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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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Thiere und Pflanzen.
Auslösung von der sensiblen (centripetalen) zur motorischen (centri-
fugalen) hinüberleiten, erfüllen diese Function, ohne dass in ihnen
dadurch die eigenthümliche Molekularbewegung der "Vorstellung"
entsteht. Erst wenn diese "Vorstellung" in den Eiweissmolekülen
der Ganglienzellen erregt wird, können wir von einer "Seele" des
Thieres sprechen, und wir bezeichnen dann diejenige Vorstellung,
welche bei der Erregung der Ganglienzellen durch die centripetale
Faser erzeugt wird, als Empfindung, diejenige Vorstellung dagegen,
welche bei der Erregung der centrifugalen Faser durch die
Ganglienzelle erzeugt wird, als Wille. Die am schwierigsten zu be-
greifende, dunkelste und höchste Function der thierischen Seele ist
die Gedankenbildung, welche in Vorstellungen besteht, die in den
Ganglienzellen während der Leitung, wahrscheinlich aber immer durch
eine höchst complicirte Wechselwirkung zahlreicher centrifugaler und
centripetaler Erregungen, erzeugt werden. Mögen wir über diese
Vorgänge noch so sehr im Dunkeln sein, so viel ist sicher, dass alle
diese differenzirten Nervenbewegungen, welche man unter dem Namen
des Seelenlebens zusammenfasst, sich erst allmählig bei den höheren
Thieren differenzirt und aus den einfacheren Reflexbewegungen her-
vorgebildet haben, welche alle niederen Thiere mit den Protisten und
Pflanzen theilen.

XII. Zoologie, Protistik, Botanik.

Wenn die von uns vorgeschlagene Dreitheilung der Organismen-
Welt, die Aufstellung der drei coordinirten Hauptgruppen oder Reiche:
Thiere, Protisten, Pflanzen, naturgemäss ist, wie wir glauben, so muss
die Biologie, als die Gesammtwissenschaft von den Organismen, von
diesem Gesichtspunkte der Classification aus in drei coordinirte Haupt-
zweige zerfallen: Zoologie, Protistik, Botanik. Jede dieser drei Wis-
senschaften hat ihr besonderes Object und hat zur Aufgabe die voll-
ständige Erkenntniss
dieses Objects, in allen den verschiedenen
Beziehungen, welche wir bereits oben (im zweiten Capitel) erläutert
haben. Es muss also jede dieser drei Wissenschaften in die verschie-
denen Zweige und Aeste zerfallen, welche oben (p. 21) als die Zweige
und Aeste der gesammten Biologie hingestellt worden sind. Wir he-
ben dies hier ausdrücklich hervor, weil Begriff und Aufgabe der Zoo-
logie von den allermeisten Zoologen, Begriff und Aufgabe der Bo-
tanik von den allermeisten Botanikern nicht in diesem Sinne aufge-
fasst werden, vielmehr fast immer nur einzelne grössere oder kleinere
Bruchstücke ihres weiten und grossen Wissenschaftsgebiets als die
"eigentliche" Zoologie und die "eigentliche" Botanik angesehen wer-
den. Natürlich existirt in dieser Beziehung nicht die mindeste Ueber-

Thiere und Pflanzen.
Auslösung von der sensiblen (centripetalen) zur motorischen (centri-
fugalen) hinüberleiten, erfüllen diese Function, ohne dass in ihnen
dadurch die eigenthümliche Molekularbewegung der „Vorstellung“
entsteht. Erst wenn diese „Vorstellung“ in den Eiweissmolekülen
der Ganglienzellen erregt wird, können wir von einer „Seele“ des
Thieres sprechen, und wir bezeichnen dann diejenige Vorstellung,
welche bei der Erregung der Ganglienzellen durch die centripetale
Faser erzeugt wird, als Empfindung, diejenige Vorstellung dagegen,
welche bei der Erregung der centrifugalen Faser durch die
Ganglienzelle erzeugt wird, als Wille. Die am schwierigsten zu be-
greifende, dunkelste und höchste Function der thierischen Seele ist
die Gedankenbildung, welche in Vorstellungen besteht, die in den
Ganglienzellen während der Leitung, wahrscheinlich aber immer durch
eine höchst complicirte Wechselwirkung zahlreicher centrifugaler und
centripetaler Erregungen, erzeugt werden. Mögen wir über diese
Vorgänge noch so sehr im Dunkeln sein, so viel ist sicher, dass alle
diese differenzirten Nervenbewegungen, welche man unter dem Namen
des Seelenlebens zusammenfasst, sich erst allmählig bei den höheren
Thieren differenzirt und aus den einfacheren Reflexbewegungen her-
vorgebildet haben, welche alle niederen Thiere mit den Protisten und
Pflanzen theilen.

