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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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status circa aerarium, tributa & vectigalia.
man eine specification von solchen Dingen haben will, so kan man lesen
des Law seine Policey- und Cammer-Sachen, da hat er fünff und
zwantzig Sachen angeführet. Er sagt, einige wären difficil, aber da-
durch darff man sich nicht gleich abschrecken lassen, sondern nachdencken,
ob nicht die difficultäten können gehoben werden. Er rechnet auch da-
hin, daß man keine Erbschafft sollte abfolgen lassen, wodurch freylich
grosser Schade dem Lande geschiehet, wenn man sie abfolgen läßt. Man
bedencke nur: Wenn ein Fremder ein hiesiges Mädgen aus unserm Lan-
de nimmt, die funffzig tausend Thaler im Vermögen hat, ob dieses nicht
was ausmachet. Was gantze Reiche sind, da kan man setzen, daß kei-
ne Erbschafft sollte abgefolget werden. Daher findet man auch in
Franckreich, Spanien und Engeland, daß kein Mensch ohne consens des
Herrn kan einen Fremden heyrathen. Bey uns Teutschen aber gehet
solches nicht an. Wir haben so viel kleine Republiquen, und entstehen
viele difficultäten, wenn man es will einführen. Aber das kan man
thun, daß man in denen Städten, welche sonst freyzügig seyn, solches
etwas einschränckt. Daher haben es sich viele Reichs-Städte von
dem Kayser geben lassen, daß sie können censum emigrationis, eine Nach-
Steuer fordern. In manchen Reichs-Städten muß man zehn pro
cent,
in manchen zwantzig pro cent geben. Ehe also einer von hundert
tausend Thalern zehen tausend Thaler giebt, bleibt er lieber im Lande;
aber daß man gar nichts wollte passiren lassen, gehet nicht an.

§. 4. Da man nun auf die conservation desjenigen, was manMittel zur
Vermehrung
des aerarii.

hat, dencken muß, so kan man auch darauf dencken, wie man sein Ver-
mögen könne vermehren. Ex consequenti, wenn das Vermögen derer
Unterthanen vermehret wird, so wird auch des Herrn seines vermehret.
Der Herr kan allezeit das kriegen, was die Unterthanen wissen können.
Wenn gleich die Leute murren, so kan man ihnen doch dasselben bald ver-
treiben, ohne eine force zu gebrauchen. Die Haupt-Vermehrung be-
stehet in der Menge des Volcks. Spanien hat eine Etendüe, welche
Franckreich, wenn man es in seinen alten Grentzen betrachtet, nicht
viel wird nachgeben. Aber, wenn man ein jedes in se consideriret, so
wollte ich doch lieber Franckreich haben, als Spanien, obgleich Spa-
nien ein unvergleichliches Land, welches mehr commodite hat. In
Franckreich sind in einer Stadt mehr Leute, als in Spanien in sechs
Städten. Wo keine Leute sind, da ist kein Geld, keine Verzehrung,
kein Handel und Wandel. Daher muß man auf die peuplirung des
Landes sehen, darzu gehöret eine grosse Kunst, die Leute anzulocken.
Es ist nicht allemahl möglich, occasio muß in acht genommen werden,

post
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ſtatus circa ærarium, tributa & vectigalia.
man eine ſpecification von ſolchen Dingen haben will, ſo kan man leſen
des Law ſeine Policey- und Cammer-Sachen, da hat er fuͤnff und
zwantzig Sachen angefuͤhret. Er ſagt, einige waͤren difficil, aber da-
durch darff man ſich nicht gleich abſchrecken laſſen, ſondern nachdencken,
ob nicht die difficultaͤten koͤnnen gehoben werden. Er rechnet auch da-
hin, daß man keine Erbſchafft ſollte abfolgen laſſen, wodurch freylich
groſſer Schade dem Lande geſchiehet, wenn man ſie abfolgen laͤßt. Man
bedencke nur: Wenn ein Fremder ein hieſiges Maͤdgen aus unſerm Lan-
de nimmt, die funffzig tauſend Thaler im Vermoͤgen hat, ob dieſes nicht
was ausmachet. Was gantze Reiche ſind, da kan man ſetzen, daß kei-
ne Erbſchafft ſollte abgefolget werden. Daher findet man auch in
Franckreich, Spanien und Engeland, daß kein Menſch ohne conſens des
Herrn kan einen Fremden heyrathen. Bey uns Teutſchen aber gehet
ſolches nicht an. Wir haben ſo viel kleine Republiquen, und entſtehen
viele difficultaͤten, wenn man es will einfuͤhren. Aber das kan man
thun, daß man in denen Staͤdten, welche ſonſt freyzuͤgig ſeyn, ſolches
etwas einſchraͤnckt. Daher haben es ſich viele Reichs-Staͤdte von
dem Kayſer geben laſſen, daß ſie koͤnnen cenſum emigrationis, eine Nach-
Steuer fordern. In manchen Reichs-Staͤdten muß man zehn pro
cent,
in manchen zwantzig pro cent geben. Ehe alſo einer von hundert
tauſend Thalern zehen tauſend Thaler giebt, bleibt er lieber im Lande;
aber daß man gar nichts wollte paſſiren laſſen, gehet nicht an.

