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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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I. Die Zeit der Salier.

Noch kam es ihm selbst wohl kaum zum Bewußtsein, in
welchem inneren Widerspruche diese seine ganze Rechtsstellung zu
den letzten Forderungen kirchlicher Freiheit stand; und doch
drangen aus den Reihen der Reformer gelegentlich schon vernehm-
liche Äußerungen an sein Ohr, die eine Trennung von Geistlichem
und Weltlichem begehrten. "Dem Papste sind wir Gehorsam, Euch
Treue schuldig; Euch haben wir über das Weltliche, jenem über
das Geistliche Rechenschaft zu geben", mit diesen Worten bestritt
Bischof Wazo von Lüttich dem Könige das Recht, einen italieni-
schen Erzbischof nach dem Spruche einer deutschen Synode ab-
zusetzen, und wahrte es ausdrücklich dem Papste (1046). Ein
andres Mal trat in einer stolzen Antwort desselben Bischofs an
den König die hierarchische Überhebung schon deutlich genug zu
Tage: "Zwischen der priesterlichen Weihe und derjenigen, die Ihr
empfangen habt, besteht ein großer Unterschied; die unsrige ist
lebenspendend, die eurige hat den Tod im Gefolge, und je größer
der Vorzug ist, den das Leben vor dem Tode hat, umso höher
ist unsere Weihe erhaben über der eurigen."

In demselben Jahre weigerte sich der neuerwählte Erzbischof
Halinard von Lyon als Mönch, dem Könige den Treueid zu leisten.
Lockerte dieser, als er nachgab, nicht schon das Band der Beamten-
abhängigkeit? Es war der große Lebensirrtum Heinrichs III., daß er
glaubte, die Kirche im Sinne der Reformpartei umgestalten und doch
die alte Herrschaft über sie behaupten zu können. Noch verhängnis-
voller trat dieser Irrtum in seinem Verhältnis zum Papsttum hervor.

In Rom herrschten seit 1044 die wirrsten Zustände.1) Der
Streit der Adelsparteien hatte zu einem Schisma geführt. Der
junge, sittenlose Tuskulaner Benedikt IX. war von den Creszen-
tiern verjagt; aber rückkehrend, behauptete er sich gegen den Gegen-
papst Silvester III., der sich in sein Bistum Sabina zurückzog. Die
Vorgänge verdarben Benedikt trotzdem die Lust am Amte, er ver-
kaufte es für tausend Pfund Silber an seinen Taufpaten, der sich
nun Gregor VI. nannte. Es war das ein frommer und unbeschol-
tener Mann, der indes die heimliche Simonie nicht scheute, um
die Reformpartei, die ihn unterstützte, erst einmal an das Ruder
zu bringen. Im allgemeinen wußte er sich durchzusetzen. Hatte
auch der Gegenpapst Silvester kaum ausdrücklich verzichtet, so
kann man zum mindesten von einem dreiköpfigen Papsttum doch
nicht reden, und Gregor VI. hätte mit Unterstützung des deutschen
Königs unzweifelhaft die allgemeine Anerkennung erlangt.

1) Vgl. für das Folgende Hedwig Kromayer, Hist. Vierteljahrschr. 10
(1907).
I. Die Zeit der Salier.

Noch kam es ihm selbst wohl kaum zum Bewußtsein, in
welchem inneren Widerspruche diese seine ganze Rechtsstellung zu
den letzten Forderungen kirchlicher Freiheit stand; und doch
drangen aus den Reihen der Reformer gelegentlich schon vernehm-
liche Äußerungen an sein Ohr, die eine Trennung von Geistlichem
und Weltlichem begehrten. „Dem Papste sind wir Gehorsam, Euch
Treue schuldig; Euch haben wir über das Weltliche, jenem über
das Geistliche Rechenschaft zu geben“, mit diesen Worten bestritt
Bischof Wazo von Lüttich dem Könige das Recht, einen italieni-
schen Erzbischof nach dem Spruche einer deutschen Synode ab-
zusetzen, und wahrte es ausdrücklich dem Papste (1046). Ein
andres Mal trat in einer stolzen Antwort desselben Bischofs an
den König die hierarchische Überhebung schon deutlich genug zu
Tage: „Zwischen der priesterlichen Weihe und derjenigen, die Ihr
empfangen habt, besteht ein großer Unterschied; die unsrige ist
lebenspendend, die eurige hat den Tod im Gefolge, und je größer
der Vorzug ist, den das Leben vor dem Tode hat, umso höher
ist unsere Weihe erhaben über der eurigen.“

In demselben Jahre weigerte sich der neuerwählte Erzbischof
Halinard von Lyon als Mönch, dem Könige den Treueid zu leisten.
Lockerte dieser, als er nachgab, nicht schon das Band der Beamten-
abhängigkeit? Es war der große Lebensirrtum Heinrichs III., daß er
glaubte, die Kirche im Sinne der Reformpartei umgestalten und doch
die alte Herrschaft über sie behaupten zu können. Noch verhängnis-
voller trat dieser Irrtum in seinem Verhältnis zum Papsttum hervor.

