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Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 2. Hamburg, 1744.

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er zu diesen dreyen Sprüchwörtern einen traurigen Ursprung aus, und
hernach eine Bedeutung, welche diesem ersten Ursprunge gemäß ist.
Aber das ist nicht der Begriff, welchen uns die Schriftsteller davon ge-
ben, die älter sind, als Erasmus.22

Es ist glaublich, daß die Scolie von der Clitagora auch auf die
Zeit der Pisistratiden und den Beystand, welchen die Thessalier den
Atheniensern gegen die Tyranney leisteten, zielete. Diese Anmerkung
machet der Scholiast des Aristophanes23 bey Gelegenheit der Scolie,
welche Aristophanes selbst in diesen Worten anführet.

Geld, Thessalier und Leben
Müsset ihr,
Götter, mir,
Mir und Clitagoren geben.

Clitagora war, wie eben dieser Scholiast meldet,24 eine Frau aus
Thessalien, welche sich auf die Poesie legte. Suidas25 redet von ei-
ner Clitagora aus Lacedämon, welche ebenfalls die Poesie trieb, und
er saget, daß Aristophanes in den Danaiden, welche wir nicht mehr
haben, derselben erwähne.

Athenäus26 hat uns eine Scolie hinterlassen, welche Pindarus
bey Gelegenheit des Preises, der in den Olympischen Spielen dem Ueber-
winder gegeben ward, verfertiget hatte. Xenophon aus Corinth hatte
sich anheischig gemacht, wenn er Sieger würde, der Venus in ihren
Tempel eine gewisse Anzahl von Frauenzimmern zum Dienste des ge-
meinen Wesens zu schenken. Er trug auch den Preis davon, und nach-
dem Pindarus seinen Sieg in der Ode, welche sich mit dem Worte,
[fremdsprachliches Material - 1 Wort fehlt], anfängt, und jetzo die dreyzehnte im ersten Buche ist,
besungen hatte, so machte er noch eine Scolie auf das Geschenke, wel-
ches er der Venus gelobet hatte. Eben diese Frauenzimmer musten sie
bey der Zurückkunft des Xenophons, und unter der Zeit, daß er im Tem-
pel der Göttin opferte, zum erstenmale singen.



Der Herr Uebersetzer hat Bedenken getragen, den ihm zu freyen
griechischen Text zu verdeutschen. Wir theilen dem Leser also die Ueber-
setzung Casaubons mit.

O regina Cypri in tuum istud remus puellarum 25 Lasci-
varum gregem adduxit, votum laetus ut exsolveret. Pe-
regrinae & hospitales juvenculae, ministrae sacrorum In
opulenta Corintho flavas manibus thuris lacrymas tenen-
tes, Saepius nobis amorum coelestem matrem placave-
runt, Menteque & animo ad Venerem provolantes Nobis

illam
22 Suidas l. cit. Eustath. in 2 Iliad.
p. 285. edit. Rom.
23 Scholiast. Aristoph. in vesp. v. 1237.
24 Scol. Aristoph. l. cit.
25 Suidas in [fremdsprachliches Material - 1 Wort fehlt].
26 Athen. l. XIII. c. 4.
C 3

er zu dieſen dreyen Spruͤchwoͤrtern einen traurigen Urſprung aus, und
hernach eine Bedeutung, welche dieſem erſten Urſprunge gemaͤß iſt.
Aber das iſt nicht der Begriff, welchen uns die Schriftſteller davon ge-
ben, die aͤlter ſind, als Eraſmus.22

Es iſt glaublich, daß die Scolie von der Clitagora auch auf die
Zeit der Piſiſtratiden und den Beyſtand, welchen die Theſſalier den
Athenienſern gegen die Tyranney leiſteten, zielete. Dieſe Anmerkung
machet der Scholiaſt des Ariſtophanes23 bey Gelegenheit der Scolie,
welche Ariſtophanes ſelbſt in dieſen Worten anfuͤhret.

Geld, Theſſalier und Leben
Muͤſſet ihr,
Goͤtter, mir,
Mir und Clitagoren geben.

Clitagora war, wie eben dieſer Scholiaſt meldet,24 eine Frau aus
Theſſalien, welche ſich auf die Poeſie legte. Suidas25 redet von ei-
ner Clitagora aus Lacedaͤmon, welche ebenfalls die Poeſie trieb, und
er ſaget, daß Ariſtophanes in den Danaiden, welche wir nicht mehr
haben, derſelben erwaͤhne.

