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Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847.

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Momente, auf welche die vorliegende Methode hauptsächlich basirt ist
oder abzielt, einzeln aufführen.

I. Auf einem Umfange von wenigen Bogen werden an einzelnen,
in sich zusammenhängenden klassischen Sätzen und Abschnitten,
die vom Leichteren zum Schwereren und von kleinerem Umfange zu
größerem aufsteigen, die syntaktischen und stylistischen Sprach-
verhältnisse
in ihren wesentlichen Analogien theils unmittelbar,
theils durch Umwandlung zur Anschauung gebracht und ein-
geübt
. Die systematische Grammatik, weit entfernt, hierdurch ent-
behrlich gemacht zu werden, wird eben hieran gestützt, zum Leben ge-
führt und repetirt. 2. Dieser concrete Lehr- und Lernstoff wird nicht
durch das herkömmliche Auswendiglernen, sondern durch denkendes,
alle Worte und Phrasen distinct auseinanderhaltendes
Memoriren in planmäßigen Wiederholungen
der Erin-
nerung des Schülers und des Lehrers unverlierbar eingeprägt
und von Klasse zu Klasse fortgeführt. 3. Die Auffassung und
Fortführung des Verständnisses erfolgt zwar zum Theil mittelst einer
Uebersetzung, doch nur insoweit diese unumgänglich erfordert ist, und
nie mittelst einer schriftlichen Uebersetzung. Vielmehr wird durch
die erwähnten Wiederholungen von vorn herein darauf hingearbeitet,
die Vorstellungsweise der fremden Sprachen dem Geiste
unmittelbar zugänglich zu machen, damit ein Denken in der
fremden Sprache vorzubereiten und dem Gebrauche, also auch dem
Mißbrauche gedruckter Uebersetzungen frühzeitig entgegenzuwirken. 4. An
diesem Stoffe haben Lehrer und Schüler ein gemeinsames, festes
Eigenthum
, an welches jede neu zutretende Kenntniß möglichst an-
geschlossen wird, und von diesem Mittelpunkte aus verbreitet sich das
tiefere Sprachverständniß wieder auf die verwandten Lectionen. 5. Die
räumliche Beschränktheit dieses Stoffes und die vielfältige Wieder-
holung, Verwendung und Bearbeitung desselben verstattet eine Ge-
nauigkeit der Behandlung
und eine Vertiefung in die
Spracherscheinungen
, wie sie bei einer vorübereilenden Lectüre
auch unter den günstigsten Bedingungen nicht zu erreichen ist, und
giebt im Ganzen ein Muster und im Einzelnen die Beispiele
für die Art und Weise der Auffassung jedweden anderweitigen Sprach-
stoffes. Da aber die Forderung des Mitwissens und Mitkönnens dem
Lehrer nicht erlassen werden kann, und die Erschöpfung sämmtlicher

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Momente, auf welche die vorliegende Methode hauptſächlich baſirt iſt
oder abzielt, einzeln aufführen.

I. Auf einem Umfange von wenigen Bogen werden an einzelnen,
in ſich zuſammenhängenden klaſſiſchen Sätzen und Abſchnitten,
die vom Leichteren zum Schwereren und von kleinerem Umfange zu
größerem aufſteigen, die ſyntaktiſchen und ſtyliſtiſchen Sprach-
verhältniſſe
in ihren weſentlichen Analogien theils unmittelbar,
theils durch Umwandlung zur Anſchauung gebracht und ein-
geübt
. Die ſyſtematiſche Grammatik, weit entfernt, hierdurch ent-
behrlich gemacht zu werden, wird eben hieran geſtützt, zum Leben ge-
führt und repetirt. 2. Dieſer concrete Lehr- und Lernſtoff wird nicht
durch das herkömmliche Auswendiglernen, ſondern durch denkendes,
alle Worte und Phraſen diſtinct auseinanderhaltendes
Memoriren in planmäßigen Wiederholungen
der Erin-
nerung des Schülers und des Lehrers unverlierbar eingeprägt
und von Klaſſe zu Klaſſe fortgeführt. 3. Die Auffaſſung und
Fortführung des Verſtändniſſes erfolgt zwar zum Theil mittelſt einer
Ueberſetzung, doch nur inſoweit dieſe unumgänglich erfordert iſt, und
nie mittelſt einer ſchriftlichen Ueberſetzung. Vielmehr wird durch
die erwähnten Wiederholungen von vorn herein darauf hingearbeitet,
die Vorſtellungsweiſe der fremden Sprachen dem Geiſte
unmittelbar zugänglich zu machen, damit ein Denken in der
fremden Sprache vorzubereiten und dem Gebrauche, alſo auch dem
Mißbrauche gedruckter Ueberſetzungen frühzeitig entgegenzuwirken. 4. An
dieſem Stoffe haben Lehrer und Schüler ein gemeinſames, feſtes
Eigenthum
, an welches jede neu zutretende Kenntniß möglichſt an-
geſchloſſen wird, und von dieſem Mittelpunkte aus verbreitet ſich das
tiefere Sprachverſtändniß wieder auf die verwandten Lectionen. 5. Die
räumliche Beſchränktheit dieſes Stoffes und die vielfältige Wieder-
holung, Verwendung und Bearbeitung deſſelben verſtattet eine Ge-
nauigkeit der Behandlung
und eine Vertiefung in die
Spracherſcheinungen
, wie ſie bei einer vorübereilenden Lectüre
auch unter den günſtigſten Bedingungen nicht zu erreichen iſt, und
giebt im Ganzen ein Muſter und im Einzelnen die Beiſpiele
für die Art und Weiſe der Auffaſſung jedweden anderweitigen Sprach-
ſtoffes. Da aber die Forderung des Mitwiſſens und Mitkönnens dem
Lehrer nicht erlaſſen werden kann, und die Erſchöpfung ſämmtlicher

