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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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I. Die Zeit der Salier.

Seiner eignen Vergangenheit nach aber fühlte sich Konrad am
meisten hingezogen zu den kleineren Grafen und Herren, ehrte er
doch einen ihm befreundeten Grafensohn, der in Rom getötet
wurde, dadurch, daß er seine Leiche neben dem Sarkophage Kaiser
Ottos II. beisetzen ließ. Und indem er nun für diese Vasallen
den gleichen, aber hier noch keineswegs anerkannten Grundsatz der
Lehenserblichkeit aussprach, gewann er an diesem Stande, auf dem
ja die kriegerische Kraft des Reiches vor allem beruhte, eine über-
aus wertvolle Stütze für das Königtum.

Das wurde alsbald von praktischer Bedeutung in den wieder-
holten Empörungen (1025-1030) seines Stiefsohnes Ernst II. von
Schwaben. Dieser Familienzwist war ohne alle grundsätzliche Be-
deutung. Die Sage hat später Ernst mit Liudolf, dem Sohne
Ottos d. Gr., verschmolzen, aber ihm fehlte der politische Zug, der
jenem auch nach Abstrich kleindeutscher Übertreibungen verbleibt.
In dem Unvermögen, seine Privatinteressen hinter die der Allge-
meinheit zurückzustellen, erinnert er vielmehr an Johann Parricida,
dem er auch in Eigensinn, Trotz und Erregbarkeit ähnelt, ohne
sich freilich zu so verworfener Tat zu verirren. Das treibende
Motiv des unreifen, auch durch die mehrfach bewiesene Großmut
Konrads nicht bezwungenen Jünglings war wohl die Durchkreuzung
seiner privatrechtlichen Ansprüche auf Burgund durch den höheren
Staatsgedanken des Kaisers. Tragisch und anteilerregend ward sein
Geschick erst, als er sich seiner herzoglichen Pflicht zur Voll-
streckung der Reichsacht an seinen im Widerstande verharrenden Ge-
nossen entschlug und lieber in unerschütterter Freundestreue den ge-
meinsamen Untergang erwählte (1030). Der Kaiser aber sah nach dem
wiederholten Treubruch in ihm nur noch den Empörer gegen die
Staatsgewalt und sprach bei der Nachricht von seinem frühen, erben-
losen Tode das bittere Wort: "Bissige Hunde haben selten Junge."
Wenn aber diese Empörungen trotz auswärtiger Verbindungen sich
nie zu einer ernstlicheren deutschen Gefahr auswuchsen, so lag
das nicht zum wenigsten an der Stellungnahme der schwäbischen
Grafen und Herren, die ihrem herzoglichen Lehensherrn die Heeres-
folge gegen den Kaiser als den höchsten Schützer ihres Rechtes
weigerten.

Schuf Konrad hier durch seine kluge Haltung der Krone schon
jetzt eine neue Stütze, so klangen leiser, aber immerhin vernehmlich
in seiner Politik Motive der Zukunft an. Zu der für die späteren
Salier so charakteristischen Begünstigung der neuen städtischen Ent-
wicklung finden sich schon bei ihm bemerkenswerte Ansätze, und
das Vorbild seines Erziehers, des Bischofs Burchard von Worms
war es vielleicht, das ihn auf die Bedeutung des Ministerialen-

I. Die Zeit der Salier.

Seiner eignen Vergangenheit nach aber fühlte sich Konrad am
meisten hingezogen zu den kleineren Grafen und Herren, ehrte er
doch einen ihm befreundeten Grafensohn, der in Rom getötet
wurde, dadurch, daß er seine Leiche neben dem Sarkophage Kaiser
Ottos II. beisetzen ließ. Und indem er nun für diese Vasallen
den gleichen, aber hier noch keineswegs anerkannten Grundsatz der
Lehenserblichkeit aussprach, gewann er an diesem Stande, auf dem
ja die kriegerische Kraft des Reiches vor allem beruhte, eine über-
aus wertvolle Stütze für das Königtum.

