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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 1. Konrad II. (1024-1039).
der westlichen Alpenpässe belangreich war. Die mitteleuropäische
Länderverbindung, die auf zwei weitere Jahrhunderte den Deutschen
die Führerstellung in Europa sicherte, wurde erst jetzt vollendet.
In kultureller Hinsicht endlich war es von hoher, aber freilich auch
zweischneidiger Bedeutung, daß die politische Angliederung dieser
Hauptwirkungstätten der kirchlichen Reformpartei deren Einfluß
auf das Reich ungemein verstärken mußte.

Für die Gefahren, die da in einer allerdings noch fernen
Zukunft der Staatsgewalt drohten, war Konrad blind, und diese
Verkennung bildete den einzigen schwachen Punkt seiner Politik.
Er kannte seine fast schrankenlose Macht über die Kirche und
unterschätzte daher die Kraft ideeller Strömungen. Indem er auf
der einen Seite den Dingen achtlos ihren Lauf ließ und dem
weiteren Vordringen der Reformer im Reiche nicht entgegentrat,
duldete er auf der andern Seite, insbesondere in Rom die schand-
barsten Mißstände, weil sich von solchem Hintergrunde das kaiser-
liche Ansehen nur um so glänzender abhob. So wuchs das Miß-
verhältnis zwischen Forderungen und Wirklichkeit zu bedenklicher
Spannung.

Das Papsttum aus dem Hause der Grafen von Tuskulum war
nach einer zeitweiligen Hebung durch den Reformeinfluß Heinrichs II.
und die staatsmännische Energie Benedikt VIII. mit beider Tode
(1024) in Nichtigkeit und Verworfenheit zurückgesunken. Von der
Begründung des mittelalterlich-deutschen Kaisertums durch Otto d. Gr.
bis zu seinem Untergang hat die päpstliche Würde niemals so tief
an Einfluß und Geltung gestanden, wie damals. Johann XIX.,
ebenso ungeistlich wie sein Bruder Benedikt, aber ohne dessen
Bedeutung, übertrug Konrad auf dessen erstem Romzuge (1027)
die Kaiserkrone, um hinfort neben ihm, der selbst die wichtigsten
kirchlichen Entscheidungen des Papstes mit vollendeter Rücksichts-
losigkeit umstieß, eine Rolle kläglichster Ohnmacht zu spielen. Nach
ihm (+ 1033) zog dann der noch unmündige, aber frühverdorbene
Knabe Benedikt IX. das Papsttum völlig in den Lasterpfuhl wie
zu den schlimmsten Zeiten unter Johann XII. hinab. Dem Kaiser
war auch das willkommen. Wie er in die Rechtsverhältnisse der
Stadt Rom selbstherrlich eingriff, so ließ er den päpstlichen Statisten,
ganz wie einen seiner Beamten, an seinen Hof kommen, sobald er
seines Namens etwa zur Ordnung der lombardischen Angelegen-
heiten bedurfte. Denn die dortigen sozialen Streitigkeiten machten
ihm in Italien weitaus am meisten zu schaffen.

Ganz wie in Deutschland knüpfte Konrad auch hier zunächst
an die Überlieferungen der Politik Heinrichs II. an, wenn er auch
nicht wie dieser an eine besondere italische Königswahl dachte, sondern

§ 1. Konrad II. (1024‒1039).
der westlichen Alpenpässe belangreich war. Die mitteleuropäische
Länderverbindung, die auf zwei weitere Jahrhunderte den Deutschen
die Führerstellung in Europa sicherte, wurde erst jetzt vollendet.
In kultureller Hinsicht endlich war es von hoher, aber freilich auch
zweischneidiger Bedeutung, daß die politische Angliederung dieser
Hauptwirkungstätten der kirchlichen Reformpartei deren Einfluß
auf das Reich ungemein verstärken mußte.

Für die Gefahren, die da in einer allerdings noch fernen
Zukunft der Staatsgewalt drohten, war Konrad blind, und diese
Verkennung bildete den einzigen schwachen Punkt seiner Politik.
Er kannte seine fast schrankenlose Macht über die Kirche und
unterschätzte daher die Kraft ideeller Strömungen. Indem er auf
der einen Seite den Dingen achtlos ihren Lauf ließ und dem
weiteren Vordringen der Reformer im Reiche nicht entgegentrat,
duldete er auf der andern Seite, insbesondere in Rom die schand-
barsten Mißstände, weil sich von solchem Hintergrunde das kaiser-
liche Ansehen nur um so glänzender abhob. So wuchs das Miß-
verhältnis zwischen Forderungen und Wirklichkeit zu bedenklicher
Spannung.

