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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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Thiere und Pflanzen.
die Eudipleuren-Form und andere Grundformen der höchsten, am
meisten differenzirten Stufen sehr versteckt sind. Dagegen sind bei
ihnen die niedriger stehenden Grundformen, besonders die vollkommen
regulären Formen, die bei den Protisten so vorwiegen, im Ganzen
selten. Die Grundform der regulären Pyramide, welche bei den
Pflanzen (besonders in den Sexual-Individuen) so sehr verbreitet ist,
erscheint bei den Thieren viel seltener, allgemeiner nur bei den soge-
nannten "Strahlthieren", den beiden Stämmen der Echinodermen und
Coelenteraten. Die letzteren sind zum grösseren Theil festsitzende
Thiere. Bei den frei beweglichen Thieren musste die Eudipleuren-
Form schon wegen des offenbaren Vortheils, den sie für die freie
Ortsbewegung bietet, im Kampfe um das Dasein den Vortheil über
die unpractischere "regulär-radiäre" Form, die Grundform der regu-
lären Pyramide, gewinnen.

VI. C. Physiologischer Character des Thierreiches.
Ca. Character der allgemeinen Lebenserscheinungen bei den
Thieren.

Die Ernährung der Thiere zeichnet sich vor derjenigen aller
Pflanzen und der meisten Protisten dadurch aus, dass die allermeisten
Thiere feste Nahrungsstoffe in besondere Höhlungen ihres Inneren
(Darm) aufnehmen, in welchen dieselben verflüssigt (verdaut) und dann
durch die Wandungen dieser Höhlen hindurch (mittelst Endosmose)
aufgesaugt werden. Doch fehlen solche Höhlungen manchen schma-
rotzenden Thieren (Cestoden, Acanthocephalen), welche gleich parasi-
tischen Pflanzen bereits zubereitete flüssige Nährstoffe durch ihre Ober-
fläche (Haut) imbibiren. Die Thiere nehmen allgemein Sauerstoff aus
der Atmosphäre auf und ausserdem neben gewissen einfacheren Ver-
bindungen (Wasser, Kochsalz und andere kohlenstofffreie Salze) auch
noch sämmtlich als eigentliche Nahrungsstoffe verwickeltere Kohlen-
stoff-Verbindungen (Albuminate, Fette etc.), welche sie theils unmittel-
bar aus den Pflanzen, theils aus den pflanzenfressenden Thieren be-
ziehen. Indem sie diese oxydiren, bilden sie Kohlensäure und andere
einfache Verbindungen. Daher athmen die Thiere sämmtlich Sauerstoff
ein, Kohlensäure aus. Bei den allermeisten Thieren wird der durch
die Verdauung gewonnene Ernährungssaft (Chylus, Blut) durch be-
sondere Systeme von communicirenden Röhren (Chylusgefässen, Blut-
gefässen) den verschiedenen Körpertheilen zugeleitet, und dessen Fort-
bewegung in denselben entweder durch contractile Wimpern oder durch
besondere contractile, rhythmisch pulsirende Behälter (Herzen) geregelt
und beschleunigt. Die Fortpflanzung geschieht bei den Thieren
allgemein auf geschlechtlichem Wege, und ausserdem bei den meisten
niederen Thieren zugleich auf ungeschlechtlichem Wege (durch Thei-

Thiere und Pflanzen.
die Eudipleuren-Form und andere Grundformen der höchsten, am
meisten differenzirten Stufen sehr versteckt sind. Dagegen sind bei
ihnen die niedriger stehenden Grundformen, besonders die vollkommen
regulären Formen, die bei den Protisten so vorwiegen, im Ganzen
selten. Die Grundform der regulären Pyramide, welche bei den
Pflanzen (besonders in den Sexual-Individuen) so sehr verbreitet ist,
erscheint bei den Thieren viel seltener, allgemeiner nur bei den soge-
nannten „Strahlthieren“, den beiden Stämmen der Echinodermen und
Coelenteraten. Die letzteren sind zum grösseren Theil festsitzende
Thiere. Bei den frei beweglichen Thieren musste die Eudipleuren-
Form schon wegen des offenbaren Vortheils, den sie für die freie
Ortsbewegung bietet, im Kampfe um das Dasein den Vortheil über
die unpractischere „regulär-radiäre“ Form, die Grundform der regu-
lären Pyramide, gewinnen.

