Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

Gestalt. Die Zweyte aber ist nothwendig diese, sich
in der Gestalt der aufgehobnen Natürlichkeit oder des
Selbsts zu wissen. Sie ist also die künstliche Religion;
denn zur Form des Selbsts erhebt sich die Gestalt
durch das Hervorbringen des Bewusstseyns, wodurch
dieses in seinem Gegenstande sein Thun oder das
Selbst anschaut. Die dritte endlich hebt die Einsei-
tigkeit der beyden ersten auf; das Selbst ist ebenso-
wohl ein unmittelbares als die Unmittelbarkeit Selbst ist.
Wenn in der ersten der Geist überhaupt in der Form
des Bewusstseyns, in der Zweyten -- des Selbstbe-
wusstseyns ist, so ist er in der dritten in der Form
der Einheit beyder; er hat die Gestalt des an und
fürsichseyns; und indem er also vorgestellt ist, wie er
an und für sich ist, so ist diss die offenbare Religion.
Ob er aber in ihr wohl zu seiner wahren Gestalt ge-
langt, so ist eben die Gestalt selbst und die Vorstel-
lung
noch die unüberwundne Seite, von der er in
den Begriff übergehen muss, um die Form der Ge-
genständlichkeit in ihm ganz aufzulösen, in ihm, der
ebenso diss sein Gegentheil in sich schliesst. Als-
dann hat der Geist den Begriff seiner selbst erfasst,
wie wir nur erst ihn erfasst haben, und seine Ge-
stalt oder das Element seines Daseyns, indem sie der
Begriff ist, ist er selbst.



Gestalt. Die Zweyte aber ist nothwendig diese, sich
in der Geſtalt der aufgehobnen Natürlichkeit oder des
Selbſts zu wiſſen. Sie ist also die künſtliche Religion;
denn zur Form des Selbſts erhebt sich die Gestalt
durch das Hervorbringen des Bewuſstseyns, wodurch
dieses in seinem Gegenſtande sein Thun oder das
Selbst anschaut. Die dritte endlich hebt die Einsei-
tigkeit der beyden erſten auf; das Selbſt ist ebenso-
wohl ein unmittelbares als die Unmittelbarkeit Selbſt ist.
Wenn in der erſten der Geiſt überhaupt in der Form
des Bewuſstseyns, in der Zweyten — des Selbstbe-
wuſstseyns iſt, so iſt er in der dritten in der Form
der Einheit beyder; er hat die Geſtalt des an und
fürſichſeyns; und indem er also vorgeſtellt iſt, wie er
an und für sich ist, so iſt diſs die offenbare Religion.
Ob er aber in ihr wohl zu seiner wahren Geſtalt ge-
langt, so ist eben die Geſtalt selbſt und die Vorſtel-
lung
noch die unüberwundne Seite, von der er in
den Begriff übergehen muſs, um die Form der Ge-
genſtändlichkeit in ihm ganz aufzulösen, in ihm, der
ebenso diſs sein Gegentheil in sich schlieſst. Als-
dann hat der Geiſt den Begriff seiner selbſt erfaſst,
wie wir nur erſt ihn erfaſst haben, und seine Ge-
ſtalt oder das Element seines Daseyns, indem sie der
Begriff iſt, iſt er ſelbſt.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0745" n="636"/>
Gestalt. Die <hi rendition="#i">Zweyte</hi> aber ist nothwendig diese, sich<lb/>
in der Ge&#x017F;talt der <hi rendition="#i">aufgehobnen Natürlichkeit</hi> oder des<lb/><hi rendition="#i">Selb&#x017F;t</hi>s zu wi&#x017F;&#x017F;en. Sie ist also die <hi rendition="#i">kün&#x017F;tliche Religion</hi>;<lb/>
denn zur Form des <hi rendition="#i">Selb&#x017F;ts</hi> erhebt sich die Gestalt<lb/>
durch das <hi rendition="#i">Hervorbringen</hi> des Bewu&#x017F;stseyns, wodurch<lb/>