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[163/0177] Momente, auf welche die vorliegende Methode hauptſächlich baſirt iſt oder abzielt, einzeln aufführen. I. Auf einem Umfange von wenigen Bogen werden an einzelnen, in ſich zuſammenhängenden klaſſiſchen Sätzen und Abſchnitten, die vom Leichteren zum Schwereren und von kleinerem Umfange zu größerem aufſteigen, die ſyntaktiſchen und ſtyliſtiſchen Sprach- verhältniſſe in ihren weſentlichen Analogien theils unmittelbar, theils durch Umwandlung zur Anſchauung gebracht und ein- geübt. Die ſyſtematiſche Grammatik, weit entfernt, hierdurch ent- behrlich gemacht zu werden, wird eben hieran geſtützt, zum Leben ge- führt und repetirt. 2. Dieſer concrete Lehr- und Lernſtoff wird nicht durch das herkömmliche Auswendiglernen, ſondern durch denkendes, alle Worte und Phraſen diſtinct auseinanderhaltendes Memoriren in planmäßigen Wiederholungen der Erin- nerung des Schülers und des Lehrers unverlierbar eingeprägt und von Klaſſe zu Klaſſe fortgeführt. 3. Die Auffaſſung und Fortführung des Verſtändniſſes erfolgt zwar zum Theil mittelſt einer Ueberſetzung, doch nur inſoweit dieſe unumgänglich erfordert iſt, und nie mittelſt einer ſchriftlichen Ueberſetzung. Vielmehr wird durch die erwähnten Wiederholungen von vorn herein darauf hingearbeitet, die Vorſtellungsweiſe der fremden Sprachen dem Geiſte unmittelbar zugänglich zu machen, damit ein Denken in der fremden Sprache vorzubereiten und dem Gebrauche, alſo auch dem Mißbrauche gedruckter Ueberſetzungen frühzeitig entgegenzuwirken. 4. An dieſem Stoffe haben Lehrer und Schüler ein gemeinſames, feſtes Eigenthum, an welches jede neu zutretende Kenntniß möglichſt an- geſchloſſen wird, und von dieſem Mittelpunkte aus verbreitet ſich das tiefere Sprachverſtändniß wieder auf die verwandten Lectionen. 5. Die räumliche Beſchränktheit dieſes Stoffes und die vielfältige Wieder- holung, Verwendung und Bearbeitung deſſelben verſtattet eine Ge- nauigkeit der Behandlung und eine Vertiefung in die Spracherſcheinungen, wie ſie bei einer vorübereilenden Lectüre auch unter den günſtigſten Bedingungen nicht zu erreichen iſt, und giebt im Ganzen ein Muſter und im Einzelnen die Beiſpiele für die Art und Weiſe der Auffaſſung jedweden anderweitigen Sprach- ſtoffes. Da aber die Forderung des Mitwiſſens und Mitkönnens dem Lehrer nicht erlaſſen werden kann, und die Erſchöpfung ſämmtlicher 11*

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Zitationshilfe: Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/177>, abgerufen am 25.04.2024.