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Gumppenberg, Hanns von: Deutsche Lyrik von gestern. München, 1891 (= Münchener Flugschriften, Bd. 3).

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Deutsche Lyrik von gestern.
Parodien von Hanns von Gumppenberg.


"Man soll auch den anderen Teil hören!" mahnt ein altehrwürdiges lateinisches Sprüchwort. Jn gläubigem Hinblick auf diesen aus der Antike warnend herübergeschwungenen Zeigefinger können wir es -- bei unserer alten Liebe zum Altertum -- natürlich nicht unterlassen, den verehrten Anwesenden auch die deutsche Lyrik von Gestern charakteristisch vorzuführen. Da freilich einerseits, wie bekannt, die geistige Genußfähigkeit der modernen Welt kein allzu großes Quantum auf einmal verträgt, andererseits diese Lyrik von Gestern, wie nicht minder bekannt, eine solche Ueberfülle von Abwechslung und Geistesfrische aufweist, daß eine umfassende Darstellung derselben geradezu erschöpfend wirken müßte, so beschränken wir uns bescheiden auf eine kleine Reihe von Beispielen. Wir beginnen mit einem Gedichte unseres mildhinschmelzenden Emanuel Geibel, welcher sich unmittelbar der Lyrik von Vorgestern, das heißt unserer klassischen Lyrik anschließt. Das Gedicht ist betitelt:

Der Frühlingsabend.
Du weicher Frühlingsabend,
Wie hab' ich dich so gern!
Nur hier eine warme Wolke,
Und dort ein weicher Stern.
Wie warmer Himmelsodem
Wehet so weich die Luft:
Es steigt aus weichen Thalen
Ein warmer Veilchenduft.
Deutsche Lyrik von gestern.
Parodien von Hanns von Gumppenberg.


„Man soll auch den anderen Teil hören!“ mahnt ein altehrwürdiges lateinisches Sprüchwort. Jn gläubigem Hinblick auf diesen aus der Antike warnend herübergeschwungenen Zeigefinger können wir es — bei unserer alten Liebe zum Altertum — natürlich nicht unterlassen, den verehrten Anwesenden auch die deutsche Lyrik von Gestern charakteristisch vorzuführen. Da freilich einerseits, wie bekannt, die geistige Genußfähigkeit der modernen Welt kein allzu großes Quantum auf einmal verträgt, andererseits diese Lyrik von Gestern, wie nicht minder bekannt, eine solche Ueberfülle von Abwechslung und Geistesfrische aufweist, daß eine umfassende Darstellung derselben geradezu erschöpfend wirken müßte, so beschränken wir uns bescheiden auf eine kleine Reihe von Beispielen. Wir beginnen mit einem Gedichte unseres mildhinschmelzenden Emanuel Geibel, welcher sich unmittelbar der Lyrik von Vorgestern, das heißt unserer klassischen Lyrik anschließt. Das Gedicht ist betitelt:

Der Frühlingsabend.
Du weicher Frühlingsabend,
Wie hab' ich dich so gern!
Nur hier eine warme Wolke,
Und dort ein weicher Stern.
Wie warmer Himmelsodem
Wehet so weich die Luft:
Es steigt aus weichen Thalen
Ein warmer Veilchenduft.
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[[4]/0004] Deutsche Lyrik von gestern. Parodien von Hanns von Gumppenberg. „Man soll auch den anderen Teil hören!“ mahnt ein altehrwürdiges lateinisches Sprüchwort. Jn gläubigem Hinblick auf diesen aus der Antike warnend herübergeschwungenen Zeigefinger können wir es — bei unserer alten Liebe zum Altertum — natürlich nicht unterlassen, den verehrten Anwesenden auch die deutsche Lyrik von Gestern charakteristisch vorzuführen. Da freilich einerseits, wie bekannt, die geistige Genußfähigkeit der modernen Welt kein allzu großes Quantum auf einmal verträgt, andererseits diese Lyrik von Gestern, wie nicht minder bekannt, eine solche Ueberfülle von Abwechslung und Geistesfrische aufweist, daß eine umfassende Darstellung derselben geradezu erschöpfend wirken müßte, so beschränken wir uns bescheiden auf eine kleine Reihe von Beispielen. Wir beginnen mit einem Gedichte unseres mildhinschmelzenden Emanuel Geibel, welcher sich unmittelbar der Lyrik von Vorgestern, das heißt unserer klassischen Lyrik anschließt. Das Gedicht ist betitelt: Der Frühlingsabend. Du weicher Frühlingsabend, Wie hab' ich dich so gern! Nur hier eine warme Wolke, Und dort ein weicher Stern. Wie warmer Himmelsodem Wehet so weich die Luft: Es steigt aus weichen Thalen Ein warmer Veilchenduft.

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Zitationshilfe: Gumppenberg, Hanns von: Deutsche Lyrik von gestern. München, 1891 (= Münchener Flugschriften, Bd. 3), S. [4]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gumppenberg_lyrik_1891/4>, abgerufen am 19.04.2024.