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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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und an ihn meinen Schwager geschrieben; derselbe
nun wolte mich selbst herbergen/ damit er von mir als
einem Botten erfahren könte/ was Stands Simpli-
cius
seye/ und wie ich mich verhielte? zu dem Ende
discurirte meine Schwägerin lang mit mir von mir
selbsten/ und ich redete auch von mir/ was ich nur
löblichs von mir wuste/ dann die Urschlechten hatten
mich dergestalt verderbt und verändert/ daß mich kein
Mensch mehr kante/ ausser der von Schönstein/ wel-
cher aber als mein getreuster Freund/ reinen Mund
hielte.

Als ich ihr nun nach der Länge erzehlt/ daß Herr
Simplicius viel schöner Pferd und Diener hätte/ und
in einem schwartzen sammeten Mutzen auffzöge/ der
überall mit Gold verbremt wäre/ sagte sie: Ja/ ich
hab mir jederzeit eingebildet/ daß er keines so schlech-
ten Herkommens sey/ als er sich darvor außgeben/
der hiesige Commandant hat meine Eltern seel. mit
grossen Verheissungen persuadirt/ daß sie ihm meine
Schwester seel. die wol ein fromme Jungfer gewesen/
gantz vorthelhafftiger Weis auffgesattelt/ davon ich
niemalen ein gutes End habe hoffen können/ nichts
desto weniger hat er sich wol angelassen/ und resol-
vi
rt/ in hiesiger Guarnison Schwedische/ oder viel-
mehr Hessische Dienst anzunehmen/ massen er zu sol-
chem End seinen Vorrath/ was er zu Cöln gehabt/
hieher holen wollen/ das sich aber gesteckt/ und er da-
rüber gantz schelmischer Weis in Franckreich pra-
ctici
rt worden/ meine Schwester/ die ihn noch kaum
vier Wochen gehabt/ und sonst noch wol ein halb
Dutzet Burgers-Töchter/ schwanger hinderlassend;
wie dann eine nach der andern (und zwar meine

Schwe-

Fuͤnfftes Buch.
und an ihn meinen Schwager geſchrieben; derſelbe
nun wolte mich ſelbſt herbergen/ damit er von mir als
einem Botten erfahren koͤnte/ was Stands Simpli-
cius
ſeye/ und wie ich mich verhielte? zu dem Ende
diſcurirte meine Schwaͤgerin lang mit mir von mir
ſelbſten/ und ich redete auch von mir/ was ich nur
loͤblichs von mir wuſte/ dann die Urſchlechten hatten
mich dergeſtalt verderbt und veraͤndert/ daß mich kein
Menſch mehr kante/ auſſer der von Schoͤnſtein/ wel-
cher aber als mein getreuſter Freund/ reinen Mund
hielte.

Als ich ihr nun nach der Laͤnge erzehlt/ daß Herꝛ
Simplicius viel ſchoͤner Pferd und Diener haͤtte/ und
in einem ſchwartzen ſammeten Mutzen auffzoͤge/ der
uͤberall mit Gold verbremt waͤre/ ſagte ſie: Ja/ ich
hab mir jederzeit eingebildet/ daß er keines ſo ſchlech-
ten Herkommens ſey/ als er ſich darvor außgeben/
der hieſige Commandant hat meine Eltern ſeel. mit
groſſen Verheiſſungen perſuadirt/ daß ſie ihm meine
Schweſter ſeel. die wol ein from̃e Jungfer geweſen/
gantz vorthelhafftiger Weis auffgeſattelt/ davon ich
niemalen ein gutes End habe hoffen koͤnnen/ nichts
deſto weniger hat er ſich wol angelaſſen/ und reſol-
vi
rt/ in hieſiger Guarniſon Schwediſche/ oder viel-
mehr Heſſiſche Dienſt anzunehmen/ maſſen er zu ſol-
chem End ſeinen Vorꝛath/ was er zu Coͤln gehabt/
hieher holen wollen/ das ſich aber geſteckt/ und er da-
ruͤber gantz ſchelmiſcher Weis in Franckreich pra-
ctici
rt worden/ meine Schweſter/ die ihn noch kaum
vier Wochen gehabt/ und ſonſt noch wol ein halb
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[517/0523] Fuͤnfftes Buch. und an ihn meinen Schwager geſchrieben; derſelbe nun wolte mich ſelbſt herbergen/ damit er von mir als einem Botten erfahren koͤnte/ was Stands Simpli- cius ſeye/ und wie ich mich verhielte? zu dem Ende diſcurirte meine Schwaͤgerin lang mit mir von mir ſelbſten/ und ich redete auch von mir/ was ich nur loͤblichs von mir wuſte/ dann die Urſchlechten hatten mich dergeſtalt verderbt und veraͤndert/ daß mich kein Menſch mehr kante/ auſſer der von Schoͤnſtein/ wel- cher aber als mein getreuſter Freund/ reinen Mund hielte. Als ich ihr nun nach der Laͤnge erzehlt/ daß Herꝛ Simplicius viel ſchoͤner Pferd und Diener haͤtte/ und in einem ſchwartzen ſammeten Mutzen auffzoͤge/ der uͤberall mit Gold verbremt waͤre/ ſagte ſie: Ja/ ich hab mir jederzeit eingebildet/ daß er keines ſo ſchlech- ten Herkommens ſey/ als er ſich darvor außgeben/ der hieſige Commandant hat meine Eltern ſeel. mit groſſen Verheiſſungen perſuadirt/ daß ſie ihm meine Schweſter ſeel. die wol ein from̃e Jungfer geweſen/ gantz vorthelhafftiger Weis auffgeſattelt/ davon ich niemalen ein gutes End habe hoffen koͤnnen/ nichts deſto weniger hat er ſich wol angelaſſen/ und reſol- virt/ in hieſiger Guarniſon Schwediſche/ oder viel- mehr Heſſiſche Dienſt anzunehmen/ maſſen er zu ſol- chem End ſeinen Vorꝛath/ was er zu Coͤln gehabt/ hieher holen wollen/ das ſich aber geſteckt/ und er da- ruͤber gantz ſchelmiſcher Weis in Franckreich pra- cticirt worden/ meine Schweſter/ die ihn noch kaum vier Wochen gehabt/ und ſonſt noch wol ein halb Dutzet Burgers-Toͤchter/ ſchwanger hinderlaſſend; wie dann eine nach der andern (und zwar meine Schwe-

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/523>, abgerufen am 05.05.2024.