Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

Bild:
<< vorherige Seite

Deß Abentheurl. Simplicissimi
richten her käme/ da ich doch ein Weltmensch bin;
jene aber/ als Geistliche/ respectirten doch die Hohe
Majestät deß Römischen Käisers nicht. Warumb
solte mir verbotten seyn/ meine Nahrung vermittelst
der Kirche zu suchen/ da sich doch sonst so viel Men-
schen von derselben ernehren? Jsts billich/ daß man-
cher Reicher umb ein Stück Geld in die Kirche be-
graben wird/ sein und seiner Freund schafft Hoffart zu
bezeugen/ und daß hingegen der Arme (der doch so
wol ein Christ als jener/ ja vielleicht ein frömmerer
Mensch gewesen) so nichts zu geben hat/ ausserhalb
in einem Winckel verscharret werden muß; es ist ein
Ding wie mans macht/ wenn ich hätte gewust/ daß
du Bedencken trügest/ in der Kirch auffzupassen/ so
hätte ich mich bedacht/ dir anderst zu antworten/ in-
dessen nimm ein Weil mit diesem vor lieb/ diß ich
dich einmal anders berede.

Jch hätte dem Olivier gern geantwort/ daß solches
auch liederliche Leut wären/ so wol als er/ welche die
Kirchen verunehren/ und daß dieselbige ihren Lohn
schon drumb finden würden; Weil ich ihm aber ohne
das nicht traute/ und ungern noch einmal mit ihm
gestritten hätte. Hernach begehrte er/ ich wolte ihm
erzehlen/ wie mirs ergangen/ sint wir vor Witstock
voneinander kommen/ und dann warumb ich Narrn-
Kleider angehabt/ als ich im Magdeburgischen Läger
angelangt? Weil ich aber wegen Hals-schmertzen
gar zu unlustig/ entschuldigte ich mich/ mit Bitt/ er
wolte mir doch zuvor seinen Lebens-lauff erzehlen/
der vielleicht possierliche Schnitz in sich hielte; Diß
sagte er mir zu/ und fieng sein ruchlos Leben nachfol-
gender gestalt an zu erzehlen.

Das

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
richten her kaͤme/ da ich doch ein Weltmenſch bin;
jene aber/ als Geiſtliche/ reſpectirten doch die Hohe
Majeſtaͤt deß Roͤmiſchen Kaͤiſers nicht. Warumb
ſolte mir verbotten ſeyn/ meine Nahrung vermittelſt
der Kirche zu ſuchen/ da ſich doch ſonſt ſo viel Men-
ſchen von derſelben ernehren? Jſts billich/ daß man-
cher Reicher umb ein Stuͤck Geld in die Kirche be-
graben wird/ ſein und ſeiner Freund ſchafft Hoffart zu
bezeugen/ und daß hingegen der Arme (der doch ſo
wol ein Chriſt als jener/ ja vielleicht ein froͤmmerer
Menſch geweſen) ſo nichts zu geben hat/ auſſerhalb
in einem Winckel verſcharꝛet werden muß; es iſt ein
Ding wie mans macht/ wenn ich haͤtte gewuſt/ daß
du Bedencken truͤgeſt/ in der Kirch auffzupaſſen/ ſo
haͤtte ich mich bedacht/ dir anderſt zu antworten/ in-
deſſen nimm ein Weil mit dieſem vor lieb/ diß ich
dich einmal anders berede.

Jch haͤtte dem Olivier gern geantwoꝛt/ daß ſolches
auch liederliche Leut waͤren/ ſo wol als er/ welche die
Kirchen verunehren/ und daß dieſelbige ihren Lohn
ſchon drumb finden wuͤrden; Weil ich ihm aber ohne
das nicht traute/ und ungern noch einmal mit ihm
geſtritten haͤtte. Hernach begehrte er/ ich wolte ihm
erzehlen/ wie mirs ergangen/ ſint wir vor Witſtock
voneinander kommen/ und dann warumb ich Narꝛn-
Kleider angehabt/ als ich im Magdeburgiſchen Laͤger
angelangt? Weil ich aber wegen Hals-ſchmertzen
gar zu unluſtig/ entſchuldigte ich mich/ mit Bitt/ er
wolte mir doch zuvor ſeinen Lebens-lauff erzehlen/
der vielleicht poſſierliche Schnitz in ſich hielte; Diß
ſagte er mir zu/ und fieng ſein ruchlos Leben nachfol-
gender geſtalt an zu erzehlen.

