Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Die Zeit der Salier.
haber suchte man durch eine Hochverratsanklage zu vernichten.
Als Otto, offenbar unschuldig, sich durch Meidung des gerichtlichen
Zweikampfes formell ins Unrecht setzte, wußte Heinrich, der in
die Intrigue persönlich vielleicht nicht eingeweiht war, diese Lage
geschickt zu seinem Sturze auszunutzen und trotz heftiger Gegen-
wehr und der Verbindung mit Magnus, dem Sohne des Sachsen-
herzogs Ordulf, seine Unterwerfung zu erzwingen (1071). Otto
büßte dabei umfangreiche Güter in Sachsen und sein Herzogtum
Bayern ein, das vom König alsbald an Welf IV., den Begründer
der jüngeren, von dem Italiener Azzo II. von Este abstammenden,
mit der älteren nur durch weibliche Verwandtschaft verknüpften
Welfenlinie, verliehen wurde.

Der Sturz Ottos von Nordheim war der erste Schritt zu einer
Ausdehnung des auf die alten ottonischen Hausgüter zurückgehen-
den Königsbesitzes in Sachsen. Weitere Maßnahmen schlossen sich
zu einem förmlichen System zusammen. Heinrichs Ziel war, durch
Ausbreitung und Abrundung des Domanialbesitzes zwischen Harz
und Thüringerwald dem Königtum eine starke wirtschaftliche Grund-
lage zu verschaffen, die es der Fürstenwillkür unabhängiger gegen-
übergestellt haben würde und für Deutschland eine Bedeutung
hätte gewinnen können, wie später für Frankreich die Isle de
France. Die Art, wie er dies Ziel zu erreichen suchte, erinnert
lebhaft an die Restitutionspolitik des in ähnlicher Lage befindlichen
jungen Friedrich II. in Sizilien. Es war ein Kampf gegen die
Usurpationen der letzten Zeit, durchgeführt mit allen Rechtsmitteln,
mit Nichtbeachtung des dem sächsischen Stamme seit Heinrich II.
zugestandenen Sonderrechts, welches u. a. durch das den Sachsen
fremde Inquisitionsverfahren des Königsgerichts mit seinem vom
Richter geleiteten, Eideshelfer und Zweikampf ausschließenden
Zeugenbeweis durchbrochen wurde. Ein umfassender Burgenbau,
zu dem die Anwohner herangezogen wurden, und starke Besatz-
ungen meist schwäbischer Dienstmannen sollten die neuen, durch
Konfiskationen von Gütern aufständischer Großen vermehrten
Gebietserwerbungen sichern. Ein großer und kühner Plan,
dessen überstürzte und gewaltsame Durchführung indes lebhaften
Widerstand wecken mußte! Indem Güter und Mannen, die
durch Usurpation frei geworden waren, in die Abhängigkeit
zurückversetzt wurden, schien allen Sachsen Knechtschaft zu
drohen, ihr Sonderrecht war verletzt, nach dem Tode des Herzogs
Ordulf (1072) gar ihre politische Stammesselbständigkeit bedroht,
als der König zögerte, seinen Nachfolger Magnus aus der Haft
zu entlassen, in die er durch seine Unterstützung Ottos von
Nordheim geraten war. Der allgemeine Unwille führte zu dem

I. Die Zeit der Salier.
haber suchte man durch eine Hochverratsanklage zu vernichten.
Als Otto, offenbar unschuldig, sich durch Meidung des gerichtlichen
Zweikampfes formell ins Unrecht setzte, wußte Heinrich, der in
die Intrigue persönlich vielleicht nicht eingeweiht war, diese Lage
geschickt zu seinem Sturze auszunutzen und trotz heftiger Gegen-
wehr und der Verbindung mit Magnus, dem Sohne des Sachsen-
herzogs Ordulf, seine Unterwerfung zu erzwingen (1071). Otto
büßte dabei umfangreiche Güter in Sachsen und sein Herzogtum
Bayern ein, das vom König alsbald an Welf IV., den Begründer
der jüngeren, von dem Italiener Azzo II. von Este abstammenden,
mit der älteren nur durch weibliche Verwandtschaft verknüpften
Welfenlinie, verliehen wurde.

