Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

I.
Die sinnliche Gewissheit;
oder das Diese und das Meynen.


Das Wissen, welches zuerst oder unmittelbar
unser Gegenstand ist, kann kein anderes seyn,
als dasjenige, welches selbst unmittelbares Wissen,
Wissen des unmittelbaren oder Seyenden ist. Wir
haben uns ebenso unmittelbar oder aufnehmend zu ver-
halten, also nichts an ihm, wie es sich darbietet, zu
verändern, und von dem Auffassen das Begreiffen
abzuhalten.

Der concrete Inhalt der sinnlichen Gewissheit
lässt sie unmittelbar als die reichste Erkenntniss, ja
als eine Erkenntniss von unendlichem Reichthum er-
scheinen, für welchen eben so wohl, wenn wir im
Raume und in der Zeit, als worin er sich ausbreitet,
hinaus, -- als wenn wir uns ein Stück aus dieser Fülle
nehmen, und durch Theilung in dasselbe hineinge-
hen
, keine Gräntze zu finden ist. Sie erscheint aus-
serdem als die wahrhaffteste; denn sie hat von dem
Gegenstande noch nichts weggelassen, sondern ihn
in seiner ganzen Vollständigkeit vor sich. Diese
Gewissheit aber gibt in der That sich selbst für die


I.
Die sinnliche Gewiſsheit;
oder das Diese und das Meynen.


Das Wissen, welches zuerst oder unmittelbar
unser Gegenstand ist, kann kein anderes seyn,
als dasjenige, welches selbst unmittelbares Wissen,
Wissen des unmittelbaren oder Seyenden ist. Wir
haben uns ebenso unmittelbar oder aufnehmend zu ver-
halten, also nichts an ihm, wie es sich darbietet, zu
verändern, und von dem Auffassen das Begreiffen
abzuhalten.

Der concrete Inhalt der sinnlichen Gewiſsheit
läſst sie unmittelbar als die reichste Erkenntniſs, ja
als eine Erkenntniſs von unendlichem Reichthum er-
scheinen, für welchen eben so wohl, wenn wir im
Raume und in der Zeit, als worin er sich ausbreitet,
hinaus, — als wenn wir uns ein Stück aus dieser Fülle
nehmen, und durch Theilung in dasselbe hineinge-
hen
, keine Gräntze zu finden ist. Sie erscheint aus-
serdem als die wahrhaffteste; denn sie hat von dem
Gegenstande noch nichts weggelassen, sondern ihn
in seiner ganzen Vollständigkeit vor sich. Diese
Gewiſsheit aber gibt in der That sich selbst für die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0131" n="22"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>I.<lb/>
Die sinnliche Gewi&#x017F;sheit;<lb/>
oder <hi rendition="#g">das Diese</hi> und <hi rendition="#g">das Meynen</hi>.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>as Wissen, welches zuerst oder unmittelbar<lb/>
unser Gegenstand ist, kann kein anderes seyn,<lb/>
als dasjenige, welches selbst unmittelbares Wissen,<lb/><hi rendition="#i">Wissen</hi> des <hi rendition="#i">unmittelbaren</hi> oder <hi rendition="#i">Seyenden</hi> ist. Wir<lb/>
haben uns ebenso <hi rendition="#i">unmittelbar</hi> oder <hi rendition="#i">aufnehmend</hi> zu ver-<lb/>
halten, also nichts an ihm, wie es sich darbietet, zu<lb/>
verändern, und von dem Auffassen das Begreiffen<lb/>
abzuhalten.</p><lb/>
          <p>Der concrete Inhalt der <hi rendition="#i">sinnlichen Gewi&#x017F;sheit</hi><lb/>&#x017F;st sie unmittelbar als die <hi rendition="#i">reichste</hi> Erkenntni&#x017F;s, ja<lb/>
als eine Erkenntni&#x017F;s von unendlichem Reichthum er-<lb/>
scheinen, für welchen eben so wohl, wenn wir im<lb/>
Raume und in der Zeit, als worin er sich ausbreitet,<lb/><hi rendition="#i">hinaus</hi>, &#x2014; als wenn wir uns ein Stück aus dieser Fülle<lb/>
nehmen, und durch Theilung in dasselbe <hi rendition="#i">hineinge-<lb/>
hen</hi>, keine Gräntze zu finden ist. Sie erscheint aus-<lb/>
serdem als die <hi rendition="#i">wahrhaffteste;</hi> denn sie hat von dem<lb/>
Gegenstande noch nichts weggelassen, sondern ihn<lb/>
in seiner ganzen Vollständigkeit vor sich. Diese<lb/><hi rendition="#i">Gewi&#x017F;sheit</hi> aber gibt in der That sich selbst für die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0131] I. Die sinnliche Gewiſsheit; oder das Diese und das Meynen. Das Wissen, welches zuerst oder unmittelbar unser Gegenstand ist, kann kein anderes seyn, als dasjenige, welches selbst unmittelbares Wissen, Wissen des unmittelbaren oder Seyenden ist. Wir haben uns ebenso unmittelbar oder aufnehmend zu ver- halten, also nichts an ihm, wie es sich darbietet, zu verändern, und von dem Auffassen das Begreiffen abzuhalten. Der concrete Inhalt der sinnlichen Gewiſsheit läſst sie unmittelbar als die reichste Erkenntniſs, ja als eine Erkenntniſs von unendlichem Reichthum er- scheinen, für welchen eben so wohl, wenn wir im Raume und in der Zeit, als worin er sich ausbreitet, hinaus, — als wenn wir uns ein Stück aus dieser Fülle nehmen, und durch Theilung in dasselbe hineinge- hen, keine Gräntze zu finden ist. Sie erscheint aus- serdem als die wahrhaffteste; denn sie hat von dem Gegenstande noch nichts weggelassen, sondern ihn in seiner ganzen Vollständigkeit vor sich. Diese Gewiſsheit aber gibt in der That sich selbst für die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/131
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/131>, abgerufen am 16.04.2024.