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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi
und Geberden zu stellen/ daß sie alle glaubten/ ich
hätte deß Orphei Person mehr agirt/ als den ich da-
mals praesentiren/ und mich umb meine Euridice so
übel geheben muste. Jch hab die Tag meines Lebens
keinen so angenehmen Tag gedabt/ als mir der jenige
war/ an welchem diese Comoedia gespielt wurde:
Mons. Canard gab mir etwas ein/ meine Stimm de-
sto klärer zu machen/ und da er meine Schönheit mit
Oleo Talci erhöhern/ und meine halb-krause Haar/
die von Schwärtze glitzerten/ verpudern wolte/ fande
er/ daß er mich nur damit verstellte/ ich wurde mit ei-
nem Lorbeer-Krantz bekrönet/ und in ein Antiquisch
Meergrün Kleid angethan/ in welchem man mir den
gantzen Hals/ das Obertheil der Brust/ die Arm biß
hinder die Elendogen/ und die Knye von den halben
Schenckeln an biß auff die halbe Waden/ nackend
und bloß sehen konte/ umb solches schlug ich einen
Leibfarben daffeten Mantel/ der sich mehr einem
Feldzeichen vergliche; in solchem Kleid leffelt ich
umb meine Euridice, ruffte die Venus mit einem schö-
nen Liedlein umb Beystand an/ und brachte endlich
meine Liebste darvon; Jn welchem Actu ich mich
trefflich zu stellen/ und meine Liebste mit Seufftzen
und spielenden Augen anzublicken wuste. Nachdem
ich aber meine Euridicen verloren/ zog ich einen gantz
schwartzen Habit an auff die vorige Mode gemacht/
auß welchem meine weisse Haut hervor schiene/ wie
der Schnee; in solchem beklagte ich meine verlorne
Gemahlin/ und bildete mir die Sach so erbärmlich
ein/ daß mir mitten in meinen traurigen Liedern und
Melodeyen die Threnen herauß rucken/ und das wey-
nen dem singen den Paß verlegen wolte/ doch langte

ich

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
und Geberden zu ſtellen/ daß ſie alle glaubten/ ich
haͤtte deß Orphei Perſon mehr agirt/ als den ich da-
mals præſentiren/ und mich umb meine Euridice ſo
uͤbel geheben muſte. Jch hab die Tag meines Lebens
keinen ſo angenehmen Tag gedabt/ als mir der jenige
war/ an welchem dieſe Comœdia geſpielt wurde:
Monſ. Canard gab mir etwas ein/ meine Stimm de-
ſto klaͤrer zu machen/ und da er meine Schoͤnheit mit
Oleo Talci erhoͤhern/ und meine halb-krauſe Haar/
die von Schwaͤrtze glitzerten/ verpudern wolte/ fande
er/ daß er mich nur damit verſtellte/ ich wurde mit ei-
nem Lorbeer-Krantz bekroͤnet/ und in ein Antiquiſch
Meergruͤn Kleid angethan/ in welchem man mir den
gantzen Hals/ das Obertheil der Bruſt/ die Arm biß
hinder die Elendogen/ und die Knye von den halben
Schenckeln an biß auff die halbe Waden/ nackend
und bloß ſehen konte/ umb ſolches ſchlug ich einen
Leibfarben daffeten Mantel/ der ſich mehr einem
Feldzeichen vergliche; in ſolchem Kleid leffelt ich
umb meine Euridice, ruffte die Venus mit einem ſchoͤ-
nen Liedlein umb Beyſtand an/ und brachte endlich
meine Liebſte darvon; Jn welchem Actu ich mich
trefflich zu ſtellen/ und meine Liebſte mit Seufftzen
und ſpielenden Augen anzublicken wuſte. Nachdem
ich aber meine Euridicen verloren/ zog ich einen gantz
ſchwartzen Habit an auff die vorige Mode gemacht/
auß welchem meine weiſſe Haut hervor ſchiene/ wie
der Schnee; in ſolchem beklagte ich meine verlorne
Gemahlin/ und bildete mir die Sach ſo erbaͤrmlich
ein/ daß mir mitten in meinen traurigen Liedern und
Melodeyen die Threnen herauß rucken/ und das wey-
nen dem ſingen den Paß verlegen wolte/ doch langte

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[396/0402] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi und Geberden zu ſtellen/ daß ſie alle glaubten/ ich haͤtte deß Orphei Perſon mehr agirt/ als den ich da- mals præſentiren/ und mich umb meine Euridice ſo uͤbel geheben muſte. Jch hab die Tag meines Lebens keinen ſo angenehmen Tag gedabt/ als mir der jenige war/ an welchem dieſe Comœdia geſpielt wurde: Monſ. Canard gab mir etwas ein/ meine Stimm de- ſto klaͤrer zu machen/ und da er meine Schoͤnheit mit Oleo Talci erhoͤhern/ und meine halb-krauſe Haar/ die von Schwaͤrtze glitzerten/ verpudern wolte/ fande er/ daß er mich nur damit verſtellte/ ich wurde mit ei- nem Lorbeer-Krantz bekroͤnet/ und in ein Antiquiſch Meergruͤn Kleid angethan/ in welchem man mir den gantzen Hals/ das Obertheil der Bruſt/ die Arm biß hinder die Elendogen/ und die Knye von den halben Schenckeln an biß auff die halbe Waden/ nackend und bloß ſehen konte/ umb ſolches ſchlug ich einen Leibfarben daffeten Mantel/ der ſich mehr einem Feldzeichen vergliche; in ſolchem Kleid leffelt ich umb meine Euridice, ruffte die Venus mit einem ſchoͤ- nen Liedlein umb Beyſtand an/ und brachte endlich meine Liebſte darvon; Jn welchem Actu ich mich trefflich zu ſtellen/ und meine Liebſte mit Seufftzen und ſpielenden Augen anzublicken wuſte. Nachdem ich aber meine Euridicen verloren/ zog ich einen gantz ſchwartzen Habit an auff die vorige Mode gemacht/ auß welchem meine weiſſe Haut hervor ſchiene/ wie der Schnee; in ſolchem beklagte ich meine verlorne Gemahlin/ und bildete mir die Sach ſo erbaͤrmlich ein/ daß mir mitten in meinen traurigen Liedern und Melodeyen die Threnen herauß rucken/ und das wey- nen dem ſingen den Paß verlegen wolte/ doch langte ich

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/402>, abgerufen am 28.04.2024.