Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731.

Bild:
<< vorherige Seite



ders bedeuten/ als den Zorn und die Ungnade/ so
wir mit der Sünde verdienet/ abkehren und auf-
heben. Je mehr ich diese Zeug nüsse der Schrift
mit reiner Liebe zur Warheit erwege/ destoweni-
ger steht es in meiner Wahl/ zu zweifeln/ daß die
Vergebung der Sünden/ welche wir durch JE-
sum Christum haben/ nicht solte von denen Sün-
den zu verstehen seyn/ welche bereits begangen/ und
die ihre unselige Wirckung in der Seelen ausgelas-
sen. Wo also in denen vorangeführten Oertern
das Wort [fremdsprachliches Material - 2 Wörter fehlen] gebraucht wird/ da
deutet es allerdings eine Abschaffung und Tilgung
der Sünden an. J. C. Dippel widerspricht damit
nicht der Evangelischen Warheit (Verthädigung
verae demonstr. Evang. p. 177.) Dafernes aber heissen
soll: Christus setzet uns in den Stand/ daß wir
künftig nicht mehr sündigen/ (dahin wol freylich
die Dippelsche Gedancken gehen/ ob er sie gleich
nicht so deutlich ausgedruckt/) so sage ich offenbar/
daß solches unter denen vorangeführten Sprüchen
unmöglich könne verstanden werden. JEsus und
seine Apostel hätten gantz anders reden müssen/
wenn sie den Begriff der Welt hatten beybringen
wollen. Einem die Sünde vergeben/ und einem das
Vermögen schencken nicht mehr zu sündigen sind
zwey Redens-Arten/ die zwey weit von einander
unterschiedene Begriffe in der Seelen zeugen. Merck
hie den Grund/ mein Leser/ warum der boßhafte
Mann die Evangelische Lehrer Sünden-Evange-
listen nennet/ die einen solchen Christum predi-

gen/



ders bedeuten/ als den Zorn und die Ungnade/ ſo
wir mit der Suͤnde verdienet/ abkehren und auf-
heben. Je mehr ich dieſe Zeug nuͤſſe der Schrift
mit reiner Liebe zur Warheit erwege/ deſtoweni-
ger ſteht es in meiner Wahl/ zu zweifeln/ daß die
Vergebung der Suͤnden/ welche wir durch JE-
ſum Chriſtum haben/ nicht ſolte von denen Suͤn-
den zu verſtehen ſeyn/ welche bereits begangen/ und
die ihre unſelige Wirckung in der Seelen ausgelaſ-
ſen. Wo alſo in denen vorangefuͤhrten Oertern
das Wort [fremdsprachliches Material – 2 Wörter fehlen] gebraucht wird/ da
deutet es allerdings eine Abſchaffung und Tilgung
der Suͤnden an. J. C. Dippel widerſpricht damit
nicht der Evangeliſchen Warheit (Verthaͤdigung
veræ demonſtr. Evang. p. 177.) Dafernes aber heiſſen
ſoll: Chriſtus ſetzet uns in den Stand/ daß wir
kuͤnftig nicht mehr ſuͤndigen/ (dahin wol freylich
die Dippelſche Gedancken gehen/ ob er ſie gleich
nicht ſo deutlich ausgedruckt/) ſo ſage ich offenbar/
daß ſolches unter denen vorangefuͤhrten Spruͤchen
unmoͤglich koͤnne verſtanden werden. JEſus und
ſeine Apoſtel haͤtten gantz anders reden muͤſſen/
wenn ſie den Begriff der Welt hatten beybringen
wollen. Einem die Suͤnde vergeben/ und einem das
Vermoͤgen ſchencken nicht mehr zu ſündigen ſind
zwey Redens-Arten/ die zwey weit von einander
unterſchiedene Begriffe in der Seelen zeugen. Merck
hie den Grund/ mein Leſer/ warum der boßhafte
Mann die Evangeliſche Lehrer Suͤnden-Evange-
liſten nennet/ die einen ſolchen Chriſtum predi-

