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Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892.

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Polizeiverwalter. Unbedingt! ganz unbedingt,
Herr Dreißiger. Das kann Jhnen kein Mensch ver-
denken. Und so viel in meinen Kräften steht ...
Dreißiger. Mit dem Kanschu müßte man hin-
einfahren in das Lumpengesindel.
Polizeiverwalter. Ganz recht, ganz recht.
Es muß ein Exempel statuirt werden.
Gensdarm Kutsche (kommt und nimmt Stellung. Man
hört, da die Flurthür offen ist, das Geräusch von schweren Füßen, welche die
Treppe heraufpoltern).
Herr Verwalter, ich melde gehorsamst:
m'r habn einen Menschen festgenommen.
Dreißiger. Wollen Sie den Menschen sehen,
Herr Polizeiverwalter?
Polizeiverwalter. Ganz gewiß, ganz gewiß.
Wir wollen ihn zuallererst mal aus nächster Nähe be-
trachten. Thun Sie mir den Gefallen, Herr Dreißiger,
und bleiben Sie ganz ruhig. Jch verschaffe Jhnen
Genugthuung, oder ich will nicht Heide heißen.
Dreißiger. Damit kann ich mich nicht zu-
frieden geben, der Mensch kommt unweigerlich vor den
Staatsanwalt.
Jäger (wird von fünf Färbearbeitern herein geführt, die an Gesicht,
Händen und Kleidern mit Farbe befleckt, direct von der Arbeit herkommen.
Der Gefangene hat die Mütze schief sitzen, trägt eine freche Heiterkeit zur
Schau und befindet sich in Folge des vorherigen Brantweingenusses in gehobenem
Zustand).
O ihr älenden Kerle! -- Arbeiter wollt 'r
sein? Kamraden wollt 'r sein? Eh ich das machte
-- eh ich mich vergreifen thät a mein'n Genoßen, da
thät ich denken, de Hand mißt m'r verfauln dahier!

(Auf einen Wink des Verwalters hin veranlaßt Kutsche, daß die Färber ihre Hände
von dem Opfer nehmen. Jäger steht nun frei und frech da, während um ihn
alle Thüren verstellt werden.)
Polizeiverwalter (schreit Jägern an). Mütze ab,
Flegel!
(Jäger nimmt sie ab, aber sehr langsam, ohne sein ironisches Lächelu
aufzugeben.)
Wie heißt Du?
Jäger. Hab ich mit Dir schonn die Schweine
gehitt?
(Unter dem Eindruck der Worte entsteht eine Bewegung unter den
Anwesenden.)
Dreißiger. Das ist stark.
Polizeiverwalter. Unbedingt! ganz unbedingt,
Herr Dreißiger. Das kann Jhnen kein Menſch ver-
denken. Und ſo viel in meinen Kräften ſteht …
Dreißiger. Mit dem Kanſchu müßte man hin-
einfahren in das Lumpengeſindel.
Polizeiverwalter. Ganz recht, ganz recht.
Es muß ein Exempel ſtatuirt werden.
Gensdarm Kutſche (kommt und nimmt Stellung. Man
hört, da die Flurthür offen iſt, das Geräuſch von ſchweren Füßen, welche die
Treppe heraufpoltern).
Herr Verwalter, ich melde gehorſamſt:
m’r habn einen Menſchen feſtgenommen.
Dreißiger. Wollen Sie den Menſchen ſehen,
Herr Polizeiverwalter?
Polizeiverwalter. Ganz gewiß, ganz gewiß.
Wir wollen ihn zuallererſt mal aus nächſter Nähe be-
trachten. Thun Sie mir den Gefallen, Herr Dreißiger,
und bleiben Sie ganz ruhig. Jch verſchaffe Jhnen
Genugthuung, oder ich will nicht Heide heißen.
Dreißiger. Damit kann ich mich nicht zu-
frieden geben, der Menſch kommt unweigerlich vor den
Staatsanwalt.
Jäger (wird von fünf Färbearbeitern herein geführt, die an Geſicht,
Händen und Kleidern mit Farbe befleckt, direct von der Arbeit herkommen.
Der Gefangene hat die Mütze ſchief ſitzen, trägt eine freche Heiterkeit zur
Schau und befindet ſich in Folge des vorherigen Brantweingenuſſes in gehobenem
Zuſtand).
O ihr älenden Kerle! — Arbeiter wollt ’r
ſein? Kamraden wollt ’r ſein? Eh ich das machte
— eh ich mich vergreifen thät a mein’n Genoßen, da
thät ich denken, de Hand mißt m’r verfauln dahier!