In Rom herrschten seit 1044 die wirrsten Zustände.1) Der
Streit der Adelsparteien hatte zu einem Schisma geführt. Der
junge, sittenlose Tuskulaner Benedikt IX. war von den Creszen-
tiern verjagt; aber rückkehrend, behauptete er sich gegen den Gegen-
papst Silvester III., der sich in sein Bistum Sabina zurückzog. Die
Vorgänge verdarben Benedikt trotzdem die Lust am Amte, er ver-
kaufte es für tausend Pfund Silber an seinen Taufpaten, der sich
nun Gregor VI. nannte. Es war das ein frommer und unbeschol-
tener Mann, der indes die heimliche Simonie nicht scheute, um
die Reformpartei, die ihn unterstützte, erst einmal an das Ruder
zu bringen. Im allgemeinen wußte er sich durchzusetzen. Hatte
auch der Gegenpapst Silvester kaum ausdrücklich verzichtet, so
kann man zum mindesten von einem dreiköpfigen Papsttum doch
nicht reden, und Gregor VI. hätte mit Unterstützung des deutschen
Königs unzweifelhaft die allgemeine Anerkennung erlangt.

1) Vgl. für das Folgende Hedwig Kromayer, Hist. Vierteljahrschr. 10
(1907).
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[20/0028] I. Die Zeit der Salier. Noch kam es ihm selbst wohl kaum zum Bewußtsein, in welchem inneren Widerspruche diese seine ganze Rechtsstellung zu den letzten Forderungen kirchlicher Freiheit stand; und doch drangen aus den Reihen der Reformer gelegentlich schon vernehm- liche Äußerungen an sein Ohr, die eine Trennung von Geistlichem und Weltlichem begehrten. „Dem Papste sind wir Gehorsam, Euch Treue schuldig; Euch haben wir über das Weltliche, jenem über das Geistliche Rechenschaft zu geben“, mit diesen Worten bestritt Bischof Wazo von Lüttich dem Könige das Recht, einen italieni- schen Erzbischof nach dem Spruche einer deutschen Synode ab- zusetzen, und wahrte es ausdrücklich dem Papste (1046). Ein andres Mal trat in einer stolzen Antwort desselben Bischofs an den König die hierarchische Überhebung schon deutlich genug zu Tage: „Zwischen der priesterlichen Weihe und derjenigen, die Ihr empfangen habt, besteht ein großer Unterschied; die unsrige ist lebenspendend, die eurige hat den Tod im Gefolge, und je größer der Vorzug ist, den das Leben vor dem Tode hat, umso höher ist unsere Weihe erhaben über der eurigen.“ In demselben Jahre weigerte sich der neuerwählte Erzbischof Halinard von Lyon als Mönch, dem Könige den Treueid zu leisten. Lockerte dieser, als er nachgab, nicht schon das Band der Beamten- abhängigkeit? Es war der große Lebensirrtum Heinrichs III., daß er glaubte, die Kirche im Sinne der Reformpartei umgestalten und doch die alte Herrschaft über sie behaupten zu können. Noch verhängnis- voller trat dieser Irrtum in seinem Verhältnis zum Papsttum hervor. In Rom herrschten seit 1044 die wirrsten Zustände. 1) Der Streit der Adelsparteien hatte zu einem Schisma geführt. Der junge, sittenlose Tuskulaner Benedikt IX. war von den Creszen- tiern verjagt; aber rückkehrend, behauptete er sich gegen den Gegen- papst Silvester III., der sich in sein Bistum Sabina zurückzog. Die Vorgänge verdarben Benedikt trotzdem die Lust am Amte, er ver- kaufte es für tausend Pfund Silber an seinen Taufpaten, der sich nun Gregor VI. nannte. Es war das ein frommer und unbeschol- tener Mann, der indes die heimliche Simonie nicht scheute, um die Reformpartei, die ihn unterstützte, erst einmal an das Ruder zu bringen. Im allgemeinen wußte er sich durchzusetzen. Hatte auch der Gegenpapst Silvester kaum ausdrücklich verzichtet, so kann man zum mindesten von einem dreiköpfigen Papsttum doch nicht reden, und Gregor VI. hätte mit Unterstützung des deutschen Königs unzweifelhaft die allgemeine Anerkennung erlangt. 1) Vgl. für das Folgende Hedwig Kromayer, Hist. Vierteljahrschr. 10 (1907).

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/28>, abgerufen am 24.04.2024.