Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731.

Bild:
<< vorherige Seite


(quaest. 5.) seine Kraft und Neigung
zu wircken nicht in andern Wesen/
die ausser ihm sind und welche wir
Geschöpffe nennen/ müsse ihr Ziel
finden?

Erläuterung.

Weil in GOtt alles auf die vollenkommen-
ste Art ist/ so muß auch alles bey ihm in der vol-
lenkommensten Wirckung seyn. Sein Verstand
hat also ein einschauendes und/ daß ich/ um mich
recht zu erklären/ so reden möge/ ein völlig-aus-
gewickeltes Erkänntnüs: Er erkennet alles/ was
seiner Natur nach erkannt werden kan/ es sey in der
Reihe der möglichen oder der würcklichen Warhei-
ten: oder wie der sel. Hr. von Leibnitz es ausdruckt:
er erkennet alle mögliche Welten. Sein Wille
neiget ihn/ demjenigen/ was er der Existentz fähig
zu seyn erkannt hat/ dieselbe in der Ubereinstim-
mung mit der von ihm erkannten besten Ordnung
zu geben: und da es ihm an Macht nicht fehlen
kan/ so muß es auch zu seiner Zeit die Würcklich-
keit erreichen. Also folget aus dem Begriff von
denen göttlichen Vollenkommenheiten/ daß in ihm
eine immerwährende Neigung sey zu wircken/ wel-
che sich nach der Fähigkeit der Creaturen äussert
und die Würcklichkeit erreichet. Epicurus hat
dieses der Gottheit absprechen wollen/ und zwar
deswegen/ weil er eine solche Beschäfftigung mit

dem


(quæſt. 5.) ſeine Kraft und Neigung
zu wircken nicht in andern Weſen/
die auſſer ihm ſind und welche wir
Geſchoͤpffe nennen/ muͤſſe ihr Ziel
finden?

Erlaͤuterung.

Weil in GOtt alles auf die vollenkommen-
ſte Art iſt/ ſo muß auch alles bey ihm in der vol-
lenkommenſten Wirckung ſeyn. Sein Verſtand
hat alſo ein einſchauendes und/ daß ich/ um mich
recht zu erklaͤren/ ſo reden moͤge/ ein voͤllig-aus-
gewickeltes Erkaͤnntnuͤs: Er erkennet alles/ was
ſeiner Natur nach erkannt werden kan/ es ſey in der
Reihe der moͤglichen oder der wuͤrcklichen Warhei-
ten: oder wie der ſel. Hr. von Leibnitz es ausdruckt:
er erkennet alle moͤgliche Welten. Sein Wille
neiget ihn/ demjenigen/ was er der Exiſtentz faͤhig
zu ſeyn erkannt hat/ dieſelbe in der Ubereinſtim-
mung mit der von ihm erkannten beſten Ordnung
zu geben: und da es ihm an Macht nicht fehlen
kan/ ſo muß es auch zu ſeiner Zeit die Wuͤrcklich-
keit erreichen. Alſo folget aus dem Begriff von
denen goͤttlichen Vollenkommenheiten/ daß in ihm
eine immerwaͤhrende Neigung ſey zu wircken/ wel-
che ſich nach der Faͤhigkeit der Creaturen aͤuſſert
und die Wuͤrcklichkeit erreichet. Epicurus hat
dieſes der Gottheit abſprechen wollen/ und zwar
deswegen/ weil er eine ſolche Beſchaͤfftigung mit

