Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

weibliche Bildnisse, Frau Conrectorin, und zwar von allen Arten -- Töchter und Frauen, Wittwen und Großmütter -- auf feine und unfeine, auf alle erdenkliche Art hat man sich angetragen!

Ihnen? rief die Conrectorin und rückte ihre Hornbrille, indem sie den Vetter im flohfarbigen Sommerpaletot mit etwas ungläubigem Blicke musterte.

Ja wohl, meiner Wenigkeit, wenn Sie gütigst erlauben, sagte der Vetter mit einem Anlauf von Stolz. O, glauben Sie nicht, Frau Conrectorin, daß man ohne allen Eindruck auf das schöne Geschlecht gewesen sei. Man hat seiner Zeit seinen Walzer getanzt, man hat seinen Vers gemacht, man hat seine Arie gesungen, man hat auch sein Pfänderspiel gespielt -- --

Natürlich, und Sie können nichts dafür, wenn Sie unzähligen Schönen das Herz gebrochen haben; aber warum in aller Welt sind Sie denn nicht angekommen, Vetterchen?

Warum? -- der Vetter schwieg eine Weile und schnellte mit seinem gelbseidenen Tuch den Staub von seinen Zeugstiefeln.

Sehen Sie, Frau Conrectorin, die Weiber verstehen uns nicht.

Ja, um des Himmels willen, was verlangen Sie denn eigentlich, Vetterchen?

Ein tiefer Seufzer entrang sich der Brust des "Idealisten" mit der weißen Weste, während sein verwittertes Gesicht einen Ausdruck von Verklärung und Salbung

weibliche Bildnisse, Frau Conrectorin, und zwar von allen Arten — Töchter und Frauen, Wittwen und Großmütter — auf feine und unfeine, auf alle erdenkliche Art hat man sich angetragen!

Ihnen? rief die Conrectorin und rückte ihre Hornbrille, indem sie den Vetter im flohfarbigen Sommerpaletot mit etwas ungläubigem Blicke musterte.

Ja wohl, meiner Wenigkeit, wenn Sie gütigst erlauben, sagte der Vetter mit einem Anlauf von Stolz. O, glauben Sie nicht, Frau Conrectorin, daß man ohne allen Eindruck auf das schöne Geschlecht gewesen sei. Man hat seiner Zeit seinen Walzer getanzt, man hat seinen Vers gemacht, man hat seine Arie gesungen, man hat auch sein Pfänderspiel gespielt — —

Natürlich, und Sie können nichts dafür, wenn Sie unzähligen Schönen das Herz gebrochen haben; aber warum in aller Welt sind Sie denn nicht angekommen, Vetterchen?

Warum? — der Vetter schwieg eine Weile und schnellte mit seinem gelbseidenen Tuch den Staub von seinen Zeugstiefeln.

Sehen Sie, Frau Conrectorin, die Weiber verstehen uns nicht.

Ja, um des Himmels willen, was verlangen Sie denn eigentlich, Vetterchen?

Ein tiefer Seufzer entrang sich der Brust des „Idealisten“ mit der weißen Weste, während sein verwittertes Gesicht einen Ausdruck von Verklärung und Salbung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="1">
        <p><pb facs="#f0011"/>
weibliche Bildnisse, Frau Conrectorin, und zwar von allen Arten &#x2014; Töchter                und Frauen, Wittwen und Großmütter &#x2014; auf feine und unfeine, auf alle erdenkliche Art                hat man sich angetragen!</p><lb/>
        <p>Ihnen? rief die Conrectorin und rückte ihre Hornbrille, indem sie den Vetter im                flohfarbigen Sommerpaletot mit etwas ungläubigem Blicke musterte.</p><lb/>
        <p>Ja wohl, meiner Wenigkeit, wenn Sie gütigst erlauben, sagte der Vetter mit einem                Anlauf von Stolz. O, glauben Sie nicht, Frau Conrectorin, daß man ohne allen Eindruck                auf das schöne Geschlecht gewesen sei. Man hat seiner Zeit seinen Walzer getanzt, man                hat seinen Vers gemacht, man hat seine Arie gesungen, man hat auch sein Pfänderspiel                gespielt &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Natürlich, und Sie können nichts dafür, wenn Sie unzähligen Schönen das Herz                gebrochen haben; aber warum in aller Welt sind Sie denn nicht angekommen,                Vetterchen?</p><lb/>
        <p>Warum? &#x2014; der Vetter schwieg eine Weile und schnellte mit seinem gelbseidenen Tuch den                Staub von <choice><sic>einen</sic><corr>seinen</corr></choice> Zeugstiefeln.</p><lb/>
        <p>Sehen Sie, Frau Conrectorin, die Weiber verstehen uns nicht.</p><lb/>
        <p>Ja, um des Himmels willen, was verlangen Sie denn eigentlich, Vetterchen?</p><lb/>
        <p>Ein tiefer Seufzer entrang sich der Brust des &#x201E;Idealisten&#x201C; mit der weißen Weste,                während sein verwittertes Gesicht einen Ausdruck von Verklärung und Salbung<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0011] weibliche Bildnisse, Frau Conrectorin, und zwar von allen Arten — Töchter und Frauen, Wittwen und Großmütter — auf feine und unfeine, auf alle erdenkliche Art hat man sich angetragen! Ihnen? rief die Conrectorin und rückte ihre Hornbrille, indem sie den Vetter im flohfarbigen Sommerpaletot mit etwas ungläubigem Blicke musterte. Ja wohl, meiner Wenigkeit, wenn Sie gütigst erlauben, sagte der Vetter mit einem Anlauf von Stolz. O, glauben Sie nicht, Frau Conrectorin, daß man ohne allen Eindruck auf das schöne Geschlecht gewesen sei. Man hat seiner Zeit seinen Walzer getanzt, man hat seinen Vers gemacht, man hat seine Arie gesungen, man hat auch sein Pfänderspiel gespielt — — Natürlich, und Sie können nichts dafür, wenn Sie unzähligen Schönen das Herz gebrochen haben; aber warum in aller Welt sind Sie denn nicht angekommen, Vetterchen? Warum? — der Vetter schwieg eine Weile und schnellte mit seinem gelbseidenen Tuch den Staub von seinen Zeugstiefeln. Sehen Sie, Frau Conrectorin, die Weiber verstehen uns nicht. Ja, um des Himmels willen, was verlangen Sie denn eigentlich, Vetterchen? Ein tiefer Seufzer entrang sich der Brust des „Idealisten“ mit der weißen Weste, während sein verwittertes Gesicht einen Ausdruck von Verklärung und Salbung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:31:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:31:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/11
Zitationshilfe: Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/11>, abgerufen am 29.03.2024.