Das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0464" n="458"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Deß Abentheurl. <hi rendition="#aq">Simplici&#x017F;&#x017F;imi</hi></hi></fw><lb/>
richten her ka&#x0364;me/ da ich doch ein Weltmen&#x017F;ch bin;<lb/>
jene aber/ als Gei&#x017F;tliche/ <hi rendition="#aq">re&#x017F;pecti</hi>rten doch die Hohe<lb/>
Maje&#x017F;ta&#x0364;t deß Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Ka&#x0364;i&#x017F;ers nicht. Warumb<lb/>
&#x017F;olte mir verbotten &#x017F;eyn/ meine Nahrung vermittel&#x017F;t<lb/>
der Kirche zu &#x017F;uchen/ da &#x017F;ich doch &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o viel Men-<lb/>
&#x017F;chen von der&#x017F;elben ernehren? J&#x017F;ts billich/ daß man-<lb/>
cher Reicher umb ein Stu&#x0364;ck Geld in die Kirche be-<lb/>
graben wird/ &#x017F;ein und &#x017F;einer Freund &#x017F;chafft Hoffart zu<lb/>
bezeugen/ und daß hingegen der Arme (der doch &#x017F;o<lb/>
wol ein Chri&#x017F;t als jener/ ja vielleicht ein fro&#x0364;mmerer<lb/>
Men&#x017F;ch gewe&#x017F;en) &#x017F;o nichts zu geben hat/ au&#x017F;&#x017F;erhalb<lb/>
in einem Winckel ver&#x017F;char&#xA75B;et werden muß; es i&#x017F;t ein<lb/>
Ding wie mans macht/ wenn ich ha&#x0364;tte gewu&#x017F;t/ daß<lb/>
du Bedencken tru&#x0364;ge&#x017F;t/ in der Kirch auffzupa&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;o<lb/>
ha&#x0364;tte ich mich bedacht/ dir ander&#x017F;t zu antworten/ in-<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en nimm ein Weil mit die&#x017F;em vor lieb/ diß ich<lb/>
dich einmal anders berede.</p><lb/>
        <p>Jch ha&#x0364;tte dem <hi rendition="#aq">Olivier</hi> gern geantwo&#xA75B;t/ daß &#x017F;olches<lb/>
auch liederliche Leut wa&#x0364;ren/ &#x017F;o wol als er/ welche die<lb/>
Kirchen verunehren/ und daß die&#x017F;elbige ihren Lohn<lb/>
&#x017F;chon drumb finden wu&#x0364;rden; Weil ich ihm aber ohne<lb/>
das nicht traute/ und ungern noch einmal mit ihm<lb/>
ge&#x017F;tritten ha&#x0364;tte. Hernach begehrte er/ ich wolte ihm<lb/>
erzehlen/ wie mirs ergangen/ &#x017F;int wir vor Wit&#x017F;tock<lb/>
voneinander kommen/ und dann warumb ich Nar&#xA75B;n-<lb/>
Kleider angehabt/ als ich im Magdeburgi&#x017F;chen La&#x0364;ger<lb/>
angelangt? Weil ich aber wegen Hals-&#x017F;chmertzen<lb/>
gar zu unlu&#x017F;tig/ ent&#x017F;chuldigte ich mich/ mit Bitt/ er<lb/>
wolte mir doch zuvor &#x017F;einen Lebens-lauff erzehlen/<lb/>
der vielleicht po&#x017F;&#x017F;ierliche Schnitz in &#x017F;ich hielte; Diß<lb/>
&#x017F;agte er mir zu/ und fieng &#x017F;ein ruchlos Leben nachfol-<lb/>
gender ge&#x017F;talt an zu erzehlen.</p>
      </div><lb/>
      <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Das</hi> </fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[458/0464] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi richten her kaͤme/ da ich doch ein Weltmenſch bin; jene aber/ als Geiſtliche/ reſpectirten doch die Hohe Majeſtaͤt deß Roͤmiſchen Kaͤiſers nicht. Warumb ſolte mir verbotten ſeyn/ meine Nahrung vermittelſt der Kirche zu ſuchen/ da ſich doch ſonſt ſo viel Men- ſchen von derſelben ernehren? Jſts billich/ daß man- cher Reicher umb ein Stuͤck Geld in die Kirche be- graben wird/ ſein und ſeiner Freund ſchafft Hoffart zu bezeugen/ und daß hingegen der Arme (der doch ſo wol ein Chriſt als jener/ ja vielleicht ein froͤmmerer Menſch geweſen) ſo nichts zu geben hat/ auſſerhalb in einem Winckel verſcharꝛet werden muß; es iſt ein Ding wie mans macht/ wenn ich haͤtte gewuſt/ daß du Bedencken truͤgeſt/ in der Kirch auffzupaſſen/ ſo haͤtte ich mich bedacht/ dir anderſt zu antworten/ in- deſſen nimm ein Weil mit dieſem vor lieb/ diß ich dich einmal anders berede. Jch haͤtte dem Olivier gern geantwoꝛt/ daß ſolches auch liederliche Leut waͤren/ ſo wol als er/ welche die Kirchen verunehren/ und daß dieſelbige ihren Lohn ſchon drumb finden wuͤrden; Weil ich ihm aber ohne das nicht traute/ und ungern noch einmal mit ihm geſtritten haͤtte. Hernach begehrte er/ ich wolte ihm erzehlen/ wie mirs ergangen/ ſint wir vor Witſtock voneinander kommen/ und dann warumb ich Narꝛn- Kleider angehabt/ als ich im Magdeburgiſchen Laͤger angelangt? Weil ich aber wegen Hals-ſchmertzen gar zu unluſtig/ entſchuldigte ich mich/ mit Bitt/ er wolte mir doch zuvor ſeinen Lebens-lauff erzehlen/ der vielleicht poſſierliche Schnitz in ſich hielte; Diß ſagte er mir zu/ und fieng ſein ruchlos Leben nachfol- gender geſtalt an zu erzehlen. Das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der angegebene Verlag (Fillion) ist fiktiv. Die k… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/464
Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/464>, abgerufen am 28.04.2024.