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Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731.

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Erläuterung.

Was die Vernunft aus dem Begriff/ daß
GOtt das gute auf die vollenkommenste Art
wolle/ folgert/ das lehrt die Schrifft mit deut-
lichen Worten. Sie redet von seiner Liebe also/
daß man ihn als das höchste Gut und die Quelle
aller Seligkeit zu lieben/ sich verpflichtet erkennen
muß; sie redet aber auch solchergestalt von seiner Ge-
rechtigkeit/ daß man ihn als den allerernsthafftsten
Gesetzgeber zu fürchten Ursache hat. Sie leh-
ret/ daß die Lust und Begierde böses zu thun e-
ben so wohl als die That selbst verboten sey.
Rom. VII. 7. daß die Menschen nicht nur von ih-
ren Thaten; sondern von jeglichem unnützen
Wort sollen Rechenschaft geben. Math. XII. 36.
daß GOtt so gar den Raht der Hertzen werde
offenbahren. 1 Cor. IV. 5. Daß Er unsere Misse-
that für sich und unsere unerkannte Sünden ins
Licht für seinem Angesicht stelle. Psalm XC. 9. Es
wird also dem Begriffe/ welchen die Vernunft
sich von GOtt macht/ daß auf Ubertretung und
Sünde dessen Gericht und Straffe folge/ in der
Schrifft so gar nicht wiedersprochen/ daß viel-
mehr derselbe vergrössert und in völlige Klarheit
gesetzet wird. Sie redet eben so nachdrücklich
von dem Zorn GOttes als von seiner Liebe. Es
ist solchemnach ein Jrrthum/ wenn J. C. Dippel
meynet/ es sey die Beschreibung Johannis; daß
GOtt die Liebe sey/ in der Absicht auf die Crea-
turen die zulänglichste und vollenkommenste. vera

de-
E 3


Erlaͤuterung.

Was die Vernunft aus dem Begriff/ daß
GOtt das gute auf die vollenkommenſte Art
wolle/ folgert/ das lehrt die Schrifft mit deut-
lichen Worten. Sie redet von ſeiner Liebe alſo/
daß man ihn als das hoͤchſte Gut und die Quelle
aller Seligkeit zu lieben/ ſich verpflichtet erkennen
muß; ſie redet aber auch ſolchergeſtalt von ſeiner Ge-
rechtigkeit/ daß man ihn als den allerernſthafftſten
Geſetzgeber zu fuͤrchten Urſache hat. Sie leh-
ret/ daß die Luſt und Begierde boͤſes zu thun e-
ben ſo wohl als die That ſelbſt verboten ſey.
Rom. VII. 7. daß die Menſchen nicht nur von ih-
ren Thaten; ſondern von jeglichem unnuͤtzen
Wort ſollen Rechenſchaft geben. Math. XII. 36.
daß GOtt ſo gar den Raht der Hertzen werde
offenbahren. 1 Cor. IV. 5. Daß Er unſere Miſſe-
that fuͤr ſich und unſere unerkannte Suͤnden ins
Licht fuͤr ſeinem Angeſicht ſtelle. Pſalm XC. 9. Es
wird alſo dem Begriffe/ welchen die Vernunft
ſich von GOtt macht/ daß auf Ubertretung und
Suͤnde deſſen Gericht und Straffe folge/ in der
Schrifft ſo gar nicht wiederſprochen/ daß viel-
mehr derſelbe vergroͤſſert und in voͤllige Klarheit
geſetzet wird. Sie redet eben ſo nachdruͤcklich
von dem Zorn GOttes als von ſeiner Liebe. Es
iſt ſolchemnach ein Jrrthum/ wenn J. C. Dippel
meynet/ es ſey die Beſchreibung Johannis; daß
GOtt die Liebe ſey/ in der Abſicht auf die Crea-
turen die zulaͤnglichſte und vollenkommenſte. vera

de-
E 3
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[69/0121] Erlaͤuterung. Was die Vernunft aus dem Begriff/ daß GOtt das gute auf die vollenkommenſte Art wolle/ folgert/ das lehrt die Schrifft mit deut- lichen Worten. Sie redet von ſeiner Liebe alſo/ daß man ihn als das hoͤchſte Gut und die Quelle aller Seligkeit zu lieben/ ſich verpflichtet erkennen muß; ſie redet aber auch ſolchergeſtalt von ſeiner Ge- rechtigkeit/ daß man ihn als den allerernſthafftſten Geſetzgeber zu fuͤrchten Urſache hat. Sie leh- ret/ daß die Luſt und Begierde boͤſes zu thun e- ben ſo wohl als die That ſelbſt verboten ſey. Rom. VII. 7. daß die Menſchen nicht nur von ih- ren Thaten; ſondern von jeglichem unnuͤtzen Wort ſollen Rechenſchaft geben. Math. XII. 36. daß GOtt ſo gar den Raht der Hertzen werde offenbahren. 1 Cor. IV. 5. Daß Er unſere Miſſe- that fuͤr ſich und unſere unerkannte Suͤnden ins Licht fuͤr ſeinem Angeſicht ſtelle. Pſalm XC. 9. Es wird alſo dem Begriffe/ welchen die Vernunft ſich von GOtt macht/ daß auf Ubertretung und Suͤnde deſſen Gericht und Straffe folge/ in der Schrifft ſo gar nicht wiederſprochen/ daß viel- mehr derſelbe vergroͤſſert und in voͤllige Klarheit geſetzet wird. Sie redet eben ſo nachdruͤcklich von dem Zorn GOttes als von ſeiner Liebe. Es iſt ſolchemnach ein Jrrthum/ wenn J. C. Dippel meynet/ es ſey die Beſchreibung Johannis; daß GOtt die Liebe ſey/ in der Abſicht auf die Crea- turen die zulaͤnglichſte und vollenkommenſte. vera de- E 3

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Zitationshilfe: Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731/121>, abgerufen am 28.03.2024.