(Auf einen Wink des Verwalters hin veranlaßt Kutſche, daß die Färber ihre Hände
von dem Opfer nehmen. Jäger ſteht nun frei und frech da, während um ihn
alle Thüren verſtellt werden.)
Polizeiverwalter (ſchreit Jägern an). Mütze ab,
Flegel!
(Jäger nimmt ſie ab, aber ſehr langſam, ohne ſein ironiſches Lächelu
aufzugeben.)
Wie heißt Du?
Jäger. Hab ich mit Dir ſchonn die Schweine
gehitt?
(Unter dem Eindruck der Worte entſteht eine Bewegung unter den
Anweſenden.)
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[79/0092] Polizeiverwalter. Unbedingt! ganz unbedingt, Herr Dreißiger. Das kann Jhnen kein Menſch ver- denken. Und ſo viel in meinen Kräften ſteht … Dreißiger. Mit dem Kanſchu müßte man hin- einfahren in das Lumpengeſindel. Polizeiverwalter. Ganz recht, ganz recht. Es muß ein Exempel ſtatuirt werden. Gensdarm Kutſche (kommt und nimmt Stellung. Man hört, da die Flurthür offen iſt, das Geräuſch von ſchweren Füßen, welche die Treppe heraufpoltern). Herr Verwalter, ich melde gehorſamſt: m’r habn einen Menſchen feſtgenommen. Dreißiger. Wollen Sie den Menſchen ſehen, Herr Polizeiverwalter? Polizeiverwalter. Ganz gewiß, ganz gewiß. Wir wollen ihn zuallererſt mal aus nächſter Nähe be- trachten. Thun Sie mir den Gefallen, Herr Dreißiger, und bleiben Sie ganz ruhig. Jch verſchaffe Jhnen Genugthuung, oder ich will nicht Heide heißen. Dreißiger. Damit kann ich mich nicht zu- frieden geben, der Menſch kommt unweigerlich vor den Staatsanwalt. Jäger (wird von fünf Färbearbeitern herein geführt, die an Geſicht, Händen und Kleidern mit Farbe befleckt, direct von der Arbeit herkommen. Der Gefangene hat die Mütze ſchief ſitzen, trägt eine freche Heiterkeit zur Schau und befindet ſich in Folge des vorherigen Brantweingenuſſes in gehobenem Zuſtand). O ihr älenden Kerle! — Arbeiter wollt ’r ſein? Kamraden wollt ’r ſein? Eh ich das machte — eh ich mich vergreifen thät a mein’n Genoßen, da thät ich denken, de Hand mißt m’r verfauln dahier! (Auf einen Wink des Verwalters hin veranlaßt Kutſche, daß die Färber ihre Hände von dem Opfer nehmen. Jäger ſteht nun frei und frech da, während um ihn alle Thüren verſtellt werden.) Polizeiverwalter (ſchreit Jägern an). Mütze ab, Flegel! (Jäger nimmt ſie ab, aber ſehr langſam, ohne ſein ironiſches Lächelu aufzugeben.) Wie heißt Du? Jäger. Hab ich mit Dir ſchonn die Schweine gehitt? (Unter dem Eindruck der Worte entſteht eine Bewegung unter den Anweſenden.) Dreißiger. Das iſt ſtark.

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/92>, abgerufen am 29.03.2024.