Das Papsttum aus dem Hause der Grafen von Tuskulum war
nach einer zeitweiligen Hebung durch den Reformeinfluß Heinrichs II.
und die staatsmännische Energie Benedikt VIII. mit beider Tode
(1024) in Nichtigkeit und Verworfenheit zurückgesunken. Von der
Begründung des mittelalterlich-deutschen Kaisertums durch Otto d. Gr.
bis zu seinem Untergang hat die päpstliche Würde niemals so tief
an Einfluß und Geltung gestanden, wie damals. Johann XIX.,
ebenso ungeistlich wie sein Bruder Benedikt, aber ohne dessen
Bedeutung, übertrug Konrad auf dessen erstem Romzuge (1027)
die Kaiserkrone, um hinfort neben ihm, der selbst die wichtigsten
kirchlichen Entscheidungen des Papstes mit vollendeter Rücksichts-
losigkeit umstieß, eine Rolle kläglichster Ohnmacht zu spielen. Nach
ihm († 1033) zog dann der noch unmündige, aber frühverdorbene
Knabe Benedikt IX. das Papsttum völlig in den Lasterpfuhl wie
zu den schlimmsten Zeiten unter Johann XII. hinab. Dem Kaiser
war auch das willkommen. Wie er in die Rechtsverhältnisse der
Stadt Rom selbstherrlich eingriff, so ließ er den päpstlichen Statisten,
ganz wie einen seiner Beamten, an seinen Hof kommen, sobald er
seines Namens etwa zur Ordnung der lombardischen Angelegen-
heiten bedurfte. Denn die dortigen sozialen Streitigkeiten machten
ihm in Italien weitaus am meisten zu schaffen.

Ganz wie in Deutschland knüpfte Konrad auch hier zunächst
an die Überlieferungen der Politik Heinrichs II. an, wenn er auch
nicht wie dieser an eine besondere italische Königswahl dachte, sondern

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[13/0021] § 1. Konrad II. (1024‒1039). der westlichen Alpenpässe belangreich war. Die mitteleuropäische Länderverbindung, die auf zwei weitere Jahrhunderte den Deutschen die Führerstellung in Europa sicherte, wurde erst jetzt vollendet. In kultureller Hinsicht endlich war es von hoher, aber freilich auch zweischneidiger Bedeutung, daß die politische Angliederung dieser Hauptwirkungstätten der kirchlichen Reformpartei deren Einfluß auf das Reich ungemein verstärken mußte. Für die Gefahren, die da in einer allerdings noch fernen Zukunft der Staatsgewalt drohten, war Konrad blind, und diese Verkennung bildete den einzigen schwachen Punkt seiner Politik. Er kannte seine fast schrankenlose Macht über die Kirche und unterschätzte daher die Kraft ideeller Strömungen. Indem er auf der einen Seite den Dingen achtlos ihren Lauf ließ und dem weiteren Vordringen der Reformer im Reiche nicht entgegentrat, duldete er auf der andern Seite, insbesondere in Rom die schand- barsten Mißstände, weil sich von solchem Hintergrunde das kaiser- liche Ansehen nur um so glänzender abhob. So wuchs das Miß- verhältnis zwischen Forderungen und Wirklichkeit zu bedenklicher Spannung. Das Papsttum aus dem Hause der Grafen von Tuskulum war nach einer zeitweiligen Hebung durch den Reformeinfluß Heinrichs II. und die staatsmännische Energie Benedikt VIII. mit beider Tode (1024) in Nichtigkeit und Verworfenheit zurückgesunken. Von der Begründung des mittelalterlich-deutschen Kaisertums durch Otto d. Gr. bis zu seinem Untergang hat die päpstliche Würde niemals so tief an Einfluß und Geltung gestanden, wie damals. Johann XIX., ebenso ungeistlich wie sein Bruder Benedikt, aber ohne dessen Bedeutung, übertrug Konrad auf dessen erstem Romzuge (1027) die Kaiserkrone, um hinfort neben ihm, der selbst die wichtigsten kirchlichen Entscheidungen des Papstes mit vollendeter Rücksichts- losigkeit umstieß, eine Rolle kläglichster Ohnmacht zu spielen. Nach ihm († 1033) zog dann der noch unmündige, aber frühverdorbene Knabe Benedikt IX. das Papsttum völlig in den Lasterpfuhl wie zu den schlimmsten Zeiten unter Johann XII. hinab. Dem Kaiser war auch das willkommen. Wie er in die Rechtsverhältnisse der Stadt Rom selbstherrlich eingriff, so ließ er den päpstlichen Statisten, ganz wie einen seiner Beamten, an seinen Hof kommen, sobald er seines Namens etwa zur Ordnung der lombardischen Angelegen- heiten bedurfte. Denn die dortigen sozialen Streitigkeiten machten ihm in Italien weitaus am meisten zu schaffen. Ganz wie in Deutschland knüpfte Konrad auch hier zunächst an die Überlieferungen der Politik Heinrichs II. an, wenn er auch nicht wie dieser an eine besondere italische Königswahl dachte, sondern

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/21>, abgerufen am 29.03.2024.