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Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731.

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das/ was also verlanget wird/ ohne Nachtheil
seiner Vollenkommenheit thun könne. Eine Lie-
be/ die GOtt bewegen soll/ etwas zu thun/ so
den Begriff/ daß er das gute ernstlich wolle/
zweiffelhafft und dunckel macht; kan man sich in
ihm nicht gedencken. Wer sich einbildet/ GOtt
werde vermöge seiner Liebe die lasterhafte Thaten
der Menschen/ so oft sie es nur begehren/ als nicht
geschehen ansehen; der eignet ihm einen solchen
Sinn zu/ welchen man sich in keinem irrdischen
Richter ohne dessen Nachtheil vorstellen kan. Judex
damnatur, cum reus absolvitur. P. Syr.
Die Lie-
be kan so wenig die Aeusserungen des göttlichen
Mißgefallens an dem Bösen aufhalten/ als wenig
sie kan machen/ daß geschehene Dinge ungeschehen
werden. Nach dem dieß in der Natur des Men-
schen gegründet/ daß er durch eine Bestimmung
seiner Handlungen nach dem göttlichen Gesetz
soll glücklich werden/ das ist/ zu dem Genuß seli-
ger Empfindungen gelangen; so ist es für sich klar/
daß die Liebe Gottes/ wenn sie wolte den Menschen/
der nicht dem Willen Gottes gemäß gewandelt/
bloß auf sein Verlangen und ohne Zwischenkunft
eines solchen Begriffs/ der ihm bey der Gnade den
göttlichen Ernst kund macht/ in einen seligen Zu-
stand setzen/ die gantze moralische Harmonie und
weise Ubereinstimmung der Dinge stören und zer-
nichten/ folglich eine unumgeschrenckte Gewalt zu
gebrauchen/ ihn bewegen müste. Also bleibt der Uber-
treter göttl. Gebote/ so lang ihm dieß Erkänntnüß

feh-



das/ was alſo verlanget wird/ ohne Nachtheil
ſeiner Vollenkommenheit thun koͤnne. Eine Lie-
be/ die GOtt bewegen ſoll/ etwas zu thun/ ſo
den Begriff/ daß er das gute ernſtlich wolle/
zweiffelhafft und dunckel macht; kan man ſich in
ihm nicht gedencken. Wer ſich einbildet/ GOtt
werde vermoͤge ſeiner Liebe die laſterhafte Thaten
der Menſchen/ ſo oft ſie es nur begehren/ als nicht
geſchehen anſehen; der eignet ihm einen ſolchen
Sinn zu/ welchen man ſich in keinem irrdiſchen
Richter ohne deſſen Nachtheil vorſtellen kan. Judex
damnatur, cum reus abſolvitur. P. Syr.
Die Lie-
be kan ſo wenig die Aeuſſerungen des goͤttlichen
Mißgefallens an dem Boͤſen aufhalten/ als wenig
ſie kan machen/ daß geſchehene Dinge ungeſchehen
werden. Nach dem dieß in der Natur des Men-
ſchen gegruͤndet/ daß er durch eine Beſtimmung
ſeiner Handlungen nach dem goͤttlichen Geſetz
ſoll gluͤcklich werden/ das iſt/ zu dem Genuß ſeli-
ger Empfindungen gelangen; ſo iſt es fuͤr ſich klar/
daß die Liebe Gottes/ wenn ſie wolte den Menſchen/
der nicht dem Willen Gottes gemaͤß gewandelt/
bloß auf ſein Verlangen und ohne Zwiſchenkunft
eines ſolchen Begriffs/ der ihm bey der Gnade den
goͤttlichen Ernſt kund macht/ in einen ſeligen Zu-
ſtand ſetzen/ die gantze moraliſche Harmonie und
weiſe Ubereinſtimmung der Dinge ſtoͤren und zer-
nichten/ folglich eine unumgeſchrenckte Gewalt zu
gebrauchẽ/ ihn bewegen muͤſte. Alſo bleibt der Uber-
treter goͤttl. Gebote/ ſo lang ihm dieß Erkaͤnntnuͤß

feh-
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[93/0145] das/ was alſo verlanget wird/ ohne Nachtheil ſeiner Vollenkommenheit thun koͤnne. Eine Lie- be/ die GOtt bewegen ſoll/ etwas zu thun/ ſo den Begriff/ daß er das gute ernſtlich wolle/ zweiffelhafft und dunckel macht; kan man ſich in ihm nicht gedencken. Wer ſich einbildet/ GOtt werde vermoͤge ſeiner Liebe die laſterhafte Thaten der Menſchen/ ſo oft ſie es nur begehren/ als nicht geſchehen anſehen; der eignet ihm einen ſolchen Sinn zu/ welchen man ſich in keinem irrdiſchen Richter ohne deſſen Nachtheil vorſtellen kan. Judex damnatur, cum reus abſolvitur. P. Syr. Die Lie- be kan ſo wenig die Aeuſſerungen des goͤttlichen Mißgefallens an dem Boͤſen aufhalten/ als wenig ſie kan machen/ daß geſchehene Dinge ungeſchehen werden. Nach dem dieß in der Natur des Men- ſchen gegruͤndet/ daß er durch eine Beſtimmung ſeiner Handlungen nach dem goͤttlichen Geſetz ſoll gluͤcklich werden/ das iſt/ zu dem Genuß ſeli- ger Empfindungen gelangen; ſo iſt es fuͤr ſich klar/ daß die Liebe Gottes/ wenn ſie wolte den Menſchen/ der nicht dem Willen Gottes gemaͤß gewandelt/ bloß auf ſein Verlangen und ohne Zwiſchenkunft eines ſolchen Begriffs/ der ihm bey der Gnade den goͤttlichen Ernſt kund macht/ in einen ſeligen Zu- ſtand ſetzen/ die gantze moraliſche Harmonie und weiſe Ubereinſtimmung der Dinge ſtoͤren und zer- nichten/ folglich eine unumgeſchrenckte Gewalt zu gebrauchẽ/ ihn bewegen muͤſte. Alſo bleibt der Uber- treter goͤttl. Gebote/ ſo lang ihm dieß Erkaͤnntnuͤß feh-

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Zitationshilfe: Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731/145>, abgerufen am 18.04.2024.