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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Viertes Buch.
teten mich dergestalt zu/ daß ich hinfüro vor den
Weibsbildern gute Ruhe hatte; ich kriegte Gruben
im Gesicht/ daß ich außsahe wie ein Scheur-Denne/
darin man Erbsen gedroschen/ ja ich wurde so heß-
lich/ daß sich meine schöne krause Haar/ in welchem
sich so manch Weibsbild verstrickt/ meiner schämten/
und ihre Heimat verliessen; An deren statt bekam ich
andere/ die sich den Säuborsten vergleichen liessen/
daß ich also nothwendig eine Barucque tragen muste/
und gleich wie außwendig an der Haut keine Zierd
mehr übrig bliebe/ also gieng meine liebliche Stimm
auch dahin/ dann ich den Hals voller Blattern gehabt/
meine Augen/ die man hiebevor niemal ohne Liebes-
Feur finden können/ eine jede zu entzünden/ sahen
jetzt so roth und trieffend auß/ wie eines 80. jährigen
Weibs/ das den Cornelium hat. Und über das all[e]s
so war ich in fremden Landen/ kante weder Hund
noch Menschen/ ders treulich mit mir meynte/ ver-
stund die Sprach nicht/ und hatte allbereit kein Geld
mehr übrig.

Da fieng ich erst an hindersich zu gedencken/ und
die herrliche Gelegenheiten zu bejammern/ die mir
hiebevor zu Beförderung meiner Wolfart angestan-
den/ ich aber so liederlich hatte verstreichen lassen;
Jch sahe erst zurück/ und merckte/ daß mein extra or-
dinari
Glück im Krieg/ und mein gefundener Schatz/
nichts anders als eine Ursach und Vorbereitung zu
meinem Unglück gewesen/ welches mich nimmermehr
so weit hinunder hätte werffen können/ da es mich nit
zuvor durch falsche Blick angeschaut/ und so hoch
erhaden hätte/ ja ich fande/ daß das jenige Gute/ so
mir begegnet/ und ich vor gut gehalten/ böß gewe-

sen
S jv

Viertes Buch.
teten mich dergeſtalt zu/ daß ich hinfuͤro vor den
Weibsbildern gute Ruhe hatte; ich kriegte Gruben
im Geſicht/ daß ich außſahe wie ein Scheur-Denne/
darin man Erbſen gedroſchen/ ja ich wurde ſo heß-
lich/ daß ſich meine ſchoͤne krauſe Haar/ in welchem
ſich ſo manch Weibsbild verſtrickt/ meiner ſchaͤmten/
und ihre Heimat verlieſſen; An deren ſtatt bekam ich
andere/ die ſich den Saͤuborſten vergleichen lieſſen/
daß ich alſo nothwendig eine Barucque tragen muſte/
und gleich wie außwendig an der Haut keine Zierd
mehr uͤbrig bliebe/ alſo gieng meine liebliche Stimm
auch dahin/ dañ ich den Hals voller Blattern gehabt/
meine Augen/ die man hiebevor niemal ohne Liebes-
Feur finden koͤnnen/ eine jede zu entzuͤnden/ ſahen
jetzt ſo roth und trieffend auß/ wie eines 80. jaͤhrigen
Weibs/ das den Cornelium hat. Und uͤber das all[e]s
ſo war ich in fremden Landen/ kante weder Hund
noch Menſchen/ ders treulich mit mir meynte/ ver-
ſtund die Sprach nicht/ und hatte allbereit kein Geld
mehr uͤbrig.

Da fieng ich erſt an hinderſich zu gedencken/ und
die herꝛliche Gelegenheiten zu bejammern/ die mir
hiebevor zu Befoͤrderung meiner Wolfart angeſtan-
den/ ich aber ſo liederlich hatte verſtreichen laſſen;
Jch ſahe erſt zurück/ und merckte/ daß mein extra or-
dinari
Gluͤck im Krieg/ und mein gefundener Schatz/
nichts anders als eine Urſach und Vorbereitung zu
meinem Ungluͤck geweſen/ welches mich nim̃ermehr
ſo weit hinunder haͤtte werffen koͤnnen/ da es mich nit
zuvor durch falſche Blick angeſchaut/ und ſo hoch
erhaden haͤtte/ ja ich fande/ daß das jenige Gute/ ſo
mir begegnet/ und ich vor gut gehalten/ boͤß gewe-

ſen
S jv
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[413/0419] Viertes Buch. teten mich dergeſtalt zu/ daß ich hinfuͤro vor den Weibsbildern gute Ruhe hatte; ich kriegte Gruben im Geſicht/ daß ich außſahe wie ein Scheur-Denne/ darin man Erbſen gedroſchen/ ja ich wurde ſo heß- lich/ daß ſich meine ſchoͤne krauſe Haar/ in welchem ſich ſo manch Weibsbild verſtrickt/ meiner ſchaͤmten/ und ihre Heimat verlieſſen; An deren ſtatt bekam ich andere/ die ſich den Saͤuborſten vergleichen lieſſen/ daß ich alſo nothwendig eine Barucque tragen muſte/ und gleich wie außwendig an der Haut keine Zierd mehr uͤbrig bliebe/ alſo gieng meine liebliche Stimm auch dahin/ dañ ich den Hals voller Blattern gehabt/ meine Augen/ die man hiebevor niemal ohne Liebes- Feur finden koͤnnen/ eine jede zu entzuͤnden/ ſahen jetzt ſo roth und trieffend auß/ wie eines 80. jaͤhrigen Weibs/ das den Cornelium hat. Und uͤber das alles ſo war ich in fremden Landen/ kante weder Hund noch Menſchen/ ders treulich mit mir meynte/ ver- ſtund die Sprach nicht/ und hatte allbereit kein Geld mehr uͤbrig. Da fieng ich erſt an hinderſich zu gedencken/ und die herꝛliche Gelegenheiten zu bejammern/ die mir hiebevor zu Befoͤrderung meiner Wolfart angeſtan- den/ ich aber ſo liederlich hatte verſtreichen laſſen; Jch ſahe erſt zurück/ und merckte/ daß mein extra or- dinari Gluͤck im Krieg/ und mein gefundener Schatz/ nichts anders als eine Urſach und Vorbereitung zu meinem Ungluͤck geweſen/ welches mich nim̃ermehr ſo weit hinunder haͤtte werffen koͤnnen/ da es mich nit zuvor durch falſche Blick angeſchaut/ und ſo hoch erhaden haͤtte/ ja ich fande/ daß das jenige Gute/ ſo mir begegnet/ und ich vor gut gehalten/ boͤß gewe- ſen S jv

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/419>, abgerufen am 29.04.2024.