Athenaͤus26 hat uns eine Scolie hinterlaſſen, welche Pindarus
bey Gelegenheit des Preiſes, der in den Olympiſchen Spielen dem Ueber-
winder gegeben ward, verfertiget hatte. Xenophon aus Corinth hatte
ſich anheiſchig gemacht, wenn er Sieger wuͤrde, der Venus in ihren
Tempel eine gewiſſe Anzahl von Frauenzimmern zum Dienſte des ge-
meinen Weſens zu ſchenken. Er trug auch den Preis davon, und nach-
dem Pindarus ſeinen Sieg in der Ode, welche ſich mit dem Worte,
[fremdsprachliches Material – 1 Wort fehlt], anfaͤngt, und jetzo die dreyzehnte im erſten Buche iſt,
beſungen hatte, ſo machte er noch eine Scolie auf das Geſchenke, wel-
ches er der Venus gelobet hatte. Eben dieſe Frauenzimmer muſten ſie
bey der Zuruͤckkunft des Xenophons, und unter der Zeit, daß er im Tem-
pel der Goͤttin opferte, zum erſtenmale ſingen.



Der Herr Ueberſetzer hat Bedenken getragen, den ihm zu freyen
griechiſchen Text zu verdeutſchen. Wir theilen dem Leſer alſo die Ueber-
ſetzung Caſaubons mit.

O regina Cypri in tuum iſtud remus puellarum 25 Laſci-
varum gregem adduxit, votum lætus ut exſolveret. Pe-
regrinæ & hoſpitales juvenculæ, miniſtræ ſacrorum In
opulenta Corintho flavas manibus thuris lacrymas tenen-
tes, Sæpius nobis amorum cœleſtem matrem placave-
runt, Menteque & animo ad Venerem provolantes Nobis

illam
22 Suidas l. cit. Euſtath. in 2 Iliad.
p. 285. edit. Rom.
23 Scholiaſt. Ariſtoph. in veſp. v. 1237.
24 Scol. Ariſtoph. l. cit.
25 Suidas in [fremdsprachliches Material – 1 Wort fehlt].
26 Athen. l. XIII. c. 4.
C 3
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[21/0031] er zu dieſen dreyen Spruͤchwoͤrtern einen traurigen Urſprung aus, und hernach eine Bedeutung, welche dieſem erſten Urſprunge gemaͤß iſt. Aber das iſt nicht der Begriff, welchen uns die Schriftſteller davon ge- ben, die aͤlter ſind, als Eraſmus. 22 Es iſt glaublich, daß die Scolie von der Clitagora auch auf die Zeit der Piſiſtratiden und den Beyſtand, welchen die Theſſalier den Athenienſern gegen die Tyranney leiſteten, zielete. Dieſe Anmerkung machet der Scholiaſt des Ariſtophanes 23 bey Gelegenheit der Scolie, welche Ariſtophanes ſelbſt in dieſen Worten anfuͤhret. Geld, Theſſalier und Leben Muͤſſet ihr, Goͤtter, mir, Mir und Clitagoren geben. Clitagora war, wie eben dieſer Scholiaſt meldet, 24 eine Frau aus Theſſalien, welche ſich auf die Poeſie legte. Suidas 25 redet von ei- ner Clitagora aus Lacedaͤmon, welche ebenfalls die Poeſie trieb, und er ſaget, daß Ariſtophanes in den Danaiden, welche wir nicht mehr haben, derſelben erwaͤhne. Athenaͤus 26 hat uns eine Scolie hinterlaſſen, welche Pindarus bey Gelegenheit des Preiſes, der in den Olympiſchen Spielen dem Ueber- winder gegeben ward, verfertiget hatte. Xenophon aus Corinth hatte ſich anheiſchig gemacht, wenn er Sieger wuͤrde, der Venus in ihren Tempel eine gewiſſe Anzahl von Frauenzimmern zum Dienſte des ge- meinen Weſens zu ſchenken. Er trug auch den Preis davon, und nach- dem Pindarus ſeinen Sieg in der Ode, welche ſich mit dem Worte, _, anfaͤngt, und jetzo die dreyzehnte im erſten Buche iſt, beſungen hatte, ſo machte er noch eine Scolie auf das Geſchenke, wel- ches er der Venus gelobet hatte. Eben dieſe Frauenzimmer muſten ſie bey der Zuruͤckkunft des Xenophons, und unter der Zeit, daß er im Tem- pel der Goͤttin opferte, zum erſtenmale ſingen. Der Herr Ueberſetzer hat Bedenken getragen, den ihm zu freyen griechiſchen Text zu verdeutſchen. Wir theilen dem Leſer alſo die Ueber- ſetzung Caſaubons mit. O regina Cypri in tuum iſtud remus puellarum 25 Laſci- varum gregem adduxit, votum lætus ut exſolveret. Pe- regrinæ & hoſpitales juvenculæ, miniſtræ ſacrorum In opulenta Corintho flavas manibus thuris lacrymas tenen- tes, Sæpius nobis amorum cœleſtem matrem placave- runt, Menteque & animo ad Venerem provolantes Nobis illam 22 Suidas l. cit. Euſtath. in 2 Iliad. p. 285. edit. Rom. 23 Scholiaſt. Ariſtoph. in veſp. v. 1237. 24 Scol. Ariſtoph. l. cit. 25 Suidas in _. 26 Athen. l. XIII. c. 4. C 3

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Zitationshilfe: Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 2. Hamburg, 1744, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hagedorn_sammlung02_1744/31>, abgerufen am 25.04.2024.