VI. C. Physiologischer Character des Thierreiches.
Ca. Character der allgemeinen Lebenserscheinungen bei den
Thieren.

Die Ernährung der Thiere zeichnet sich vor derjenigen aller
Pflanzen und der meisten Protisten dadurch aus, dass die allermeisten
Thiere feste Nahrungsstoffe in besondere Höhlungen ihres Inneren
(Darm) aufnehmen, in welchen dieselben verflüssigt (verdaut) und dann
durch die Wandungen dieser Höhlen hindurch (mittelst Endosmose)
aufgesaugt werden. Doch fehlen solche Höhlungen manchen schma-
rotzenden Thieren (Cestoden, Acanthocephalen), welche gleich parasi-
tischen Pflanzen bereits zubereitete flüssige Nährstoffe durch ihre Ober-
fläche (Haut) imbibiren. Die Thiere nehmen allgemein Sauerstoff aus
der Atmosphäre auf und ausserdem neben gewissen einfacheren Ver-
bindungen (Wasser, Kochsalz und andere kohlenstofffreie Salze) auch
noch sämmtlich als eigentliche Nahrungsstoffe verwickeltere Kohlen-
stoff-Verbindungen (Albuminate, Fette etc.), welche sie theils unmittel-
bar aus den Pflanzen, theils aus den pflanzenfressenden Thieren be-
ziehen. Indem sie diese oxydiren, bilden sie Kohlensäure und andere
einfache Verbindungen. Daher athmen die Thiere sämmtlich Sauerstoff
ein, Kohlensäure aus. Bei den allermeisten Thieren wird der durch
die Verdauung gewonnene Ernährungssaft (Chylus, Blut) durch be-
sondere Systeme von communicirenden Röhren (Chylusgefässen, Blut-
gefässen) den verschiedenen Körpertheilen zugeleitet, und dessen Fort-
bewegung in denselben entweder durch contractile Wimpern oder durch
besondere contractile, rhythmisch pulsirende Behälter (Herzen) geregelt
und beschleunigt. Die Fortpflanzung geschieht bei den Thieren
allgemein auf geschlechtlichem Wege, und ausserdem bei den meisten
niederen Thieren zugleich auf ungeschlechtlichem Wege (durch Thei-

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[212/0251] Thiere und Pflanzen. die Eudipleuren-Form und andere Grundformen der höchsten, am meisten differenzirten Stufen sehr versteckt sind. Dagegen sind bei ihnen die niedriger stehenden Grundformen, besonders die vollkommen regulären Formen, die bei den Protisten so vorwiegen, im Ganzen selten. Die Grundform der regulären Pyramide, welche bei den Pflanzen (besonders in den Sexual-Individuen) so sehr verbreitet ist, erscheint bei den Thieren viel seltener, allgemeiner nur bei den soge- nannten „Strahlthieren“, den beiden Stämmen der Echinodermen und Coelenteraten. Die letzteren sind zum grösseren Theil festsitzende Thiere. Bei den frei beweglichen Thieren musste die Eudipleuren- Form schon wegen des offenbaren Vortheils, den sie für die freie Ortsbewegung bietet, im Kampfe um das Dasein den Vortheil über die unpractischere „regulär-radiäre“ Form, die Grundform der regu- lären Pyramide, gewinnen. VI. C. Physiologischer Character des Thierreiches. Ca. Character der allgemeinen Lebenserscheinungen bei den Thieren. Die Ernährung der Thiere zeichnet sich vor derjenigen aller Pflanzen und der meisten Protisten dadurch aus, dass die allermeisten Thiere feste Nahrungsstoffe in besondere Höhlungen ihres Inneren (Darm) aufnehmen, in welchen dieselben verflüssigt (verdaut) und dann durch die Wandungen dieser Höhlen hindurch (mittelst Endosmose) aufgesaugt werden. Doch fehlen solche Höhlungen manchen schma- rotzenden Thieren (Cestoden, Acanthocephalen), welche gleich parasi- tischen Pflanzen bereits zubereitete flüssige Nährstoffe durch ihre Ober- fläche (Haut) imbibiren. Die Thiere nehmen allgemein Sauerstoff aus der Atmosphäre auf und ausserdem neben gewissen einfacheren Ver- bindungen (Wasser, Kochsalz und andere kohlenstofffreie Salze) auch noch sämmtlich als eigentliche Nahrungsstoffe verwickeltere Kohlen- stoff-Verbindungen (Albuminate, Fette etc.), welche sie theils unmittel- bar aus den Pflanzen, theils aus den pflanzenfressenden Thieren be- ziehen. Indem sie diese oxydiren, bilden sie Kohlensäure und andere einfache Verbindungen. Daher athmen die Thiere sämmtlich Sauerstoff ein, Kohlensäure aus. Bei den allermeisten Thieren wird der durch die Verdauung gewonnene Ernährungssaft (Chylus, Blut) durch be- sondere Systeme von communicirenden Röhren (Chylusgefässen, Blut- gefässen) den verschiedenen Körpertheilen zugeleitet, und dessen Fort- bewegung in denselben entweder durch contractile Wimpern oder durch besondere contractile, rhythmisch pulsirende Behälter (Herzen) geregelt und beschleunigt. Die Fortpflanzung geschieht bei den Thieren allgemein auf geschlechtlichem Wege, und ausserdem bei den meisten niederen Thieren zugleich auf ungeschlechtlichem Wege (durch Thei-

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/251>, abgerufen am 07.10.2024.