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Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 2. Hamburg, 1744.

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kläger. Athenäus35 berichtet, daß Demophilus und | Eurymedon ihn
der Gotteslästerung beschuldigten. Sie gaben vor, das Lied wäre ein
rechter Päan, und es wäre nicht erlaubt, so bey Gastereyen, einem
blossen Menschen zu Ehren, einen geheiligten Gesang zu singen, der für
die Götter allein gehörte. Julius Scaliger36 glaubet auch, daß es ein
Päan sey; aber Athenäus behauptet, daß man nicht die geringste Spur
eines geheiligten Liedes von dieser Art darinn antreffe, weil der Ver-
fasser daselbst von dem Hermias, als einem sterblichen Menschen, redet,
und die Anrufung, [fremdsprachliches Material - 2 Wörter fehlen], welche man ordentlich in den Päanen
findet, ausgelassen hat. Diese beyden Gründe des Athenäus sind aber
doch nicht unbeantwortet geblieben. Casaubonus37 setzet dem ersten
einen Päan entgegen, der von Xenophon38 angeführet wird, und den
Diascuren, die doch auch sterblich gewesen, zu Ehren gemacht war;
und wider den andern bringet Scaliger39 ein Stück des Ariphrons aus
Sicyon von der Gesundheit her, welches Athenäus40 selbst einen Päan
nennet, und worinn man doch nicht die Anrufung findet. Dem sey
nun, wie ihm wolle, man kann dies Lied des Aristoteles, auf des Athe-
näus Wort, immerhin unter die Scolien setzen; und das ist die letzte
von unsern historischen Scolien.

Die dritte Classe besteht aus denen Scolien, welche von gemei-
nen und ordentlichen Dingen handeln. Hier finden wir gleich den Al-
cäus und Anacreon vor uns. Aristoteles41 erwähnet der Scolien des
Alcäus, und man weiß auch sonst, daß Alcäus und Anacreon sich in
dieser Art von Liedern sehr hervorgethan, und daß darum, nach der An-
merkung des Athenäus,42 Aristophanes in seinen Gästen sagt: Singe
mir eine Scolie aus dem Alcäus und Anacreon. Nun können wir auch
leicht wissen, wovon die Scolien dieser beyden Dichter handelten.

Unter den wenigen Stücken, die uns noch vom Alcäus übrig ge-
blieben sind, finden sich einige, worinn von nichts, als Wein und gu-
tem Leben, geredet wird. Athenäus43 nennet sie ein Werk des Alcäus,
des Lieder-Dichters. Man kann sie also als lauter Ueberbleibsel von
seinen Scolien ansehen. Er suchet darinn überhaupt das Trinken in
allen Jahrs-Zeiten, und in allen Umständen unsers Lebens anzupreisen.

Erstes Stück auf den Winter.44

Seht, wie Zevs durch Regen-Güsse
Felder überschwemmt;
Seht, der Lauf der schnellsten Flüsse
Wird durch Eis gehemmt;
Seht,
35 Athen. l. XV. c. 16.
36 Scaliger l. Poetic. 44.
37 Casaub. animadv. in Athen. l. XV.
c.
16.
38 Xenoph. Cynop. lib. III.
39 Scal. l. cit.
40 Athen. l. XV. in fine.
41 Aristot. III. 10. Pol.
42 Athen. l. XV. c. 14.
43 Athen. l. X. c. 8.
44 Ibid.

klaͤger. Athenaͤus35 berichtet, daß Demophilus und | Eurymedon ihn
der Gotteslaͤſterung beſchuldigten. Sie gaben vor, das Lied waͤre ein
rechter Paͤan, und es waͤre nicht erlaubt, ſo bey Gaſtereyen, einem
bloſſen Menſchen zu Ehren, einen geheiligten Geſang zu ſingen, der fuͤr
die Goͤtter allein gehoͤrte. Julius Scaliger36 glaubet auch, daß es ein
Paͤan ſey; aber Athenaͤus behauptet, daß man nicht die geringſte Spur
eines geheiligten Liedes von dieſer Art darinn antreffe, weil der Ver-
faſſer daſelbſt von dem Hermias, als einem ſterblichen Menſchen, redet,
und die Anrufung, [fremdsprachliches Material – 2 Wörter fehlen], welche man ordentlich in den Paͤanen
findet, ausgelaſſen hat. Dieſe beyden Gruͤnde des Athenaͤus ſind aber
doch nicht unbeantwortet geblieben. Caſaubonus37 ſetzet dem erſten
einen Paͤan entgegen, der von Xenophon38 angefuͤhret wird, und den
Diaſcuren, die doch auch ſterblich geweſen, zu Ehren gemacht war;
und wider den andern bringet Scaliger39 ein Stuͤck des Ariphrons aus
Sicyon von der Geſundheit her, welches Athenaͤus40 ſelbſt einen Paͤan
nennet, und worinn man doch nicht die Anrufung findet. Dem ſey
nun, wie ihm wolle, man kann dies Lied des Ariſtoteles, auf des Athe-
naͤus Wort, immerhin unter die Scolien ſetzen; und das iſt die letzte
von unſern hiſtoriſchen Scolien.

