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Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Augen, als er um das sechzehnjährige Kind anhält. Der General wollte den kecken Gesellen gleich aus dem Hause werfen, er hätte die Julia auch keinem Anderen gegeben, denn er war ganz vernarrt in das Kind. Nur die Mutter ließ sich blenden und machte die Derbheit des Alten durch Artigkeit wieder gut. Man suchte Ausflüchte, um Zeit zu gewinnen und Erkundigungen einzuziehen. Sie sehen, Vetter, es ging alles mit rechten Dingen zu. Und übrigens war das Resultat der Erkundigungen im Ganzen kein schlechtes. Man erfuhr zwar allerlei, aber nichts eigentlich Schlimmes. Der junge Mann war Compagnon eines Zuckerfabrikanten und hatte außerdem eine neue große Parfümerie- und Seidenfabrik angelegt. Man konnte es schon von weitem riechen.

Schon von weitem -- nein, es ist zu arg, Frau Conrectorin! und der Idealist mit der weißen Weste sprang auf. Sie stellen mein ästhetisches Gewissen auf eine harte Probe.

Du meine Güte, Vetterchen, jede Blume hat ihren Duft, und seine eaux de lis und eaux de mille fleurs hatten mehr als einen Preis davongetragen. Ich weiß nicht, was Sie mit Ihrer Zimperlichkeit wollen, ich habe ja nicht von grüner Seife gesprochen. Also gut -- das war noch die Lichtseite, im Uebrigen erfuhr man nicht viel Gutes. Der junge Herr Aloys Heister, so war sein Name, war ein Lebemann, er fuhr und ritt fleißig spazieren, auf dem Eise und in der Manege, auf dem Tanzplatz und beim Billard war er der Erste, er hatte

Augen, als er um das sechzehnjährige Kind anhält. Der General wollte den kecken Gesellen gleich aus dem Hause werfen, er hätte die Julia auch keinem Anderen gegeben, denn er war ganz vernarrt in das Kind. Nur die Mutter ließ sich blenden und machte die Derbheit des Alten durch Artigkeit wieder gut. Man suchte Ausflüchte, um Zeit zu gewinnen und Erkundigungen einzuziehen. Sie sehen, Vetter, es ging alles mit rechten Dingen zu. Und übrigens war das Resultat der Erkundigungen im Ganzen kein schlechtes. Man erfuhr zwar allerlei, aber nichts eigentlich Schlimmes. Der junge Mann war Compagnon eines Zuckerfabrikanten und hatte außerdem eine neue große Parfümerie- und Seidenfabrik angelegt. Man konnte es schon von weitem riechen.

Schon von weitem — nein, es ist zu arg, Frau Conrectorin! und der Idealist mit der weißen Weste sprang auf. Sie stellen mein ästhetisches Gewissen auf eine harte Probe.

Du meine Güte, Vetterchen, jede Blume hat ihren Duft, und seine eaux de lis und eaux de mille fleurs hatten mehr als einen Preis davongetragen. Ich weiß nicht, was Sie mit Ihrer Zimperlichkeit wollen, ich habe ja nicht von grüner Seife gesprochen. Also gut — das war noch die Lichtseite, im Uebrigen erfuhr man nicht viel Gutes. Der junge Herr Aloys Heister, so war sein Name, war ein Lebemann, er fuhr und ritt fleißig spazieren, auf dem Eise und in der Manège, auf dem Tanzplatz und beim Billard war er der Erste, er hatte

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:31:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:31:15Z)

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Zitationshilfe: Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/23>, abgerufen am 19.04.2024.