Der Sturz Ottos von Nordheim war der erste Schritt zu einer
Ausdehnung des auf die alten ottonischen Hausgüter zurückgehen-
den Königsbesitzes in Sachsen. Weitere Maßnahmen schlossen sich
zu einem förmlichen System zusammen. Heinrichs Ziel war, durch
Ausbreitung und Abrundung des Domanialbesitzes zwischen Harz
und Thüringerwald dem Königtum eine starke wirtschaftliche Grund-
lage zu verschaffen, die es der Fürstenwillkür unabhängiger gegen-
übergestellt haben würde und für Deutschland eine Bedeutung
hätte gewinnen können, wie später für Frankreich die Isle de
France. Die Art, wie er dies Ziel zu erreichen suchte, erinnert
lebhaft an die Restitutionspolitik des in ähnlicher Lage befindlichen
jungen Friedrich II. in Sizilien. Es war ein Kampf gegen die
Usurpationen der letzten Zeit, durchgeführt mit allen Rechtsmitteln,
mit Nichtbeachtung des dem sächsischen Stamme seit Heinrich II.
zugestandenen Sonderrechts, welches u. a. durch das den Sachsen
fremde Inquisitionsverfahren des Königsgerichts mit seinem vom
Richter geleiteten, Eideshelfer und Zweikampf ausschließenden
Zeugenbeweis durchbrochen wurde. Ein umfassender Burgenbau,
zu dem die Anwohner herangezogen wurden, und starke Besatz-
ungen meist schwäbischer Dienstmannen sollten die neuen, durch
Konfiskationen von Gütern aufständischer Großen vermehrten
Gebietserwerbungen sichern. Ein großer und kühner Plan,
dessen überstürzte und gewaltsame Durchführung indes lebhaften
Widerstand wecken mußte! Indem Güter und Mannen, die
durch Usurpation frei geworden waren, in die Abhängigkeit
zurückversetzt wurden, schien allen Sachsen Knechtschaft zu
drohen, ihr Sonderrecht war verletzt, nach dem Tode des Herzogs
Ordulf (1072) gar ihre politische Stammesselbständigkeit bedroht,
als der König zögerte, seinen Nachfolger Magnus aus der Haft
zu entlassen, in die er durch seine Unterstützung Ottos von
Nordheim geraten war. Der allgemeine Unwille führte zu dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0048" n="40"/><fw place="top" type="header">I. Die Zeit der Salier.</fw><lb/>
haber suchte man durch eine Hochverratsanklage zu vernichten.<lb/>
Als Otto, offenbar unschuldig, sich durch Meidung des gerichtlichen<lb/>
Zweikampfes formell ins Unrecht setzte, wußte Heinrich, der in<lb/>
die Intrigue persönlich vielleicht nicht eingeweiht war, diese Lage<lb/>
geschickt zu seinem Sturze auszunutzen und trotz heftiger Gegen-<lb/>
wehr und der Verbindung mit Magnus, dem Sohne des Sachsen-<lb/>
herzogs Ordulf, seine Unterwerfung zu erzwingen (1071). Otto<lb/>
büßte dabei umfangreiche Güter in Sachsen und sein Herzogtum<lb/>
Bayern ein, das vom König alsbald an Welf IV., den Begründer<lb/>
der jüngeren, von dem Italiener Azzo II. von Este abstammenden,<lb/>
mit der älteren nur durch weibliche Verwandtschaft verknüpften<lb/>
Welfenlinie, verliehen wurde.</p><lb/>
          <p>Der Sturz Ottos von Nordheim war der erste Schritt zu einer<lb/>
Ausdehnung des auf die alten ottonischen Hausgüter zurückgehen-<lb/>
den Königsbesitzes in Sachsen. Weitere Maßnahmen schlossen sich<lb/>
zu einem förmlichen System zusammen. Heinrichs Ziel war, durch<lb/>
Ausbreitung und Abrundung des Domanialbesitzes zwischen Harz<lb/>
und Thüringerwald dem Königtum eine starke wirtschaftliche Grund-<lb/>
lage zu verschaffen, die es der Fürstenwillkür unabhängiger gegen-<lb/>
übergestellt haben würde und für Deutschland eine Bedeutung<lb/>
hätte gewinnen können, wie später für Frankreich die Isle de<lb/>
France. Die Art, wie er dies Ziel zu erreichen suchte, erinnert<lb/>
lebhaft an die Restitutionspolitik des in ähnlicher Lage befindlichen<lb/>
jungen Friedrich II. in Sizilien. Es war ein Kampf gegen die<lb/>
Usurpationen der letzten Zeit, durchgeführt mit allen Rechtsmitteln,<lb/>
mit Nichtbeachtung des dem sächsischen Stamme seit Heinrich II.<lb/>
zugestandenen Sonderrechts, welches u. a. durch das den Sachsen<lb/>