Das wurde alsbald von praktischer Bedeutung in den wieder-
holten Empörungen (1025‒1030) seines Stiefsohnes Ernst II. von
Schwaben. Dieser Familienzwist war ohne alle grundsätzliche Be-
deutung. Die Sage hat später Ernst mit Liudolf, dem Sohne
Ottos d. Gr., verschmolzen, aber ihm fehlte der politische Zug, der
jenem auch nach Abstrich kleindeutscher Übertreibungen verbleibt.
In dem Unvermögen, seine Privatinteressen hinter die der Allge-
meinheit zurückzustellen, erinnert er vielmehr an Johann Parricida,
dem er auch in Eigensinn, Trotz und Erregbarkeit ähnelt, ohne
sich freilich zu so verworfener Tat zu verirren. Das treibende
Motiv des unreifen, auch durch die mehrfach bewiesene Großmut
Konrads nicht bezwungenen Jünglings war wohl die Durchkreuzung
seiner privatrechtlichen Ansprüche auf Burgund durch den höheren
Staatsgedanken des Kaisers. Tragisch und anteilerregend ward sein
Geschick erst, als er sich seiner herzoglichen Pflicht zur Voll-
streckung der Reichsacht an seinen im Widerstande verharrenden Ge-
nossen entschlug und lieber in unerschütterter Freundestreue den ge-
meinsamen Untergang erwählte (1030). Der Kaiser aber sah nach dem
wiederholten Treubruch in ihm nur noch den Empörer gegen die
Staatsgewalt und sprach bei der Nachricht von seinem frühen, erben-
losen Tode das bittere Wort: „Bissige Hunde haben selten Junge.“
Wenn aber diese Empörungen trotz auswärtiger Verbindungen sich
nie zu einer ernstlicheren deutschen Gefahr auswuchsen, so lag
das nicht zum wenigsten an der Stellungnahme der schwäbischen
Grafen und Herren, die ihrem herzoglichen Lehensherrn die Heeres-
folge gegen den Kaiser als den höchsten Schützer ihres Rechtes
weigerten.

Schuf Konrad hier durch seine kluge Haltung der Krone schon
jetzt eine neue Stütze, so klangen leiser, aber immerhin vernehmlich
in seiner Politik Motive der Zukunft an. Zu der für die späteren
Salier so charakteristischen Begünstigung der neuen städtischen Ent-
wicklung finden sich schon bei ihm bemerkenswerte Ansätze, und
das Vorbild seines Erziehers, des Bischofs Burchard von Worms
war es vielleicht, das ihn auf die Bedeutung des Ministerialen-

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[10/0018] I. Die Zeit der Salier. Seiner eignen Vergangenheit nach aber fühlte sich Konrad am meisten hingezogen zu den kleineren Grafen und Herren, ehrte er doch einen ihm befreundeten Grafensohn, der in Rom getötet wurde, dadurch, daß er seine Leiche neben dem Sarkophage Kaiser Ottos II. beisetzen ließ. Und indem er nun für diese Vasallen den gleichen, aber hier noch keineswegs anerkannten Grundsatz der Lehenserblichkeit aussprach, gewann er an diesem Stande, auf dem ja die kriegerische Kraft des Reiches vor allem beruhte, eine über- aus wertvolle Stütze für das Königtum. Das wurde alsbald von praktischer Bedeutung in den wieder- holten Empörungen (1025‒1030) seines Stiefsohnes Ernst II. von Schwaben. Dieser Familienzwist war ohne alle grundsätzliche Be- deutung. Die Sage hat später Ernst mit Liudolf, dem Sohne Ottos d. Gr., verschmolzen, aber ihm fehlte der politische Zug, der jenem auch nach Abstrich kleindeutscher Übertreibungen verbleibt. In dem Unvermögen, seine Privatinteressen hinter die der Allge- meinheit zurückzustellen, erinnert er vielmehr an Johann Parricida, dem er auch in Eigensinn, Trotz und Erregbarkeit ähnelt, ohne sich freilich zu so verworfener Tat zu verirren. Das treibende Motiv des unreifen, auch durch die mehrfach bewiesene Großmut Konrads nicht bezwungenen Jünglings war wohl die Durchkreuzung seiner privatrechtlichen Ansprüche auf Burgund durch den höheren Staatsgedanken des Kaisers. Tragisch und anteilerregend ward sein Geschick erst, als er sich seiner herzoglichen Pflicht zur Voll- streckung der Reichsacht an seinen im Widerstande verharrenden Ge- nossen entschlug und lieber in unerschütterter Freundestreue den ge- meinsamen Untergang erwählte (1030). Der Kaiser aber sah nach dem wiederholten Treubruch in ihm nur noch den Empörer gegen die Staatsgewalt und sprach bei der Nachricht von seinem frühen, erben- losen Tode das bittere Wort: „Bissige Hunde haben selten Junge.“ Wenn aber diese Empörungen trotz auswärtiger Verbindungen sich nie zu einer ernstlicheren deutschen Gefahr auswuchsen, so lag das nicht zum wenigsten an der Stellungnahme der schwäbischen Grafen und Herren, die ihrem herzoglichen Lehensherrn die Heeres- folge gegen den Kaiser als den höchsten Schützer ihres Rechtes weigerten. Schuf Konrad hier durch seine kluge Haltung der Krone schon jetzt eine neue Stütze, so klangen leiser, aber immerhin vernehmlich in seiner Politik Motive der Zukunft an. Zu der für die späteren Salier so charakteristischen Begünstigung der neuen städtischen Ent- wicklung finden sich schon bei ihm bemerkenswerte Ansätze, und das Vorbild seines Erziehers, des Bischofs Burchard von Worms war es vielleicht, das ihn auf die Bedeutung des Ministerialen-

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/18>, abgerufen am 20.04.2024.