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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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I. Die Zeit der Salier.

In Ost und West aber hatte Konrad um so glänzendere Er-
folge zu verzeichnen. In Polen kam ihm dabei das Glück zu Hilfe.
An dem Genie Boleslaws des Kühnen, der Polen zum mächtigen,
selbständigen Königreich emporgehoben hatte, wäre wohl auch er
wie sein Vorgänger gescheitert. Da führte der Tod des Gegners
(1025) innere Wirren herauf, durch deren kluge Ausnutzung es
dem Kaiser gelang, mit den beiden Lausitzen die alte Reichsgrenze
zurückzugewinnen (1031) und sogar unter Beseitigung der neuen
Königswürde die Lehensabhängigkeit herzustellen (1033). Auch
Böhmen gegenüber ward trotz mancher Schwankungen die Ober-
hoheit behauptet, und die Liutizen wurden aus Verbündeten wieder
zu Unterworfenen (1036).

Wurden so im Osten die Verluste der letzten Zeiten wieder
eingebracht, so gelang im Westen eine Gebietserwerbung, die ge-
radezu den Charakter des Gesamtreiches abwandelte. Nach hundert-
jähriger Dauer endete 1032 das von Basel bis Nizza ausgedehnte
Königreich Burgund als selbständiger Staat mit dem kinderlosen
Tode Rudolfs III. Lange vorher hatte die Frage seiner Zukunft
die Welt beschäftigt. Konrad II. erntete hier nur, was sein Vor-
gänger durch Verträge vorbereitet hatte. Aber wenn Heinrich II.
als der nächste Verwandte Rudolfs unzweifelhaft die begründetsten
Ansprüche hatte geltend machen können, so war es doch selbst
nach erlangter Zustimmung Rudolfs (1027) sehr fraglich, ob Konrad,
der privatrechtlich hinter andern Bewerbern zurückstand, seine neue
staatsrechliche Auffassung, nach der er als Nachfolger in alle An-
sprüche des Vorgängers eingetreten sei, zur Anerkennung bringen
würde. Der eine jener Bewerber, Ernst von Schwaben, war indes
zur Zeit der Entscheidung bereits verstorben, der andere, Graf Odo
von Champagne, mußte seinen kriegerischen Widerstand vor der
Übermacht des Kaisers bald genug aufgeben (1034).

Was bedeutete diese Angliederung eines dritten Reiches für
das Imperium? Eine wirkliche Herrschaftserweiterung allerdings nur
in den Landen, in welchen allein das schwache Königtum Rudolfs
noch Geltung gehabt hatte, in den wenigstens teilweise germanischen
Gebieten der heutigen französischen Schweiz, -- ein Zuwachs, der
im wirtschaftlichen, wie nationalen Interesse unbedingt erfreulich war.
Politisch aber war auch die lockere Angliederung der übrigen halb-
selbständigen Teile an das Reich wertvoll genug. Denn sie be-
deutete nach dieser Seite eine Eindämmung der Machtentwickelung
Frankreichs, seine Absperrung von Italien, wohin vorher und wieder
seit dem Verfall der burgundischen Reichsoberherrschaft im drei-
zehnten Jahrhundert französische Eroberungsgelüste zielten, und also
eine Befestigung des italischen Besitzes, für die auch die Gewinnung

I. Die Zeit der Salier.

In Ost und West aber hatte Konrad um so glänzendere Er-
folge zu verzeichnen. In Polen kam ihm dabei das Glück zu Hilfe.
An dem Genie Boleslaws des Kühnen, der Polen zum mächtigen,
selbständigen Königreich emporgehoben hatte, wäre wohl auch er
wie sein Vorgänger gescheitert. Da führte der Tod des Gegners
(1025) innere Wirren herauf, durch deren kluge Ausnutzung es
dem Kaiser gelang, mit den beiden Lausitzen die alte Reichsgrenze
zurückzugewinnen (1031) und sogar unter Beseitigung der neuen
Königswürde die Lehensabhängigkeit herzustellen (1033). Auch
Böhmen gegenüber ward trotz mancher Schwankungen die Ober-
hoheit behauptet, und die Liutizen wurden aus Verbündeten wieder
zu Unterworfenen (1036).