dem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <head><pb facs="#f0060" n="8"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
(<hi rendition="#aq">quæ&#x017F;t.</hi> 5.) <hi rendition="#b">&#x017F;eine Kraft und Neigung<lb/>
zu wircken nicht in andern We&#x017F;en/<lb/>
die au&#x017F;&#x017F;er ihm &#x017F;ind und welche wir<lb/>
Ge&#x017F;cho&#x0364;pffe nennen/ mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e ihr Ziel<lb/>
finden?</hi></head><lb/>
          <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Erla&#x0364;uterung.</hi> </hi> </p><lb/>
          <p>Weil in GOtt alles auf die vollenkommen-<lb/>
&#x017F;te Art i&#x017F;t/ &#x017F;o muß auch alles bey ihm in der vol-<lb/>
lenkommen&#x017F;ten Wirckung &#x017F;eyn. Sein Ver&#x017F;tand<lb/>
hat al&#x017F;o ein ein&#x017F;chauendes und/ daß ich/ um mich<lb/>
recht zu erkla&#x0364;ren/ &#x017F;o reden mo&#x0364;ge/ ein vo&#x0364;llig-aus-<lb/>
gewickeltes Erka&#x0364;nntnu&#x0364;s: Er erkennet alles/ was<lb/>
&#x017F;einer Natur nach erkannt werden kan/ es &#x017F;ey in der<lb/>
Reihe der mo&#x0364;glichen oder der wu&#x0364;rcklichen Warhei-<lb/>
ten: oder wie der &#x017F;el. Hr. von <hi rendition="#aq">Leibnitz</hi> es ausdruckt:<lb/>
er erkennet alle mo&#x0364;gliche Welten. Sein Wille<lb/>
neiget ihn/ demjenigen/ was er der <hi rendition="#aq">Exi&#x017F;ten</hi>tz fa&#x0364;hig<lb/>
zu &#x017F;eyn erkannt hat/ die&#x017F;elbe in der Uberein&#x017F;tim-<lb/>
mung mit der von ihm erkannten be&#x017F;ten Ordnung<lb/>
zu geben: und da es ihm an Macht nicht fehlen<lb/>
kan/ &#x017F;o muß es auch zu &#x017F;einer Zeit die Wu&#x0364;rcklich-<lb/>
keit erreichen. Al&#x017F;o folget aus dem Begriff von<lb/>
denen go&#x0364;ttlichen Vollenkommenheiten/ daß in ihm<lb/>
eine immerwa&#x0364;hrende Neigung &#x017F;ey zu wircken/ wel-<lb/>
che &#x017F;ich nach der Fa&#x0364;higkeit der Creaturen a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ert<lb/>
und die Wu&#x0364;rcklichkeit erreichet. <hi rendition="#aq">Epicurus</hi> hat<lb/>
die&#x017F;es der Gottheit ab&#x017F;prechen wollen/ und zwar<lb/>
deswegen/ weil er eine &#x017F;olche Be&#x017F;cha&#x0364;fftigung mit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dem</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0060] (quæſt. 5.) ſeine Kraft und Neigung zu wircken nicht in andern Weſen/ die auſſer ihm ſind und welche wir Geſchoͤpffe nennen/ muͤſſe ihr Ziel finden? Erlaͤuterung. Weil in GOtt alles auf die vollenkommen- ſte Art iſt/ ſo muß auch alles bey ihm in der vol- lenkommenſten Wirckung ſeyn. Sein Verſtand hat alſo ein einſchauendes und/ daß ich/ um mich recht zu erklaͤren/ ſo reden moͤge/ ein voͤllig-aus- gewickeltes Erkaͤnntnuͤs: Er erkennet alles/ was ſeiner Natur nach erkannt werden kan/ es ſey in der Reihe der moͤglichen oder der wuͤrcklichen Warhei- ten: oder wie der ſel. Hr. von Leibnitz es ausdruckt: er erkennet alle moͤgliche Welten. Sein Wille neiget ihn/ demjenigen/ was er der Exiſtentz faͤhig zu ſeyn erkannt hat/ dieſelbe in der Ubereinſtim- mung mit der von ihm erkannten beſten Ordnung zu geben: und da es ihm an Macht nicht fehlen kan/ ſo muß es auch zu ſeiner Zeit die Wuͤrcklich- keit erreichen. Alſo folget aus dem Begriff von denen goͤttlichen Vollenkommenheiten/ daß in ihm eine immerwaͤhrende Neigung ſey zu wircken/ wel- che ſich nach der Faͤhigkeit der Creaturen aͤuſſert und die Wuͤrcklichkeit erreichet. Epicurus hat dieſes der Gottheit abſprechen wollen/ und zwar deswegen/ weil er eine ſolche Beſchaͤfftigung mit dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731/60
Zitationshilfe: Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731/60>, abgerufen am 19.04.2024.