Die dritte Claſſe beſteht aus denen Scolien, welche von gemei-
nen und ordentlichen Dingen handeln. Hier finden wir gleich den Al-
caͤus und Anacreon vor uns. Ariſtoteles41 erwaͤhnet der Scolien des
Alcaͤus, und man weiß auch ſonſt, daß Alcaͤus und Anacreon ſich in
dieſer Art von Liedern ſehr hervorgethan, und daß darum, nach der An-
merkung des Athenaͤus,42 Ariſtophanes in ſeinen Gaͤſten ſagt: Singe
mir eine Scolie aus dem Alcaͤus und Anacreon. Nun koͤnnen wir auch
leicht wiſſen, wovon die Scolien dieſer beyden Dichter handelten.

Unter den wenigen Stuͤcken, die uns noch vom Alcaͤus uͤbrig ge-
blieben ſind, finden ſich einige, worinn von nichts, als Wein und gu-
tem Leben, geredet wird. Athenaͤus43 nennet ſie ein Werk des Alcaͤus,
des Lieder-Dichters. Man kann ſie alſo als lauter Ueberbleibſel von
ſeinen Scolien anſehen. Er ſuchet darinn uͤberhaupt das Trinken in
allen Jahrs-Zeiten, und in allen Umſtaͤnden unſers Lebens anzupreiſen.

Erſtes Stuͤck auf den Winter.44

Seht, wie Zevs durch Regen-Guͤſſe
Felder uͤberſchwemmt;
Seht, der Lauf der ſchnellſten Fluͤſſe
Wird durch Eis gehemmt;
Seht,
35 Athen. l. XV. c. 16.
36 Scaliger l. Poetic. 44.
37 Caſaub. animadv. in Athen. l. XV.
c.
16.
38 Xenoph. Cynop. lib. III.
39 Scal. l. cit.
40 Athen. l. XV. in fine.
41 Ariſtot. III. 10. Pol.
42 Athen. l. XV. c. 14.
43 Athen. l. X. c. 8.
44 Ibid.
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[24/0034] klaͤger. Athenaͤus 35 berichtet, daß Demophilus und | Eurymedon ihn der Gotteslaͤſterung beſchuldigten. Sie gaben vor, das Lied waͤre ein rechter Paͤan, und es waͤre nicht erlaubt, ſo bey Gaſtereyen, einem bloſſen Menſchen zu Ehren, einen geheiligten Geſang zu ſingen, der fuͤr die Goͤtter allein gehoͤrte. Julius Scaliger 36 glaubet auch, daß es ein Paͤan ſey; aber Athenaͤus behauptet, daß man nicht die geringſte Spur eines geheiligten Liedes von dieſer Art darinn antreffe, weil der Ver- faſſer daſelbſt von dem Hermias, als einem ſterblichen Menſchen, redet, und die Anrufung, __, welche man ordentlich in den Paͤanen findet, ausgelaſſen hat. Dieſe beyden Gruͤnde des Athenaͤus ſind aber doch nicht unbeantwortet geblieben. Caſaubonus 37 ſetzet dem erſten einen Paͤan entgegen, der von Xenophon 38 angefuͤhret wird, und den Diaſcuren, die doch auch ſterblich geweſen, zu Ehren gemacht war; und wider den andern bringet Scaliger 39 ein Stuͤck des Ariphrons aus Sicyon von der Geſundheit her, welches Athenaͤus 40 ſelbſt einen Paͤan nennet, und worinn man doch nicht die Anrufung findet. Dem ſey nun, wie ihm wolle, man kann dies Lied des Ariſtoteles, auf des Athe- naͤus Wort, immerhin unter die Scolien ſetzen; und das iſt die letzte von unſern hiſtoriſchen Scolien. Die dritte Claſſe beſteht aus denen Scolien, welche von gemei- nen und ordentlichen Dingen handeln. Hier finden wir gleich den Al- caͤus und Anacreon vor uns. Ariſtoteles 41 erwaͤhnet der Scolien des Alcaͤus, und man weiß auch ſonſt, daß Alcaͤus und Anacreon ſich in dieſer Art von Liedern ſehr hervorgethan, und daß darum, nach der An- merkung des Athenaͤus, 42 Ariſtophanes in ſeinen Gaͤſten ſagt: Singe mir eine Scolie aus dem Alcaͤus und Anacreon. Nun koͤnnen wir auch leicht wiſſen, wovon die Scolien dieſer beyden Dichter handelten. Unter den wenigen Stuͤcken, die uns noch vom Alcaͤus uͤbrig ge- blieben ſind, finden ſich einige, worinn von nichts, als Wein und gu- tem Leben, geredet wird. Athenaͤus 43 nennet ſie ein Werk des Alcaͤus, des Lieder-Dichters. Man kann ſie alſo als lauter Ueberbleibſel von ſeinen Scolien anſehen. Er ſuchet darinn uͤberhaupt das Trinken in allen Jahrs-Zeiten, und in allen Umſtaͤnden unſers Lebens anzupreiſen. Erſtes Stuͤck auf den Winter. 44 Seht, wie Zevs durch Regen-Guͤſſe Felder uͤberſchwemmt; Seht, der Lauf der ſchnellſten Fluͤſſe Wird durch Eis gehemmt; Seht, 35 Athen. l. XV. c. 16. 36 Scaliger l. Poetic. 44. 37 Caſaub. animadv. in Athen. l. XV. c. 16. 38 Xenoph. Cynop. lib. III. 39 Scal. l. cit. 40 Athen. l. XV. in fine. 41 Ariſtot. III. 10. Pol. 42 Athen. l. XV. c. 14. 43 Athen. l. X. c. 8. 44 Ibid.

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Zitationshilfe: Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 2. Hamburg, 1744, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hagedorn_sammlung02_1744/34>, abgerufen am 19.04.2024.