gen/
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0164" n="112"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ders bedeuten/ als den Zorn und die Ungnade/ &#x017F;o<lb/>
wir mit der Su&#x0364;nde verdienet/ abkehren und auf-<lb/>
heben. Je mehr ich die&#x017F;e Zeug nu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e der Schrift<lb/>
mit reiner Liebe zur Warheit erwege/ de&#x017F;toweni-<lb/>
ger &#x017F;teht es in meiner Wahl/ zu zweifeln/ daß die<lb/>
Vergebung der Su&#x0364;nden/ welche wir durch JE-<lb/>
&#x017F;um Chri&#x017F;tum haben/ nicht &#x017F;olte von denen Su&#x0364;n-<lb/>
den zu ver&#x017F;tehen &#x017F;eyn/ welche bereits begangen/ und<lb/>
die ihre un&#x017F;elige Wirckung in der Seelen ausgela&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en. Wo al&#x017F;o in denen vorangefu&#x0364;hrten Oertern<lb/>
das Wort <gap reason="fm" unit="words" quantity="2"/> gebraucht wird/ da<lb/>
deutet es allerdings eine Ab&#x017F;chaffung und Tilgung<lb/>
der Su&#x0364;nden an. <hi rendition="#aq">J. C. Dippel</hi> wider&#x017F;pricht damit<lb/>
nicht der Evangeli&#x017F;chen Warheit (Vertha&#x0364;digung<lb/><hi rendition="#aq">veræ demon&#x017F;tr. Evang. p.</hi> 177.) Dafernes aber hei&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;oll: Chri&#x017F;tus &#x017F;etzet uns in den Stand/ daß wir<lb/>
ku&#x0364;nftig nicht mehr &#x017F;u&#x0364;ndigen/ (dahin wol freylich<lb/>
die <hi rendition="#aq">Dippel</hi>&#x017F;che Gedancken gehen/ ob er &#x017F;ie gleich<lb/>
nicht &#x017F;o deutlich ausgedruckt/) &#x017F;o &#x017F;age ich offenbar/<lb/>
daß &#x017F;olches unter denen vorangefu&#x0364;hrten Spru&#x0364;chen<lb/>
unmo&#x0364;glich ko&#x0364;nne ver&#x017F;tanden werden. JE&#x017F;us und<lb/>
&#x017F;eine Apo&#x017F;tel ha&#x0364;tten gantz anders reden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
wenn &#x017F;ie den Begriff der Welt hatten beybringen<lb/>
wollen. Einem die Su&#x0364;nde vergeben/ und einem das<lb/>
Vermo&#x0364;gen &#x017F;chencken nicht mehr zu &#x017F;ündigen &#x017F;ind<lb/>
zwey Redens-Arten/ die zwey weit von einander<lb/>
unter&#x017F;chiedene Begriffe in der Seelen zeugen. Merck<lb/>
hie den Grund/ mein Le&#x017F;er/ warum der boßhafte<lb/>
Mann die Evangeli&#x017F;che Lehrer <hi rendition="#fr">Su&#x0364;nden-Evange-<lb/>
li&#x017F;ten nennet/ die einen &#x017F;olchen Chri&#x017F;tum predi-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">gen/</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0164] ders bedeuten/ als den Zorn und die Ungnade/ ſo wir mit der Suͤnde verdienet/ abkehren und auf- heben. Je mehr ich dieſe Zeug nuͤſſe der Schrift mit reiner Liebe zur Warheit erwege/ deſtoweni- ger ſteht es in meiner Wahl/ zu zweifeln/ daß die Vergebung der Suͤnden/ welche wir durch JE- ſum Chriſtum haben/ nicht ſolte von denen Suͤn- den zu verſtehen ſeyn/ welche bereits begangen/ und die ihre unſelige Wirckung in der Seelen ausgelaſ- ſen. Wo alſo in denen vorangefuͤhrten Oertern das Wort __ gebraucht wird/ da deutet es allerdings eine Abſchaffung und Tilgung der Suͤnden an. J. C. Dippel widerſpricht damit nicht der Evangeliſchen Warheit (Verthaͤdigung veræ demonſtr. Evang. p. 177.) Dafernes aber heiſſen ſoll: Chriſtus ſetzet uns in den Stand/ daß wir kuͤnftig nicht mehr ſuͤndigen/ (dahin wol freylich die Dippelſche Gedancken gehen/ ob er ſie gleich nicht ſo deutlich ausgedruckt/) ſo ſage ich offenbar/ daß ſolches unter denen vorangefuͤhrten Spruͤchen unmoͤglich koͤnne verſtanden werden. JEſus und ſeine Apoſtel haͤtten gantz anders reden muͤſſen/ wenn ſie den Begriff der Welt hatten beybringen wollen. Einem die Suͤnde vergeben/ und einem das Vermoͤgen ſchencken nicht mehr zu ſündigen ſind zwey Redens-Arten/ die zwey weit von einander unterſchiedene Begriffe in der Seelen zeugen. Merck hie den Grund/ mein Leſer/ warum der boßhafte Mann die Evangeliſche Lehrer Suͤnden-Evange- liſten nennet/ die einen ſolchen Chriſtum predi- gen/

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731/164
Zitationshilfe: Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731/164>, abgerufen am 19.04.2024.