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Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811.

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Dieß ist geschehen im Jahre 1805 am 17ten April im Wirthhshause zu Segringen.


Seltsamer Spazierritt.

Ein Mann reitet auf seinem Esel nach Haus, und läßt seinen Buben zu Fuß neben her laufen. Kommt ein Wanderer, und sagt: Das ist nicht recht, Vater, daß ihr reitet, und laßt euern Sohn laufen; ihr habt stärkere Glieder. Da stieg der Vater vom Esel herab, und ließ den Sohn reiten. Kommt wieder ein Wandersmann, und sagt: Das ist nicht recht, Bursche, daß du reitest, und lässest deinen Vater zu Fuß gehen. Du hast jüngere Beine. Da saßen beide auf, und ritten eine Strecke. Kommt ein dritter Wandersmann, und sagt: Was ist das für ein Unverstand: Zwei Kerle auf Einem schwachen Thiere; Sollte man nicht einen Stock nehmen, und euch beide hinab jagen? Da stiegen beide ab und giengen selb dritt zu Fuß, rechts und links der Vater und Sohn, und in der Mitte der Esel. Kommt ein vierter Wandersmann und sagt: "Ihr seyd drey kuriose Gesellen. Ists nicht genug, wenn Zwey zu Fuß gehen? Gehts nicht leichter, wenn Einer von euch reitet? Da band der Vater dem Esel die vordern Beine zusammen, und der Sohn band ihm die hintern Beine zusammen, zogen einen starken Baumpfahl durch, der an der Straße stand, und trugen den Esel auf der Achsel heim.

So weit kann's kommen, wenn man es allen Leuten will recht machen.

Dieß ist geschehen im Jahre 1805 am 17ten April im Wirthhshause zu Segringen.


Seltsamer Spazierritt.

Ein Mann reitet auf seinem Esel nach Haus, und läßt seinen Buben zu Fuß neben her laufen. Kommt ein Wanderer, und sagt: Das ist nicht recht, Vater, daß ihr reitet, und laßt euern Sohn laufen; ihr habt stärkere Glieder. Da stieg der Vater vom Esel herab, und ließ den Sohn reiten. Kommt wieder ein Wandersmann, und sagt: Das ist nicht recht, Bursche, daß du reitest, und lässest deinen Vater zu Fuß gehen. Du hast jüngere Beine. Da saßen beide auf, und ritten eine Strecke. Kommt ein dritter Wandersmann, und sagt: Was ist das für ein Unverstand: Zwei Kerle auf Einem schwachen Thiere; Sollte man nicht einen Stock nehmen, und euch beide hinab jagen? Da stiegen beide ab und giengen selb dritt zu Fuß, rechts und links der Vater und Sohn, und in der Mitte der Esel. Kommt ein vierter Wandersmann und sagt: „Ihr seyd drey kuriose Gesellen. Ists nicht genug, wenn Zwey zu Fuß gehen? Gehts nicht leichter, wenn Einer von euch reitet? Da band der Vater dem Esel die vordern Beine zusammen, und der Sohn band ihm die hintern Beine zusammen, zogen einen starken Baumpfahl durch, der an der Straße stand, und trugen den Esel auf der Achsel heim.

So weit kann’s kommen, wenn man es allen Leuten will recht machen.

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[116/0124] Dieß ist geschehen im Jahre 1805 am 17ten April im Wirthhshause zu Segringen. Seltsamer Spazierritt. Ein Mann reitet auf seinem Esel nach Haus, und läßt seinen Buben zu Fuß neben her laufen. Kommt ein Wanderer, und sagt: Das ist nicht recht, Vater, daß ihr reitet, und laßt euern Sohn laufen; ihr habt stärkere Glieder. Da stieg der Vater vom Esel herab, und ließ den Sohn reiten. Kommt wieder ein Wandersmann, und sagt: Das ist nicht recht, Bursche, daß du reitest, und lässest deinen Vater zu Fuß gehen. Du hast jüngere Beine. Da saßen beide auf, und ritten eine Strecke. Kommt ein dritter Wandersmann, und sagt: Was ist das für ein Unverstand: Zwei Kerle auf Einem schwachen Thiere; Sollte man nicht einen Stock nehmen, und euch beide hinab jagen? Da stiegen beide ab und giengen selb dritt zu Fuß, rechts und links der Vater und Sohn, und in der Mitte der Esel. Kommt ein vierter Wandersmann und sagt: „Ihr seyd drey kuriose Gesellen. Ists nicht genug, wenn Zwey zu Fuß gehen? Gehts nicht leichter, wenn Einer von euch reitet? Da band der Vater dem Esel die vordern Beine zusammen, und der Sohn band ihm die hintern Beine zusammen, zogen einen starken Baumpfahl durch, der an der Straße stand, und trugen den Esel auf der Achsel heim. So weit kann’s kommen, wenn man es allen Leuten will recht machen.

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Zitationshilfe: Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/124>, abgerufen am 29.03.2024.