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Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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seine Loge im Theater und seinen Livreebedienten und Jockey, kurz, es war ein Lion, wie er im Buche steht. Sonst konnte man nichts erfahren, was seinem Charakter oder seiner bürgerlichen Ehre geschadet hätte, aber das war schon genug. Die Mutter zwar war von dem schönen jungen Mann und seinen Vorzügen geblendet, aber der alte General schnob Feuer und Flammen über den Gecken, Windbeutel und Schwindler, denn anders nannte er den Freier nicht. Kurz, es gab heftige Auftritte im Hause, bis Julia rundweg erklärte: Den oder Keinen!

Aber das Alles sind ja langweilige Dinge, Frau Conrectorin, sagte Vetter Isidor.

Aha, Sie warten auf die Strickleiter und auf Mord und Todtschlag; nur Geduld, Vetterchen. Es kommt noch anders. Meine kleine Lulu also setzt es durch, daß sie mit ihrem liebsten Romeo verlobt wird. Aber nun ging der Spectakel erst recht los. Alle Stadtfraubasen und Philister in der Stadt, das heißt, die soliden Leute, schrieen Zeter und Mordio, daß daraus nichts Gutes kommen werde, und daß es schlimm ausgehen müsse. -- Anonyme Briefe kamen, daß der junge Herr bereits anderweitig engagirt sei und nur das Vermögen Juliens erobern wolle; Warnungen kamen, daß er ein Lufticus sei und von seinem Fache eigentlich gar nichts verstehe, daß sein eigener Vater sich von ihm losgesagt habe, weil er schon Unsummen am grünen Tische durchgebracht habe und tief in Schulden stecke -- kurz, die ganze Litanei des Neides, der Bosheit, der Ver-

seine Loge im Theater und seinen Livreebedienten und Jockey, kurz, es war ein Lion, wie er im Buche steht. Sonst konnte man nichts erfahren, was seinem Charakter oder seiner bürgerlichen Ehre geschadet hätte, aber das war schon genug. Die Mutter zwar war von dem schönen jungen Mann und seinen Vorzügen geblendet, aber der alte General schnob Feuer und Flammen über den Gecken, Windbeutel und Schwindler, denn anders nannte er den Freier nicht. Kurz, es gab heftige Auftritte im Hause, bis Julia rundweg erklärte: Den oder Keinen!

Aber das Alles sind ja langweilige Dinge, Frau Conrectorin, sagte Vetter Isidor.

Aha, Sie warten auf die Strickleiter und auf Mord und Todtschlag; nur Geduld, Vetterchen. Es kommt noch anders. Meine kleine Lulu also setzt es durch, daß sie mit ihrem liebsten Romeo verlobt wird. Aber nun ging der Spectakel erst recht los. Alle Stadtfraubasen und Philister in der Stadt, das heißt, die soliden Leute, schrieen Zeter und Mordio, daß daraus nichts Gutes kommen werde, und daß es schlimm ausgehen müsse. — Anonyme Briefe kamen, daß der junge Herr bereits anderweitig engagirt sei und nur das Vermögen Juliens erobern wolle; Warnungen kamen, daß er ein Lufticus sei und von seinem Fache eigentlich gar nichts verstehe, daß sein eigener Vater sich von ihm losgesagt habe, weil er schon Unsummen am grünen Tische durchgebracht habe und tief in Schulden stecke — kurz, die ganze Litanei des Neides, der Bosheit, der Ver-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:31:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:31:15Z)

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Zitationshilfe: Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/24>, abgerufen am 19.04.2024.