XII. Zoologie, Protistik, Botanik.

Wenn die von uns vorgeschlagene Dreitheilung der Organismen-
Welt, die Aufstellung der drei coordinirten Hauptgruppen oder Reiche:
Thiere, Protisten, Pflanzen, naturgemäss ist, wie wir glauben, so muss
die Biologie, als die Gesammtwissenschaft von den Organismen, von
diesem Gesichtspunkte der Classification aus in drei coordinirte Haupt-
zweige zerfallen: Zoologie, Protistik, Botanik. Jede dieser drei Wis-
senschaften hat ihr besonderes Object und hat zur Aufgabe die voll-
ständige Erkenntniss
dieses Objects, in allen den verschiedenen
Beziehungen, welche wir bereits oben (im zweiten Capitel) erläutert
haben. Es muss also jede dieser drei Wissenschaften in die verschie-
denen Zweige und Aeste zerfallen, welche oben (p. 21) als die Zweige
und Aeste der gesammten Biologie hingestellt worden sind. Wir he-
ben dies hier ausdrücklich hervor, weil Begriff und Aufgabe der Zoo-
logie von den allermeisten Zoologen, Begriff und Aufgabe der Bo-
tanik von den allermeisten Botanikern nicht in diesem Sinne aufge-
fasst werden, vielmehr fast immer nur einzelne grössere oder kleinere
Bruchstücke ihres weiten und grossen Wissenschaftsgebiets als die
„eigentliche“ Zoologie und die „eigentliche“ Botanik angesehen wer-
den. Natürlich existirt in dieser Beziehung nicht die mindeste Ueber-

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[234/0273] Thiere und Pflanzen. Auslösung von der sensiblen (centripetalen) zur motorischen (centri- fugalen) hinüberleiten, erfüllen diese Function, ohne dass in ihnen dadurch die eigenthümliche Molekularbewegung der „Vorstellung“ entsteht. Erst wenn diese „Vorstellung“ in den Eiweissmolekülen der Ganglienzellen erregt wird, können wir von einer „Seele“ des Thieres sprechen, und wir bezeichnen dann diejenige Vorstellung, welche bei der Erregung der Ganglienzellen durch die centripetale Faser erzeugt wird, als Empfindung, diejenige Vorstellung dagegen, welche bei der Erregung der centrifugalen Faser durch die Ganglienzelle erzeugt wird, als Wille. Die am schwierigsten zu be- greifende, dunkelste und höchste Function der thierischen Seele ist die Gedankenbildung, welche in Vorstellungen besteht, die in den Ganglienzellen während der Leitung, wahrscheinlich aber immer durch eine höchst complicirte Wechselwirkung zahlreicher centrifugaler und centripetaler Erregungen, erzeugt werden. Mögen wir über diese Vorgänge noch so sehr im Dunkeln sein, so viel ist sicher, dass alle diese differenzirten Nervenbewegungen, welche man unter dem Namen des Seelenlebens zusammenfasst, sich erst allmählig bei den höheren Thieren differenzirt und aus den einfacheren Reflexbewegungen her- vorgebildet haben, welche alle niederen Thiere mit den Protisten und Pflanzen theilen. XII. Zoologie, Protistik, Botanik. Wenn die von uns vorgeschlagene Dreitheilung der Organismen- Welt, die Aufstellung der drei coordinirten Hauptgruppen oder Reiche: Thiere, Protisten, Pflanzen, naturgemäss ist, wie wir glauben, so muss die Biologie, als die Gesammtwissenschaft von den Organismen, von diesem Gesichtspunkte der Classification aus in drei coordinirte Haupt- zweige zerfallen: Zoologie, Protistik, Botanik. Jede dieser drei Wis- senschaften hat ihr besonderes Object und hat zur Aufgabe die voll- ständige Erkenntniss dieses Objects, in allen den verschiedenen Beziehungen, welche wir bereits oben (im zweiten Capitel) erläutert haben. Es muss also jede dieser drei Wissenschaften in die verschie- denen Zweige und Aeste zerfallen, welche oben (p. 21) als die Zweige und Aeste der gesammten Biologie hingestellt worden sind. Wir he- ben dies hier ausdrücklich hervor, weil Begriff und Aufgabe der Zoo- logie von den allermeisten Zoologen, Begriff und Aufgabe der Bo- tanik von den allermeisten Botanikern nicht in diesem Sinne aufge- fasst werden, vielmehr fast immer nur einzelne grössere oder kleinere Bruchstücke ihres weiten und grossen Wissenschaftsgebiets als die „eigentliche“ Zoologie und die „eigentliche“ Botanik angesehen wer- den. Natürlich existirt in dieser Beziehung nicht die mindeste Ueber-

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/273>, abgerufen am 07.10.2024.