Wurden so im Osten die Verluste der letzten Zeiten wieder
eingebracht, so gelang im Westen eine Gebietserwerbung, die ge-
radezu den Charakter des Gesamtreiches abwandelte. Nach hundert-
jähriger Dauer endete 1032 das von Basel bis Nizza ausgedehnte
Königreich Burgund als selbständiger Staat mit dem kinderlosen
Tode Rudolfs III. Lange vorher hatte die Frage seiner Zukunft
die Welt beschäftigt. Konrad II. erntete hier nur, was sein Vor-
gänger durch Verträge vorbereitet hatte. Aber wenn Heinrich II.
als der nächste Verwandte Rudolfs unzweifelhaft die begründetsten
Ansprüche hatte geltend machen können, so war es doch selbst
nach erlangter Zustimmung Rudolfs (1027) sehr fraglich, ob Konrad,
der privatrechtlich hinter andern Bewerbern zurückstand, seine neue
staatsrechliche Auffassung, nach der er als Nachfolger in alle An-
sprüche des Vorgängers eingetreten sei, zur Anerkennung bringen
würde. Der eine jener Bewerber, Ernst von Schwaben, war indes
zur Zeit der Entscheidung bereits verstorben, der andere, Graf Odo
von Champagne, mußte seinen kriegerischen Widerstand vor der
Übermacht des Kaisers bald genug aufgeben (1034).

Was bedeutete diese Angliederung eines dritten Reiches für
das Imperium? Eine wirkliche Herrschaftserweiterung allerdings nur
in den Landen, in welchen allein das schwache Königtum Rudolfs
noch Geltung gehabt hatte, in den wenigstens teilweise germanischen
Gebieten der heutigen französischen Schweiz, — ein Zuwachs, der
im wirtschaftlichen, wie nationalen Interesse unbedingt erfreulich war.
Politisch aber war auch die lockere Angliederung der übrigen halb-
selbständigen Teile an das Reich wertvoll genug. Denn sie be-
deutete nach dieser Seite eine Eindämmung der Machtentwickelung
Frankreichs, seine Absperrung von Italien, wohin vorher und wieder
seit dem Verfall der burgundischen Reichsoberherrschaft im drei-
zehnten Jahrhundert französische Eroberungsgelüste zielten, und also
eine Befestigung des italischen Besitzes, für die auch die Gewinnung

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[12/0020] I. Die Zeit der Salier. In Ost und West aber hatte Konrad um so glänzendere Er- folge zu verzeichnen. In Polen kam ihm dabei das Glück zu Hilfe. An dem Genie Boleslaws des Kühnen, der Polen zum mächtigen, selbständigen Königreich emporgehoben hatte, wäre wohl auch er wie sein Vorgänger gescheitert. Da führte der Tod des Gegners (1025) innere Wirren herauf, durch deren kluge Ausnutzung es dem Kaiser gelang, mit den beiden Lausitzen die alte Reichsgrenze zurückzugewinnen (1031) und sogar unter Beseitigung der neuen Königswürde die Lehensabhängigkeit herzustellen (1033). Auch Böhmen gegenüber ward trotz mancher Schwankungen die Ober- hoheit behauptet, und die Liutizen wurden aus Verbündeten wieder zu Unterworfenen (1036). Wurden so im Osten die Verluste der letzten Zeiten wieder eingebracht, so gelang im Westen eine Gebietserwerbung, die ge- radezu den Charakter des Gesamtreiches abwandelte. Nach hundert- jähriger Dauer endete 1032 das von Basel bis Nizza ausgedehnte Königreich Burgund als selbständiger Staat mit dem kinderlosen Tode Rudolfs III. Lange vorher hatte die Frage seiner Zukunft die Welt beschäftigt. Konrad II. erntete hier nur, was sein Vor- gänger durch Verträge vorbereitet hatte. Aber wenn Heinrich II. als der nächste Verwandte Rudolfs unzweifelhaft die begründetsten Ansprüche hatte geltend machen können, so war es doch selbst nach erlangter Zustimmung Rudolfs (1027) sehr fraglich, ob Konrad, der privatrechtlich hinter andern Bewerbern zurückstand, seine neue staatsrechliche Auffassung, nach der er als Nachfolger in alle An- sprüche des Vorgängers eingetreten sei, zur Anerkennung bringen würde. Der eine jener Bewerber, Ernst von Schwaben, war indes zur Zeit der Entscheidung bereits verstorben, der andere, Graf Odo von Champagne, mußte seinen kriegerischen Widerstand vor der Übermacht des Kaisers bald genug aufgeben (1034). Was bedeutete diese Angliederung eines dritten Reiches für das Imperium? Eine wirkliche Herrschaftserweiterung allerdings nur in den Landen, in welchen allein das schwache Königtum Rudolfs noch Geltung gehabt hatte, in den wenigstens teilweise germanischen Gebieten der heutigen französischen Schweiz, — ein Zuwachs, der im wirtschaftlichen, wie nationalen Interesse unbedingt erfreulich war. Politisch aber war auch die lockere Angliederung der übrigen halb- selbständigen Teile an das Reich wertvoll genug. Denn sie be- deutete nach dieser Seite eine Eindämmung der Machtentwickelung Frankreichs, seine Absperrung von Italien, wohin vorher und wieder seit dem Verfall der burgundischen Reichsoberherrschaft im drei- zehnten Jahrhundert französische Eroberungsgelüste zielten, und also eine Befestigung des italischen Besitzes, für die auch die Gewinnung

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/20>, abgerufen am 18.04.2024.