§. 4. Da man nun auf die conſervation desjenigen, was manMittel zur
Vermehrung
des ærarii.

hat, dencken muß, ſo kan man auch darauf dencken, wie man ſein Ver-
moͤgen koͤnne vermehren. Ex conſequenti, wenn das Vermoͤgen derer
Unterthanen vermehret wird, ſo wird auch des Herrn ſeines vermehret.
Der Herr kan allezeit das kriegen, was die Unterthanen wiſſen koͤnnen.
Wenn gleich die Leute murren, ſo kan man ihnen doch daſſelben bald ver-
treiben, ohne eine force zu gebrauchen. Die Haupt-Vermehrung be-
ſtehet in der Menge des Volcks. Spanien hat eine Etendüe, welche
Franckreich, wenn man es in ſeinen alten Grentzen betrachtet, nicht
viel wird nachgeben. Aber, wenn man ein jedes in ſe conſideriret, ſo
wollte ich doch lieber Franckreich haben, als Spanien, obgleich Spa-
nien ein unvergleichliches Land, welches mehr commodité hat. In
Franckreich ſind in einer Stadt mehr Leute, als in Spanien in ſechs
Staͤdten. Wo keine Leute ſind, da iſt kein Geld, keine Verzehrung,
kein Handel und Wandel. Daher muß man auf die peuplirung des
Landes ſehen, darzu gehoͤret eine groſſe Kunſt, die Leute anzulocken.
Es iſt nicht allemahl moͤglich, occaſio muß in acht genommen werden,

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L l 3
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[269/0289] ſtatus circa ærarium, tributa & vectigalia. man eine ſpecification von ſolchen Dingen haben will, ſo kan man leſen des Law ſeine Policey- und Cammer-Sachen, da hat er fuͤnff und zwantzig Sachen angefuͤhret. Er ſagt, einige waͤren difficil, aber da- durch darff man ſich nicht gleich abſchrecken laſſen, ſondern nachdencken, ob nicht die difficultaͤten koͤnnen gehoben werden. Er rechnet auch da- hin, daß man keine Erbſchafft ſollte abfolgen laſſen, wodurch freylich groſſer Schade dem Lande geſchiehet, wenn man ſie abfolgen laͤßt. Man bedencke nur: Wenn ein Fremder ein hieſiges Maͤdgen aus unſerm Lan- de nimmt, die funffzig tauſend Thaler im Vermoͤgen hat, ob dieſes nicht was ausmachet. Was gantze Reiche ſind, da kan man ſetzen, daß kei- ne Erbſchafft ſollte abgefolget werden. Daher findet man auch in Franckreich, Spanien und Engeland, daß kein Menſch ohne conſens des Herrn kan einen Fremden heyrathen. Bey uns Teutſchen aber gehet ſolches nicht an. Wir haben ſo viel kleine Republiquen, und entſtehen viele difficultaͤten, wenn man es will einfuͤhren. Aber das kan man thun, daß man in denen Staͤdten, welche ſonſt freyzuͤgig ſeyn, ſolches etwas einſchraͤnckt. Daher haben es ſich viele Reichs-Staͤdte von dem Kayſer geben laſſen, daß ſie koͤnnen cenſum emigrationis, eine Nach- Steuer fordern. In manchen Reichs-Staͤdten muß man zehn pro cent, in manchen zwantzig pro cent geben. Ehe alſo einer von hundert tauſend Thalern zehen tauſend Thaler giebt, bleibt er lieber im Lande; aber daß man gar nichts wollte paſſiren laſſen, gehet nicht an. §. 4. Da man nun auf die conſervation desjenigen, was man hat, dencken muß, ſo kan man auch darauf dencken, wie man ſein Ver- moͤgen koͤnne vermehren. Ex conſequenti, wenn das Vermoͤgen derer Unterthanen vermehret wird, ſo wird auch des Herrn ſeines vermehret. Der Herr kan allezeit das kriegen, was die Unterthanen wiſſen koͤnnen. Wenn gleich die Leute murren, ſo kan man ihnen doch daſſelben bald ver- treiben, ohne eine force zu gebrauchen. Die Haupt-Vermehrung be- ſtehet in der Menge des Volcks. Spanien hat eine Etendüe, welche Franckreich, wenn man es in ſeinen alten Grentzen betrachtet, nicht viel wird nachgeben. Aber, wenn man ein jedes in ſe conſideriret, ſo wollte ich doch lieber Franckreich haben, als Spanien, obgleich Spa- nien ein unvergleichliches Land, welches mehr commodité hat. In Franckreich ſind in einer Stadt mehr Leute, als in Spanien in ſechs Staͤdten. Wo keine Leute ſind, da iſt kein Geld, keine Verzehrung, kein Handel und Wandel. Daher muß man auf die peuplirung des Landes ſehen, darzu gehoͤret eine groſſe Kunſt, die Leute anzulocken. Es iſt nicht allemahl moͤglich, occaſio muß in acht genommen werden, poſt Mittel zur Vermehrung des ærarii. L l 3

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/289>, abgerufen am 25.04.2024.