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Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 2. Hamburg, 1744.

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illam a superis adjutricem praebuere. Harum molliusculam
pulcritudinem, cum urget necessitas, Vos demetere lectis
in dulcibus, o juvenes, per pulcrum est. Miror autem,
quid domini de me sint existimaturi, Melliti hujus carmi-
nis scolii excogitato hujusmodi principio, quod publica-
rum seminarum laudi veluti connubio annexum & ad-
junctum est.



Aus den letzten Worten siehet man, daß Pindarus sich einige
Sorge gemacht habe, was seine Herren von ihm und seiner gar zu freyen
Scolie denken würden.

Der Scholiast des Aristophanes27 nennet uns eine Scolie von
Lampon; er sagt uns aber weiter nichts, weder von den Worten, noch
von dem Jnhalte. Man kann sie unterdessen mit Recht unter die hi-
storischen Scolien setzen, weil der Scholiast dieselbe den Liedern von Ad-
metus und Harmodius beyfüget, als wenn sie von eben der Art wäre.
Sonsten ist die Person, deren Namen sie führet, in der Historie bekannt.
Aristophanes,28 sein Scholiast,29 und Suidas30 reden von Lampon.
Er war ein Wahrsager, und hielt das Gesetz strenge, welches Rhada-
mantus gegeben hatte, und wodurch befohlen wurde, bey keiner andern
Sache, als bey dem Namen der Pflanzen, oder der Thiere zu schweren.
Er wurde mit einer atheniensischen Colonie weggeschickt, um die Stadt
Sybaris, nach ihrer Eroberung, wieder aufzubauen.

Aristoteles, welchen man gemeiniglich nur als einen grossen Welt-
weisen anzusehen pfleget, verdienet auch noch unter den Dichtern eine
Stelle, wenn er auch sonst keine Verse geschrieben hätte, als die Scolie,
die er auf den Tod des atarnischen Tyrannen, Hermias, seines Freun-
des und Bundes-Genossen, verfertiget hat, und die wir noch aufweisen
können. Dieses kostbare Stück hat uns Diogenes Laertius31 und
Athenäus32 aufbehalten. Julius Scaliger33 hat daraus geurtheilet,
daß Aristoteles in der Poesie dem Pindarus nichts nachgäbe, und Ca-
saubonus34 nennet es ein recht güldenes Werk.

Ziel des menschlichen Bestrebens,
Ziel, das man mit Müh erreicht!
Schönste Beute dieses Lebens!
Kleinod, dem kein Reichthum gleicht!
Tugend! dich, dich, unbefleckte Schöne!
Lieben Griechen-Landes Söhne.
Jhnen
27 Schol. Aristoph. in Acharn. vers. 977.
28 Aristoph. in avibus v. 521. & 989.
29 Schol. Aristoph. in nub. v. 331. &
in Acharn. v. 977. & in avib. v.
521 & 989.
30 Suidas in [fremdsprachliches Material - 1 Wort fehlt], & in [fremdsprachliches Material - 3 Zeichen fehlen]-
[fremdsprachliches Material - 3 Zeichen fehlen], & in
[fremdsprachliches Material - 1 Wort fehlt].
31 Diogen. Laert. in Aristot.
32 Athen. l. XV. cap. 16.
33 Scaliger I. Poet. 44.
34 Casaubon. animadv. in Athen. l. XV.
c.
16.

illam a ſuperis adjutricem præbuere. Harum molliuſculam
pulcritudinem, cum urget neceſſitas, Vos demetere lectis
in dulcibus, o juvenes, per pulcrum eſt. Miror autem,
quid domini de me ſint exiſtimaturi, Melliti hujus carmi-
nis ſcolii excogitato hujusmodi principio, quod publica-
rum ſeminarum laudi veluti connubio annexum & ad-
junctum eſt.



Aus den letzten Worten ſiehet man, daß Pindarus ſich einige
Sorge gemacht habe, was ſeine Herren von ihm und ſeiner gar zu freyen
Scolie denken wuͤrden.

Der Scholiaſt des Ariſtophanes27 nennet uns eine Scolie von
Lampon; er ſagt uns aber weiter nichts, weder von den Worten, noch
von dem Jnhalte. Man kann ſie unterdeſſen mit Recht unter die hi-
ſtoriſchen Scolien ſetzen, weil der Scholiaſt dieſelbe den Liedern von Ad-
metus und Harmodius beyfuͤget, als wenn ſie von eben der Art waͤre.
Sonſten iſt die Perſon, deren Namen ſie fuͤhret, in der Hiſtorie bekannt.
Ariſtophanes,28 ſein Scholiaſt,29 und Suidas30 reden von Lampon.
Er war ein Wahrſager, und hielt das Geſetz ſtrenge, welches Rhada-
mantus gegeben hatte, und wodurch befohlen wurde, bey keiner andern
Sache, als bey dem Namen der Pflanzen, oder der Thiere zu ſchweren.
Er wurde mit einer athenienſiſchen Colonie weggeſchickt, um die Stadt
Sybaris, nach ihrer Eroberung, wieder aufzubauen.

