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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

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jede Bewegung, die Sie hier erblicken, die Art
des Zusammenlegens der Hände und des Ausbrei¬
tens der Arme, dieses Knixen, dieses Händewa¬
schen, dieses Beräuchertwerden, dieser Kelch, ja
die ganze Kleidung des Mannes, von der Mythra
bis zum Saume der Stohla, Alles dieses ist alt¬
egyptisch und Ueberbleibsel eines Priesterthums,
von dessen wundersamem Wesen nur die ältesten
Urkunden etwas weniges berichten, eines frühesten
Priesterthums, das die erste Weisheit erforschte,
die ersten Götter erfand, die ersten Symbole be¬
stimmte, und die junge Menschheit --

Zuerst betrog, setzte Mylady bitteren Tones
hinzu, und ich glaube, Doktor, aus dem frühesten
Weltalter ist uns nichts übrig geblieben als einige
triste Formeln des Betrugs. Und sie sind noch
immer wirksam. Denn sehen Sie dort die stock¬
finsteren Gesichter? und gar jenen Kerl, der dort
auf seinen dummen Knien liegt und mit seinem
aufgesperrten Maule so ultradumm aussieht?

jede Bewegung, die Sie hier erblicken, die Art
des Zuſammenlegens der Haͤnde und des Ausbrei¬
tens der Arme, dieſes Knixen, dieſes Haͤndewa¬
ſchen, dieſes Beraͤuchertwerden, dieſer Kelch, ja
die ganze Kleidung des Mannes, von der Mythra
bis zum Saume der Stohla, Alles dieſes iſt alt¬
egyptiſch und Ueberbleibſel eines Prieſterthums,
von deſſen wunderſamem Weſen nur die aͤlteſten
Urkunden etwas weniges berichten, eines fruͤheſten
Prieſterthums, das die erſte Weisheit erforſchte,
die erſten Goͤtter erfand, die erſten Symbole be¬
ſtimmte, und die junge Menſchheit —

Zuerſt betrog, ſetzte Mylady bitteren Tones
hinzu, und ich glaube, Doktor, aus dem fruͤheſten
Weltalter iſt uns nichts uͤbrig geblieben als einige
triſte Formeln des Betrugs. Und ſie ſind noch
immer wirkſam. Denn ſehen Sie dort die ſtock¬
finſteren Geſichter? und gar jenen Kerl, der dort
auf ſeinen dummen Knien liegt und mit ſeinem
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[63/0077] jede Bewegung, die Sie hier erblicken, die Art des Zuſammenlegens der Haͤnde und des Ausbrei¬ tens der Arme, dieſes Knixen, dieſes Haͤndewa¬ ſchen, dieſes Beraͤuchertwerden, dieſer Kelch, ja die ganze Kleidung des Mannes, von der Mythra bis zum Saume der Stohla, Alles dieſes iſt alt¬ egyptiſch und Ueberbleibſel eines Prieſterthums, von deſſen wunderſamem Weſen nur die aͤlteſten Urkunden etwas weniges berichten, eines fruͤheſten Prieſterthums, das die erſte Weisheit erforſchte, die erſten Goͤtter erfand, die erſten Symbole be¬ ſtimmte, und die junge Menſchheit — Zuerſt betrog, ſetzte Mylady bitteren Tones hinzu, und ich glaube, Doktor, aus dem fruͤheſten Weltalter iſt uns nichts uͤbrig geblieben als einige triſte Formeln des Betrugs. Und ſie ſind noch immer wirkſam. Denn ſehen Sie dort die ſtock¬ finſteren Geſichter? und gar jenen Kerl, der dort auf ſeinen dummen Knien liegt und mit ſeinem aufgeſperrten Maule ſo ultradumm ausſieht?

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/77>, abgerufen am 25.04.2024.