hier noch zu früh kommen würden. Zuvörderst muß nun die erste der obigen Eintheilungen (55), wenn nicht von ihrer Unbestimmtheit
befreiet, so doch in ihrer Vieldeutigkeit erkannt werden-
Zweytes Capitel. Ueber die
Grenzlinie zwischen den untern und obern Vermögen.
60. Die Grenzlinie zwischen den untern und obern Vermögen läuft im
Vorstellungsvermögen zwischen der Ein- bildungskraft und dem Verstande, im
Gefühlvermögen zwi- schen der Sinnenlust und dem ästhetischen Gefühl, im Be- gehrungsvermögen zwischen den Leidenschaften und der über- legten Wahl. Hiemit
ist sie bey der Schwankung der Be- griffe von allem diesen noch keinesweges genau
gezogen; auch sind die Psychologen zu dem Bekenntniß bereit, daß sie sich
nicht scharf ziehen lasse. (Wenigstens Wolff in der
empirischen Psychologie §. 233) Dies um so mehr, da selbst den Thieren ein
analogon rationis zugeschrieben wird, während ihnen Niemand eine Phantasie,
ähnlich der menschlichen, einräumt. So hätten also die Thiere Antheil am
obern Vorstellungsvermögen; und dagegen sehlte ihnen etwas an dem, was zum
unteren sollte gerechnet werden. Etwas treffender scheint zwar die Bestimmung in
Ansehung des Gefühlvermögens; da ästhetische Urtheile wohl Niemand von
Thieren erwartet; allein auch bei roheren Menschen pflegen diese zu fehlen, und
vielmehr einer höheren Bil- dungsstufe als der menschlichen Natur eigen zu seyn.
Was endlich die Leidenschaften anlangt, so werden wir unter die-
hier noch zu früh kommen würden. Zuvörderst muß nun die erste der obigen Eintheilungen (55), wenn nicht von ihrer Unbestimmtheit
befreiet, so doch in ihrer Vieldeutigkeit erkannt werden-
Zweytes Capitel. Ueber die
Grenzlinie zwischen den untern und obern Vermögen.
60. Die Grenzlinie zwischen den untern und obern Vermögen läuft im
Vorstellungsvermögen zwischen der Ein- bildungskraft und dem Verstande, im
Gefühlvermögen zwi- schen der Sinnenlust und dem ästhetischen Gefühl, im Be- gehrungsvermögen zwischen den Leidenschaften und der über- legten Wahl. Hiemit
ist sie bey der Schwankung der Be- griffe von allem diesen noch keinesweges genau
gezogen; auch sind die Psychologen zu dem Bekenntniß bereit, daß sie sich
nicht scharf ziehen lasse. (Wenigstens Wolff in der
empirischen Psychologie §. 233) Dies um so mehr, da selbst den Thieren ein
analogon rationis zugeschrieben wird, während ihnen Niemand eine Phantasie,
ähnlich der menschlichen, einräumt. So hätten also die Thiere Antheil am
obern Vorstellungsvermögen; und dagegen sehlte ihnen etwas an dem, was zum
unteren sollte gerechnet werden. Etwas treffender scheint zwar die Bestimmung in
Ansehung des Gefühlvermögens; da ästhetische Urtheile wohl Niemand von
Thieren erwartet; allein auch bei roheren Menschen pflegen diese zu fehlen, und
vielmehr einer höheren Bil- dungsstufe als der menschlichen Natur eigen zu seyn.
Was endlich die Leidenschaften anlangt, so werden wir unter die-
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hier noch zu früh kommen würden. Zuvörderst muß nun
die erste der obigen Eintheilungen (55), wenn nicht von
ihrer Unbestimmtheit befreiet, so doch in ihrer Vieldeutigkeit
erkannt werden-
Zweytes Capitel.
Ueber die Grenzlinie zwischen den untern
und obern Vermögen.
60. Die Grenzlinie zwischen den untern und obern
Vermögen läuft im Vorstellungsvermögen zwischen der Ein-
bildungskraft und dem Verstande, im Gefühlvermögen zwi-
schen der Sinnenlust und dem ästhetischen Gefühl, im Be-
gehrungsvermögen zwischen den Leidenschaften und der über-
legten Wahl. Hiemit ist sie bey der Schwankung der Be-
griffe von allem diesen noch keinesweges genau gezogen;
auch sind die Psychologen zu dem Bekenntniß bereit, daß
sie sich nicht scharf ziehen lasse. (Wenigstens Wolff in
der empirischen Psychologie §. 233) Dies um so mehr,
da selbst den Thieren ein analogon rationis zugeschrieben
wird, während ihnen Niemand eine Phantasie, ähnlich der
menschlichen, einräumt. So hätten also die Thiere Antheil
am obern Vorstellungsvermögen; und dagegen sehlte ihnen
etwas an dem, was zum unteren sollte gerechnet werden.
Etwas treffender scheint zwar die Bestimmung in Ansehung
des Gefühlvermögens; da ästhetische Urtheile wohl Niemand
von Thieren erwartet; allein auch bei roheren Menschen
pflegen diese zu fehlen, und vielmehr einer höheren Bil-
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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/54>, abgerufen am 13.02.2025.
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