Ariſtoteles, welchen man gemeiniglich nur als einen groſſen Welt-
weiſen anzuſehen pfleget, verdienet auch noch unter den Dichtern eine
Stelle, wenn er auch ſonſt keine Verſe geſchrieben haͤtte, als die Scolie,
die er auf den Tod des atarniſchen Tyrannen, Hermias, ſeines Freun-
des und Bundes-Genoſſen, verfertiget hat, und die wir noch aufweiſen
koͤnnen. Dieſes koſtbare Stuͤck hat uns Diogenes Laertius31 und
Athenaͤus32 aufbehalten. Julius Scaliger33 hat daraus geurtheilet,
daß Ariſtoteles in der Poeſie dem Pindarus nichts nachgaͤbe, und Ca-
ſaubonus34 nennet es ein recht guͤldenes Werk.

Ziel des menſchlichen Beſtrebens,
Ziel, das man mit Muͤh erreicht!
Schoͤnſte Beute dieſes Lebens!
Kleinod, dem kein Reichthum gleicht!
Tugend! dich, dich, unbefleckte Schoͤne!
Lieben Griechen-Landes Soͤhne.
Jhnen
27 Schol. Ariſtoph. in Acharn. verſ. 977.
28 Ariſtoph. in avibus v. 521. & 989.
29 Schol. Ariſtoph. in nub. v. 331. &
in Acharn. v. 977. & in avib. v.
521 & 989.
30 Suidas in [fremdsprachliches Material – 1 Wort fehlt], & in [fremdsprachliches Material – 3 Zeichen fehlen]-
[fremdsprachliches Material – 3 Zeichen fehlen], & in
[fremdsprachliches Material – 1 Wort fehlt].
31 Diogen. Laert. in Ariſtot.
32 Athen. l. XV. cap. 16.
33 Scaliger I. Poet. 44.
34 Caſaubon. animadv. in Athen. l. XV.
c.
16.
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[22/0032] illam a ſuperis adjutricem præbuere. Harum molliuſculam pulcritudinem, cum urget neceſſitas, Vos demetere lectis in dulcibus, o juvenes, per pulcrum eſt. Miror autem, quid domini de me ſint exiſtimaturi, Melliti hujus carmi- nis ſcolii excogitato hujusmodi principio, quod publica- rum ſeminarum laudi veluti connubio annexum & ad- junctum eſt. Aus den letzten Worten ſiehet man, daß Pindarus ſich einige Sorge gemacht habe, was ſeine Herren von ihm und ſeiner gar zu freyen Scolie denken wuͤrden. Der Scholiaſt des Ariſtophanes 27 nennet uns eine Scolie von Lampon; er ſagt uns aber weiter nichts, weder von den Worten, noch von dem Jnhalte. Man kann ſie unterdeſſen mit Recht unter die hi- ſtoriſchen Scolien ſetzen, weil der Scholiaſt dieſelbe den Liedern von Ad- metus und Harmodius beyfuͤget, als wenn ſie von eben der Art waͤre. Sonſten iſt die Perſon, deren Namen ſie fuͤhret, in der Hiſtorie bekannt. Ariſtophanes, 28 ſein Scholiaſt, 29 und Suidas 30 reden von Lampon. Er war ein Wahrſager, und hielt das Geſetz ſtrenge, welches Rhada- mantus gegeben hatte, und wodurch befohlen wurde, bey keiner andern Sache, als bey dem Namen der Pflanzen, oder der Thiere zu ſchweren. Er wurde mit einer athenienſiſchen Colonie weggeſchickt, um die Stadt Sybaris, nach ihrer Eroberung, wieder aufzubauen. Ariſtoteles, welchen man gemeiniglich nur als einen groſſen Welt- weiſen anzuſehen pfleget, verdienet auch noch unter den Dichtern eine Stelle, wenn er auch ſonſt keine Verſe geſchrieben haͤtte, als die Scolie, die er auf den Tod des atarniſchen Tyrannen, Hermias, ſeines Freun- des und Bundes-Genoſſen, verfertiget hat, und die wir noch aufweiſen koͤnnen. Dieſes koſtbare Stuͤck hat uns Diogenes Laertius 31 und Athenaͤus 32 aufbehalten. Julius Scaliger 33 hat daraus geurtheilet, daß Ariſtoteles in der Poeſie dem Pindarus nichts nachgaͤbe, und Ca- ſaubonus 34 nennet es ein recht guͤldenes Werk. Ziel des menſchlichen Beſtrebens, Ziel, das man mit Muͤh erreicht! Schoͤnſte Beute dieſes Lebens! Kleinod, dem kein Reichthum gleicht! Tugend! dich, dich, unbefleckte Schoͤne! Lieben Griechen-Landes Soͤhne. Jhnen 27 Schol. Ariſtoph. in Acharn. verſ. 977. 28 Ariſtoph. in avibus v. 521. & 989. 29 Schol. Ariſtoph. in nub. v. 331. & in Acharn. v. 977. & in avib. v. 521 & 989. 30 Suidas in _, & in ___- ___, & in _. 31 Diogen. Laert. in Ariſtot. 32 Athen. l. XV. cap. 16. 33 Scaliger I. Poet. 44. 34 Caſaubon. animadv. in Athen. l. XV. c. 16.

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Zitationshilfe: Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 2. Hamburg, 1744, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hagedorn_sammlung02_1744/32>, abgerufen am 29.03.2024.