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[Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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sich nur des Nachts beim Mondenschein auf den stillen Plätzen begegnet waren, weil sie ihren Schmerz nur den plätschernden Brunnen und dem leisen Nocturnus anvertrauen durften, sinken sich in die Arme, von jubelnden Scharen umringt. Väter heben ihre Kinder hoch über die Menge, und lehren sie, welchen Tag sie heut erlebt hätten.

Warum schleichst Du mir so leise nach? Was birgst Du dort in den Falten Deines Gewandes? Diese Bürgerkrone willst Du mir geben? Zerr' mich nicht auf die Rostra, Du ungestümes Weib! Diesen Ort hab' ich nie betreten wollen.

Wär' es nur dies, daß ich in der Versammlung ein kühnes Wort spräche, und zum Troste und Rathe redete, warum nicht? meine Zunge ist ein zweischneidig Schwert, und ich opfre der Freiheit gern. Aber Du willst mehr, willst mich auf einen Schild und die Schultern des Volkes, die mich tragen sollen, heben, willst mich mit einer Krone zieren und zu einem Manne des Volks machen. Dazu fehlt mir Alles.

Die Geschichte ist reich an Beispielen, da Männer Könige waren, ohne das Scepter zu führen, Archonten, ohne daß das Jahr nach ihnen benannt wurde, Consuln ohne Lictoren, die ihnen vorangingen. Ebenso saßen Fürsten auf den Thronen, die die Menge noch öfter in ihren Hütten sah,

sich nur des Nachts beim Mondenschein auf den stillen Plätzen begegnet waren, weil sie ihren Schmerz nur den plätschernden Brunnen und dem leisen Nocturnus anvertrauen durften, sinken sich in die Arme, von jubelnden Scharen umringt. Väter heben ihre Kinder hoch über die Menge, und lehren sie, welchen Tag sie heut erlebt hätten.

Warum schleichst Du mir so leise nach? Was birgst Du dort in den Falten Deines Gewandes? Diese Bürgerkrone willst Du mir geben? Zerr’ mich nicht auf die Rostra, Du ungestümes Weib! Diesen Ort hab’ ich nie betreten wollen.

Wär’ es nur dies, daß ich in der Versammlung ein kühnes Wort spräche, und zum Troste und Rathe redete, warum nicht? meine Zunge ist ein zweischneidig Schwert, und ich opfre der Freiheit gern. Aber Du willst mehr, willst mich auf einen Schild und die Schultern des Volkes, die mich tragen sollen, heben, willst mich mit einer Krone zieren und zu einem Manne des Volks machen. Dazu fehlt mir Alles.

Die Geschichte ist reich an Beispielen, da Männer Könige waren, ohne das Scepter zu führen, Archonten, ohne daß das Jahr nach ihnen benannt wurde, Consuln ohne Lictoren, die ihnen vorangingen. Ebenso saßen Fürsten auf den Thronen, die die Menge noch öfter in ihren Hütten sah,

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[258/0271] sich nur des Nachts beim Mondenschein auf den stillen Plätzen begegnet waren, weil sie ihren Schmerz nur den plätschernden Brunnen und dem leisen Nocturnus anvertrauen durften, sinken sich in die Arme, von jubelnden Scharen umringt. Väter heben ihre Kinder hoch über die Menge, und lehren sie, welchen Tag sie heut erlebt hätten. Warum schleichst Du mir so leise nach? Was birgst Du dort in den Falten Deines Gewandes? Diese Bürgerkrone willst Du mir geben? Zerr’ mich nicht auf die Rostra, Du ungestümes Weib! Diesen Ort hab’ ich nie betreten wollen. Wär’ es nur dies, daß ich in der Versammlung ein kühnes Wort spräche, und zum Troste und Rathe redete, warum nicht? meine Zunge ist ein zweischneidig Schwert, und ich opfre der Freiheit gern. Aber Du willst mehr, willst mich auf einen Schild und die Schultern des Volkes, die mich tragen sollen, heben, willst mich mit einer Krone zieren und zu einem Manne des Volks machen. Dazu fehlt mir Alles. Die Geschichte ist reich an Beispielen, da Männer Könige waren, ohne das Scepter zu führen, Archonten, ohne daß das Jahr nach ihnen benannt wurde, Consuln ohne Lictoren, die ihnen vorangingen. Ebenso saßen Fürsten auf den Thronen, die die Menge noch öfter in ihren Hütten sah,

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/271>, abgerufen am 25.04.2024.