dieses in seinem Gegen&#x017F;tande sein Thun oder das<lb/>
Selbst anschaut. Die <hi rendition="#i">dritte</hi> endlich hebt die Einsei-<lb/>
tigkeit der beyden er&#x017F;ten auf; das <hi rendition="#i">Selb&#x017F;t</hi> ist ebenso-<lb/>
wohl ein <hi rendition="#i">unmittelbares</hi> als <hi rendition="#i">die Unmittelbarkeit Selb&#x017F;t</hi> ist.<lb/>
Wenn in der er&#x017F;ten der Gei&#x017F;t überhaupt in der Form<lb/>
des Bewu&#x017F;stseyns, in der Zweyten &#x2014; des Selbstbe-<lb/>
wu&#x017F;stseyns i&#x017F;t, so i&#x017F;t er in der dritten in der Form<lb/>
der Einheit beyder; er hat die Ge&#x017F;talt des <hi rendition="#i">an</hi> und<lb/><hi rendition="#i">für&#x017F;ich&#x017F;eyns</hi>; und indem er also vorge&#x017F;tellt i&#x017F;t, wie er<lb/>
an und für sich ist, so i&#x017F;t di&#x017F;s die <hi rendition="#i">offenbare Religion</hi>.<lb/>
Ob er aber in ihr wohl zu seiner wahren <hi rendition="#i">Ge&#x017F;talt</hi> ge-<lb/>
langt, so ist eben die <hi rendition="#i">Ge&#x017F;talt</hi> selb&#x017F;t und die <hi rendition="#i">Vor&#x017F;tel-<lb/>
lung</hi> noch die unüberwundne Seite, von der er in<lb/>
den <hi rendition="#i">Begriff</hi> übergehen mu&#x017F;s, um die Form der Ge-<lb/>
gen&#x017F;tändlichkeit in ihm ganz aufzulösen, in ihm, der<lb/>
ebenso di&#x017F;s sein Gegentheil in sich schlie&#x017F;st. Als-<lb/>
dann hat der Gei&#x017F;t den Begriff seiner selb&#x017F;t erfa&#x017F;st,<lb/>
wie wir nur er&#x017F;t ihn erfa&#x017F;st haben, und seine Ge-<lb/>
&#x017F;talt oder das Element seines Daseyns, indem sie der<lb/>
Begriff i&#x017F;t, i&#x017F;t er &#x017F;elb&#x017F;t.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[636/0745] Gestalt. Die Zweyte aber ist nothwendig diese, sich in der Geſtalt der aufgehobnen Natürlichkeit oder des Selbſts zu wiſſen. Sie ist also die künſtliche Religion; denn zur Form des Selbſts erhebt sich die Gestalt durch das Hervorbringen des Bewuſstseyns, wodurch dieses in seinem Gegenſtande sein Thun oder das Selbst anschaut. Die dritte endlich hebt die Einsei- tigkeit der beyden erſten auf; das Selbſt ist ebenso- wohl ein unmittelbares als die Unmittelbarkeit Selbſt ist. Wenn in der erſten der Geiſt überhaupt in der Form des Bewuſstseyns, in der Zweyten — des Selbstbe- wuſstseyns iſt, so iſt er in der dritten in der Form der Einheit beyder; er hat die Geſtalt des an und fürſichſeyns; und indem er also vorgeſtellt iſt, wie er an und für sich ist, so iſt diſs die offenbare Religion. Ob er aber in ihr wohl zu seiner wahren Geſtalt ge- langt, so ist eben die Geſtalt selbſt und die Vorſtel- lung noch die unüberwundne Seite, von der er in den Begriff übergehen muſs, um die Form der Ge- genſtändlichkeit in ihm ganz aufzulösen, in ihm, der ebenso diſs sein Gegentheil in sich schlieſst. Als- dann hat der Geiſt den Begriff seiner selbſt erfaſst, wie wir nur erſt ihn erfaſst haben, und seine Ge- ſtalt oder das Element seines Daseyns, indem sie der Begriff iſt, iſt er ſelbſt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/745
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 636. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/745>, abgerufen am 23.04.2024.