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Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Julia bekam das Neueste und Eleganteste, was in den Pariser Modemagazinen aufzutreiben war. Ihr Gemahl trug sie auf den Händen, denn der leiseste Wunsch war ihm Befehl, und daß die junge Frau von allen Seiten um ihr Glück beneidet wurde, war nur natürlich. Im Sommer nahm man Landaufenthalt in einem besuchten, vornehmen Bade, den Winter füllten Zerstreuungen aller Art, Concerte, Bälle, Gesellschaften und Maskeraden; zu ihrem Salon drängte sich Alles, was sich zur guten Gesellschaft zählte -- sehr natürlich, wo Honig ist, fliegen die Wespen zu, und sie hielten offenes Haus und lebten auf großem Fuß.

Aha, nun kommt der bekannte Hausfreund --

Nein, der kommt nicht, mein kluger Herr Vetter, den überlassen wir lieber den Romanschreibern. Freunde allerdings hatte Aloys von allen Arten und in allen Ständen, denn er hatte es doch verstanden, sich sehr beliebt zu machen. Seinen Leuten bescherte er prächtig und überreich zu Weihnachten, seinen Freunden gab er feine Diners und gemüthliche Feste, ja selbst seine Feinde mußten zugeben, daß er ein ganz besonderes Genie besitze, Landpartieen und Wasserfahrten zu arrangiren, Familienbälle und Maskeraden zu veranstalten. Seine Frau wie seine Schwiegermutter, natürlich auch seine Verwandten und Freunde, erfreute er bei jeder erdenklichen Gelegenheit mit den kostbarsten Geschenken. Zuletzt begann er auch die Künstler zu protegiren und legte eine große, kostspielige Gemäldesammlung an. Daß er Pferde,

Julia bekam das Neueste und Eleganteste, was in den Pariser Modemagazinen aufzutreiben war. Ihr Gemahl trug sie auf den Händen, denn der leiseste Wunsch war ihm Befehl, und daß die junge Frau von allen Seiten um ihr Glück beneidet wurde, war nur natürlich. Im Sommer nahm man Landaufenthalt in einem besuchten, vornehmen Bade, den Winter füllten Zerstreuungen aller Art, Concerte, Bälle, Gesellschaften und Maskeraden; zu ihrem Salon drängte sich Alles, was sich zur guten Gesellschaft zählte — sehr natürlich, wo Honig ist, fliegen die Wespen zu, und sie hielten offenes Haus und lebten auf großem Fuß.

Aha, nun kommt der bekannte Hausfreund —

Nein, der kommt nicht, mein kluger Herr Vetter, den überlassen wir lieber den Romanschreibern. Freunde allerdings hatte Aloys von allen Arten und in allen Ständen, denn er hatte es doch verstanden, sich sehr beliebt zu machen. Seinen Leuten bescherte er prächtig und überreich zu Weihnachten, seinen Freunden gab er feine Diners und gemüthliche Feste, ja selbst seine Feinde mußten zugeben, daß er ein ganz besonderes Genie besitze, Landpartieen und Wasserfahrten zu arrangiren, Familienbälle und Maskeraden zu veranstalten. Seine Frau wie seine Schwiegermutter, natürlich auch seine Verwandten und Freunde, erfreute er bei jeder erdenklichen Gelegenheit mit den kostbarsten Geschenken. Zuletzt begann er auch die Künstler zu protegiren und legte eine große, kostspielige Gemäldesammlung an. Daß er Pferde,

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[0029] Julia bekam das Neueste und Eleganteste, was in den Pariser Modemagazinen aufzutreiben war. Ihr Gemahl trug sie auf den Händen, denn der leiseste Wunsch war ihm Befehl, und daß die junge Frau von allen Seiten um ihr Glück beneidet wurde, war nur natürlich. Im Sommer nahm man Landaufenthalt in einem besuchten, vornehmen Bade, den Winter füllten Zerstreuungen aller Art, Concerte, Bälle, Gesellschaften und Maskeraden; zu ihrem Salon drängte sich Alles, was sich zur guten Gesellschaft zählte — sehr natürlich, wo Honig ist, fliegen die Wespen zu, und sie hielten offenes Haus und lebten auf großem Fuß. Aha, nun kommt der bekannte Hausfreund — Nein, der kommt nicht, mein kluger Herr Vetter, den überlassen wir lieber den Romanschreibern. Freunde allerdings hatte Aloys von allen Arten und in allen Ständen, denn er hatte es doch verstanden, sich sehr beliebt zu machen. Seinen Leuten bescherte er prächtig und überreich zu Weihnachten, seinen Freunden gab er feine Diners und gemüthliche Feste, ja selbst seine Feinde mußten zugeben, daß er ein ganz besonderes Genie besitze, Landpartieen und Wasserfahrten zu arrangiren, Familienbälle und Maskeraden zu veranstalten. Seine Frau wie seine Schwiegermutter, natürlich auch seine Verwandten und Freunde, erfreute er bei jeder erdenklichen Gelegenheit mit den kostbarsten Geschenken. Zuletzt begann er auch die Künstler zu protegiren und legte eine große, kostspielige Gemäldesammlung an. Daß er Pferde,

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:31:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/29>, abgerufen am 23.04.2024.