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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648.

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Vorrede.
zu so edler Belustigung. Die Erfahrung
bezeuget/ daß bey den Knaben solcher Un-
terscheid sich mit zuwachsenden Jahren
und Verstand leichtlich abmerken lässet/
und daß man etlichen das Versschreiben
verbieten muß/ wie dem Ovidius/ damit
sie nicht bey der Lust- und Nebenarbeit/
den Haubtzweck ihres Studierens aus den
Augen setzen; in welchem Fall die spate
Reue zu befahren/ massen alle Künste ihre
Liebhabere ernehren/ die Poeterey aber
lässet die jenigen/ so sich auf selbe allein be-
geben/ betteln gehen.

3. Durch die Poeten aber verstehen
wir nicht derselben unglückselige Mißge-
burten/ deren in des Poetischen Trichters
Vorrede §. 6. gedacht worden/ dann sol-
che so wenig Poeten/ als die ungestalten
Affen Menschen/ ob sie uns wol unter al-
len Thieren am ähnlichstensind. Wir ver-
stehen auch nicht die jenigen/ welche der
löblichen Poeterey schändlichst miß-
brauchen/ und sich nicht scheuen/ mit kitz-
lichen/ schandbaren und unverantwort-
lichen Liedern und Gedichten die Jugend
zu ärgern: Deswegen auch nicht anders zu
straffen/ als die/ welche gemeine Brunnen

ver-
A v

Vorrede.
zu ſo edler Beluſtigung. Die Erfahrung
bezeuget/ daß bey den Knaben ſolcher Un-
terſcheid ſich mit zuwachſenden Jahren
und Verſtand leichtlich abmerken laͤſſet/
und daß man etlichen das Versſchreiben
verbieten muß/ wie dem Ovidius/ damit
ſie nicht bey der Luſt- und Nebenarbeit/
dẽ Haubtzweck ihres Studierens aus den
Augen ſetzen; in welchem Fall die ſpate
Reue zu befahren/ maſſen alle Kuͤnſte ihre
Liebhabere ernehren/ die Poeterey aber
laͤſſet die jenigen/ ſo ſich auf ſelbe allein be-
geben/ betteln gehen.

3. Durch die Poeten aber verſtehen
wir nicht derſelben ungluͤckſelige Mißge-
burten/ deren in des Poetiſchen Trichters
Vorrede §. 6. gedacht worden/ dann ſol-
che ſo wenig Poeten/ als die ungeſtalten
Affen Menſchen/ ob ſie uns wol unter al-
len Thieren am aͤhnlichſtenſind. Wir ver-
ſtehen auch nicht die jenigen/ welche der
loͤblichen Poeterey ſchaͤndlichſt miß-
brauchen/ und ſich nicht ſcheuen/ mit kitz-
lichen/ ſchandbaren und unverantwort-
lichen Liedern und Gedichten die Jugend
zu aͤrgern: Deſwegen auch nicht anders zu
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A v
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[0009] Vorrede. zu ſo edler Beluſtigung. Die Erfahrung bezeuget/ daß bey den Knaben ſolcher Un- terſcheid ſich mit zuwachſenden Jahren und Verſtand leichtlich abmerken laͤſſet/ und daß man etlichen das Versſchreiben verbieten muß/ wie dem Ovidius/ damit ſie nicht bey der Luſt- und Nebenarbeit/ dẽ Haubtzweck ihres Studierens aus den Augen ſetzen; in welchem Fall die ſpate Reue zu befahren/ maſſen alle Kuͤnſte ihre Liebhabere ernehren/ die Poeterey aber laͤſſet die jenigen/ ſo ſich auf ſelbe allein be- geben/ betteln gehen. 3. Durch die Poeten aber verſtehen wir nicht derſelben ungluͤckſelige Mißge- burten/ deren in des Poetiſchen Trichters Vorrede §. 6. gedacht worden/ dann ſol- che ſo wenig Poeten/ als die ungeſtalten Affen Menſchen/ ob ſie uns wol unter al- len Thieren am aͤhnlichſtenſind. Wir ver- ſtehen auch nicht die jenigen/ welche der loͤblichen Poeterey ſchaͤndlichſt miß- brauchen/ und ſich nicht ſcheuen/ mit kitz- lichen/ ſchandbaren und unverantwort- lichen Liedern und Gedichten die Jugend zu aͤrgern: Deſwegen auch nicht anders zu ſtraffen/ als die/ welche gemeine Brunnen ver- A v

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648/9>, abgerufen am 28.03.2024.