicht nach folget? Oder warumb er ſich eben ſo wenig zu dieſer/ als zu einer andern begeben will/ deren Fundamenta ſo wol in der Natur als H. Schrifft/ doch ſo Sonnenklar am Tag ligen/ daß ſie auch in Ewigkeit weder Papiſt noch

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/362>, abgerufen am 02.05.2024.