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Helmholtz, Hermann von: Theorie der Luftschwingungen in Röhren mit offenen Enden. In: Journal für die reine und angewandte Mathematik 57 (1860), Heft 1, S. 1-72.

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Helmholtz, über Luftschwingungen in offenen Röhren.

1) Es ist eine Function Ps' zu suchen, welche in dem ganzen be-
trachteten Raume der Bedingung genügt, dass
,
welche für grosse negative x übergeht in Ax + B, für grosse positive in
, und für die längs der ganzen festen Wand ist. Es ist dies
mathematisch dieselbe Aufgabe, als hätten wir einen homogenen electrischen
Leiter von der Gestalt unseres Luftraumes, welchen ein electrischer Strom von
bestimmter Intensität (AQ, wenn das Leitungsvermögen des Stoffes gleich 1
ist) durchfliesst, der aus dem cylindrischen Theile in den unendlichen Raum
übergeht. Wir nennen bekanntlich den Leitungswiderstand zweier Leiter
gleich, wenn bei gleicher Intensität des Stromes ihre Endflächen Flächen con-
stanten Potentials sind und dieselbe Differenz des Potentials zeigen. Nun ist
in irgend einem Querschnitte des cylindrischen Theiles die Potentialfunction
Ax + B für unendliche Entfernung im freien Raume Null. Denken wir uns
dagegen den cylindrischen Leiter cylindrisch fortgesetzt und überall die Po-
tentialfunction gleich Ax + B, so wird sie Null, wenn . Es ist
also -- (x -- a) die Länge eines cylindrischen Leiters von demselben Material,
welcher denselben electrischen Widerstand bietet wie der Leiter von Gestalt
unseres Luftraumes, gerechnet von einem Querschnitt des cylindrischen Theiles
in der Entfernung -- x von der Mündung bis in unendliche Entfernung im
freien Raume. Nach der in der Electricitätslehre gebräuchlichen Terminologie
würde also -- (x -- a) die reducirte Länge jenes Leiters genannt werden
können, und wir wollen dieselbe Benennung auch hier brauchen. Die Con-
stante B oder a verschwindet also nicht mit k zugleich, obgleich andererseits
einzusehen ist, dass sie meistens nicht gross sein kann, da der Widerstand
unendlich ausgedehnter Leiter, wie der der Erde, immer sehr klein ist ver-
glichen mit dem Widerstande cylindrischer Leiter von demselben Material, aus
denen die Electricität in den unendlichen Leiter ausströmt, und es folgt auch
weiter aus den bekannten Theoremen über Electricitätsleitung, dass a desto
grösser werden muss, je enger die Mündung der Röhre gemacht wird, was
sich auch in den akustischen Versuchen durch die Veränderung des Tons der
Röhren zeigt, dessen Abhängigkeit vom Werthe von a wir unten feststellen
werden.

Wenn die Oeffnung sehr klein und kreisförmig ist, während die den
Cylinder schliessende Wand in ihrer Nähe nahehin eben ist, lässt sich anneh-

Helmholtz, über Luftschwingungen in offenen Röhren.

1) Es ist eine Function Ψ' zu suchen, welche in dem ganzen be-
trachteten Raume der Bedingung genügt, daſs
,
welche für groſse negative x übergeht in Ax + B, für groſse positive in
, und für die längs der ganzen festen Wand ist. Es ist dies
mathematisch dieselbe Aufgabe, als hätten wir einen homogenen electrischen
Leiter von der Gestalt unseres Luftraumes, welchen ein electrischer Strom von
bestimmter Intensität (AQ, wenn das Leitungsvermögen des Stoffes gleich 1
ist) durchflieſst, der aus dem cylindrischen Theile in den unendlichen Raum
übergeht. Wir nennen bekanntlich den Leitungswiderstand zweier Leiter
gleich, wenn bei gleicher Intensität des Stromes ihre Endflächen Flächen con-
stanten Potentials sind und dieselbe Differenz des Potentials zeigen. Nun ist
in irgend einem Querschnitte des cylindrischen Theiles die Potentialfunction
Ax + B für unendliche Entfernung im freien Raume Null. Denken wir uns
dagegen den cylindrischen Leiter cylindrisch fortgesetzt und überall die Po-
tentialfunction gleich Ax + B, so wird sie Null, wenn . Es ist
also — (x — α) die Länge eines cylindrischen Leiters von demselben Material,
welcher denselben electrischen Widerstand bietet wie der Leiter von Gestalt
unseres Luftraumes, gerechnet von einem Querschnitt des cylindrischen Theiles
in der Entfernung — x von der Mündung bis in unendliche Entfernung im
freien Raume. Nach der in der Electricitätslehre gebräuchlichen Terminologie
würde also — (x — α) die reducirte Länge jenes Leiters genannt werden
können, und wir wollen dieselbe Benennung auch hier brauchen. Die Con-
stante B oder α verschwindet also nicht mit k zugleich, obgleich andererseits
einzusehen ist, daſs sie meistens nicht groſs sein kann, da der Widerstand
unendlich ausgedehnter Leiter, wie der der Erde, immer sehr klein ist ver-
glichen mit dem Widerstande cylindrischer Leiter von demselben Material, aus
denen die Electricität in den unendlichen Leiter ausströmt, und es folgt auch
weiter aus den bekannten Theoremen über Electricitätsleitung, daſs α desto
gröſser werden muſs, je enger die Mündung der Röhre gemacht wird, was
sich auch in den akustischen Versuchen durch die Veränderung des Tons der
Röhren zeigt, dessen Abhängigkeit vom Werthe von α wir unten feststellen
werden.

