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Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731.

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weichung von demselben/ welchen
man ein böses Gewissen nennet
mit einer schmertzlichen Empfin-
dung des Gemühts verknüpffet
sey?

Erläuterung.

Die hierin enthaltene Warheit kan nicht an-
ders als aus der Erfahrung erkannt werden/ und
es wird nur eine kleine Aufmercksamkeit dazu er-
fordert/ daß wir solche bemercken mögen. Wir
werden diese Wirckungen unserer guten und bö-
sen Thaten an uns und andern also wahrnehmen/
wie solche von andern Leuten zu allen Zeiten sind
erkannt worden. Es könte hievon eine grosse
Anzahl Zeugnüsse heydnischer Poeten und Welt-
weisen angeführet werden/ wenn es unser Zweck
wäre/ den Leser mit Weitläuftigkeiten aufzu-
halten. Jn Dingen/ davon unsere eigene Er-
fahrung uns kan gewis machen/ können wir
fremder Zeugnüsse leicht entbehren. Wie man
sich auch nicht daran zu kehren hat/ wenn gleich
einer oder der andere wollte die Stiche des Ge-
wissens leugnen/ oder sich mercken lassen/ als wenn
man solche niemahls gefühlet hätte. Es wäre
eine Einfallt/ seinen eigenen Empfindungen we-
niger zu trauen/ als solchen Leuten. Man
weiß ja zur Gnüge/ wie geneigt die Menschen
sind/ nicht nur andere/ sondern auch sich selbst zu

be-


weichung von demſelben/ welchen
man ein boͤſes Gewiſſen nennet
mit einer ſchmertzlichen Empfin-
dung des Gemuͤhts verknuͤpffet
ſey?

Erlaͤuterung.

Die hierin enthaltene Warheit kan nicht an-
ders als aus der Erfahrung erkannt werden/ und
es wird nur eine kleine Aufmerckſamkeit dazu er-
fordert/ daß wir ſolche bemercken moͤgen. Wir
werden dieſe Wirckungen unſerer guten und boͤ-
ſen Thaten an uns und andern alſo wahrnehmen/
wie ſolche von andern Leuten zu allen Zeiten ſind
erkannt worden. Es koͤnte hievon eine groſſe
Anzahl Zeugnuͤſſe heydniſcher Poeten und Welt-
weiſen angefuͤhret werden/ wenn es unſer Zweck
waͤre/ den Leſer mit Weitlaͤuftigkeiten aufzu-
halten. Jn Dingen/ davon unſere eigene Er-
fahrung uns kan gewis machen/ koͤnnen wir
fremder Zeugnuͤſſe leicht entbehren. Wie man
ſich auch nicht daran zu kehren hat/ wenn gleich
einer oder der andere wollte die Stiche des Ge-
wiſſens leugnen/ oder ſich mercken laſſen/ als wenn
man ſolche niemahls gefuͤhlet haͤtte. Es waͤre
eine Einfallt/ ſeinen eigenen Empfindungen we-
niger zu trauen/ als ſolchen Leuten. Man
weiß ja zur Gnuͤge/ wie geneigt die Menſchen
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[54/0106] weichung von demſelben/ welchen man ein boͤſes Gewiſſen nennet mit einer ſchmertzlichen Empfin- dung des Gemuͤhts verknuͤpffet ſey? Erlaͤuterung. Die hierin enthaltene Warheit kan nicht an- ders als aus der Erfahrung erkannt werden/ und es wird nur eine kleine Aufmerckſamkeit dazu er- fordert/ daß wir ſolche bemercken moͤgen. Wir werden dieſe Wirckungen unſerer guten und boͤ- ſen Thaten an uns und andern alſo wahrnehmen/ wie ſolche von andern Leuten zu allen Zeiten ſind erkannt worden. Es koͤnte hievon eine groſſe Anzahl Zeugnuͤſſe heydniſcher Poeten und Welt- weiſen angefuͤhret werden/ wenn es unſer Zweck waͤre/ den Leſer mit Weitlaͤuftigkeiten aufzu- halten. Jn Dingen/ davon unſere eigene Er- fahrung uns kan gewis machen/ koͤnnen wir fremder Zeugnuͤſſe leicht entbehren. Wie man ſich auch nicht daran zu kehren hat/ wenn gleich einer oder der andere wollte die Stiche des Ge- wiſſens leugnen/ oder ſich mercken laſſen/ als wenn man ſolche niemahls gefuͤhlet haͤtte. Es waͤre eine Einfallt/ ſeinen eigenen Empfindungen we- niger zu trauen/ als ſolchen Leuten. Man weiß ja zur Gnuͤge/ wie geneigt die Menſchen ſind/ nicht nur andere/ ſondern auch ſich ſelbſt zu be-

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Zitationshilfe: Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731/106>, abgerufen am 25.04.2024.