fremde Inquisitionsverfahren des Königsgerichts mit seinem vom<lb/>
Richter geleiteten, Eideshelfer und Zweikampf ausschließenden<lb/>
Zeugenbeweis durchbrochen wurde. Ein umfassender Burgenbau,<lb/>
zu dem die Anwohner herangezogen wurden, und starke Besatz-<lb/>
ungen meist schwäbischer Dienstmannen sollten die neuen, durch<lb/>
Konfiskationen von Gütern aufständischer Großen vermehrten<lb/>
Gebietserwerbungen sichern. Ein großer und kühner Plan,<lb/>
dessen überstürzte und gewaltsame Durchführung indes lebhaften<lb/>
Widerstand wecken mußte! Indem Güter und Mannen, die<lb/>
durch Usurpation frei geworden waren, in die Abhängigkeit<lb/>
zurückversetzt wurden, schien allen Sachsen Knechtschaft zu<lb/>
drohen, ihr Sonderrecht war verletzt, nach dem Tode des Herzogs<lb/>
Ordulf (1072) gar ihre politische Stammesselbständigkeit bedroht,<lb/>
als der König zögerte, seinen Nachfolger Magnus aus der Haft<lb/>
zu entlassen, in die er durch seine Unterstützung Ottos von<lb/>
Nordheim geraten war. Der allgemeine Unwille führte zu dem<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0048] I. Die Zeit der Salier. haber suchte man durch eine Hochverratsanklage zu vernichten. Als Otto, offenbar unschuldig, sich durch Meidung des gerichtlichen Zweikampfes formell ins Unrecht setzte, wußte Heinrich, der in die Intrigue persönlich vielleicht nicht eingeweiht war, diese Lage geschickt zu seinem Sturze auszunutzen und trotz heftiger Gegen- wehr und der Verbindung mit Magnus, dem Sohne des Sachsen- herzogs Ordulf, seine Unterwerfung zu erzwingen (1071). Otto büßte dabei umfangreiche Güter in Sachsen und sein Herzogtum Bayern ein, das vom König alsbald an Welf IV., den Begründer der jüngeren, von dem Italiener Azzo II. von Este abstammenden, mit der älteren nur durch weibliche Verwandtschaft verknüpften Welfenlinie, verliehen wurde. Der Sturz Ottos von Nordheim war der erste Schritt zu einer Ausdehnung des auf die alten ottonischen Hausgüter zurückgehen- den Königsbesitzes in Sachsen. Weitere Maßnahmen schlossen sich zu einem förmlichen System zusammen. Heinrichs Ziel war, durch Ausbreitung und Abrundung des Domanialbesitzes zwischen Harz und Thüringerwald dem Königtum eine starke wirtschaftliche Grund- lage zu verschaffen, die es der Fürstenwillkür unabhängiger gegen- übergestellt haben würde und für Deutschland eine Bedeutung hätte gewinnen können, wie später für Frankreich die Isle de France. Die Art, wie er dies Ziel zu erreichen suchte, erinnert lebhaft an die Restitutionspolitik des in ähnlicher Lage befindlichen jungen Friedrich II. in Sizilien. Es war ein Kampf gegen die Usurpationen der letzten Zeit, durchgeführt mit allen Rechtsmitteln, mit Nichtbeachtung des dem sächsischen Stamme seit Heinrich II. zugestandenen Sonderrechts, welches u. a. durch das den Sachsen fremde Inquisitionsverfahren des Königsgerichts mit seinem vom Richter geleiteten, Eideshelfer und Zweikampf ausschließenden Zeugenbeweis durchbrochen wurde. Ein umfassender Burgenbau, zu dem die Anwohner herangezogen wurden, und starke Besatz- ungen meist schwäbischer Dienstmannen sollten die neuen, durch Konfiskationen von Gütern aufständischer Großen vermehrten Gebietserwerbungen sichern. Ein großer und kühner Plan, dessen überstürzte und gewaltsame Durchführung indes lebhaften Widerstand wecken mußte! Indem Güter und Mannen, die durch Usurpation frei geworden waren, in die Abhängigkeit zurückversetzt wurden, schien allen Sachsen Knechtschaft zu drohen, ihr Sonderrecht war verletzt, nach dem Tode des Herzogs Ordulf (1072) gar ihre politische Stammesselbständigkeit bedroht, als der König zögerte, seinen Nachfolger Magnus aus der Haft zu entlassen, in die er durch seine Unterstützung Ottos von Nordheim geraten war. Der allgemeine Unwille führte zu dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/48
Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/48>, abgerufen am 25.04.2024.