Wenn die Oeffnung sehr klein und kreisförmig ist, während die den
Cylinder schlieſsende Wand in ihrer Nähe nahehin eben ist, läſst sich anneh-

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[39/0049] Helmholtz, über Luftschwingungen in offenen Röhren. 1) Es ist eine Function Ψ' zu suchen, welche in dem ganzen be- trachteten Raume der Bedingung genügt, daſs [FORMEL], welche für groſse negative x übergeht in Ax + B, für groſse positive in [FORMEL], und für die längs der ganzen festen Wand [FORMEL] ist. Es ist dies mathematisch dieselbe Aufgabe, als hätten wir einen homogenen electrischen Leiter von der Gestalt unseres Luftraumes, welchen ein electrischer Strom von bestimmter Intensität (AQ, wenn das Leitungsvermögen des Stoffes gleich 1 ist) durchflieſst, der aus dem cylindrischen Theile in den unendlichen Raum übergeht. Wir nennen bekanntlich den Leitungswiderstand zweier Leiter gleich, wenn bei gleicher Intensität des Stromes ihre Endflächen Flächen con- stanten Potentials sind und dieselbe Differenz des Potentials zeigen. Nun ist in irgend einem Querschnitte des cylindrischen Theiles die Potentialfunction Ax + B für unendliche Entfernung im freien Raume Null. Denken wir uns dagegen den cylindrischen Leiter cylindrisch fortgesetzt und überall die Po- tentialfunction gleich Ax + B, so wird sie Null, wenn [FORMEL]. Es ist also — (x — α) die Länge eines cylindrischen Leiters von demselben Material, welcher denselben electrischen Widerstand bietet wie der Leiter von Gestalt unseres Luftraumes, gerechnet von einem Querschnitt des cylindrischen Theiles in der Entfernung — x von der Mündung bis in unendliche Entfernung im freien Raume. Nach der in der Electricitätslehre gebräuchlichen Terminologie würde also — (x — α) die reducirte Länge jenes Leiters genannt werden können, und wir wollen dieselbe Benennung auch hier brauchen. Die Con- stante B oder α verschwindet also nicht mit k zugleich, obgleich andererseits einzusehen ist, daſs sie meistens nicht groſs sein kann, da der Widerstand unendlich ausgedehnter Leiter, wie der der Erde, immer sehr klein ist ver- glichen mit dem Widerstande cylindrischer Leiter von demselben Material, aus denen die Electricität in den unendlichen Leiter ausströmt, und es folgt auch weiter aus den bekannten Theoremen über Electricitätsleitung, daſs α desto gröſser werden muſs, je enger die Mündung der Röhre gemacht wird, was sich auch in den akustischen Versuchen durch die Veränderung des Tons der Röhren zeigt, dessen Abhängigkeit vom Werthe von α wir unten feststellen werden. Wenn die Oeffnung sehr klein und kreisförmig ist, während die den Cylinder schlieſsende Wand in ihrer Nähe nahehin eben ist, läſst sich anneh-

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Zitationshilfe: Helmholtz, Hermann von: Theorie der Luftschwingungen in Röhren mit offenen Enden. In: Journal für die reine und angewandte Mathematik 57 (1860), Heft 1, S. 1-72, hier S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/helmholtz_luftschwingungen_1860/49>, abgerufen am 28.03.2024.