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Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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ihre Schürze glatt und rückte ihre Hornbrille zurecht, als wenn sie dann deutlicher sehen könnte, was sie hörte.

Frau Conrectorin sind wohl sehr neugierig, sagte der Vetter mit neckendem Zögern.

Mein Gott, machen Sie sich nur nicht so kostbar, rief die Frau zwischen Lachen und Unwillen. Wenn Sie nicht beichten wollen, so behalten Sie lieber Alles für sich, ich bin gar nicht begierig darauf. Es wird auch was Rares sein, was Sie zu erzählen haben.

Seit wann kennen Sie denn die junge Frau? fragte sie dann mit verändertem Ton.

Seit einigen Wochen bereits, ja ich kann sagen, seit zwei Monaten schon genoß ich das unaussprechliche Glück, zuweilen mit diesem seltnen Wesen zu verkehren, ohne jedoch sie zu kennen, und deßhalb sahen Sie mich vor vierzehn Tagen so erstaunt, sie plötzlich hier zu sehen.

Damals kannten Sie sie schon -- und spielten also den Duckmäuser? O Sie schlaues, heimtückisches, durchtriebenes Vetterchen!

Die Sache war so, fuhr Isidor fort. -- Sie wissen, Frau Conrectorin, ich bin gewöhnt, jeden Nachmittag meinen Kaffee in Achatsried zu trinken und dann auch wohl ein Bad zu nehmen. Die Regelmäßigkeit geht mir über Alles, und deshalb bin ich auch Gottlob immer gesund geblieben und habe die Skropheln endlich aus dem Felde geschlagen -- dieses Erbübel unsrer Familie. Doch wo blieb ich doch stehen? Ganz recht, in Achatsried -- Sie kennen doch den lieblichen Ort, Frau

ihre Schürze glatt und rückte ihre Hornbrille zurecht, als wenn sie dann deutlicher sehen könnte, was sie hörte.

Frau Conrectorin sind wohl sehr neugierig, sagte der Vetter mit neckendem Zögern.

Mein Gott, machen Sie sich nur nicht so kostbar, rief die Frau zwischen Lachen und Unwillen. Wenn Sie nicht beichten wollen, so behalten Sie lieber Alles für sich, ich bin gar nicht begierig darauf. Es wird auch was Rares sein, was Sie zu erzählen haben.

Seit wann kennen Sie denn die junge Frau? fragte sie dann mit verändertem Ton.

Seit einigen Wochen bereits, ja ich kann sagen, seit zwei Monaten schon genoß ich das unaussprechliche Glück, zuweilen mit diesem seltnen Wesen zu verkehren, ohne jedoch sie zu kennen, und deßhalb sahen Sie mich vor vierzehn Tagen so erstaunt, sie plötzlich hier zu sehen.

Damals kannten Sie sie schon — und spielten also den Duckmäuser? O Sie schlaues, heimtückisches, durchtriebenes Vetterchen!

Die Sache war so, fuhr Isidor fort. — Sie wissen, Frau Conrectorin, ich bin gewöhnt, jeden Nachmittag meinen Kaffee in Achatsried zu trinken und dann auch wohl ein Bad zu nehmen. Die Regelmäßigkeit geht mir über Alles, und deshalb bin ich auch Gottlob immer gesund geblieben und habe die Skropheln endlich aus dem Felde geschlagen — dieses Erbübel unsrer Familie. Doch wo blieb ich doch stehen? Ganz recht, in Achatsried — Sie kennen doch den lieblichen Ort, Frau

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:31:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:31:15Z)

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Zitationshilfe: Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/50>, abgerufen am 23.04.2024.