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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.

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Sen auch solche, und zwar sehr bösartige finden, die gerade-
zu aus dem Edelsten, den höchsten Regionen des mensch-
lichen Gedankenkreises ihren Ursprung nehmen; so daß es
unmöglich ist, sie zum untern, auch den Thieren beizule-
genden Vermögen zu rechnen. Man muß also den Gegen-
stand anders fassen.

61. Den Thieren im Vergleich gegen die Menschen
überhaupt ein unteres Vermögen beilegen, heißt entweder,
ihr geistiges Können als mangelhaft, oder als vermin-
dert
, oder als unterworfen ansehn.

Gesetzt, es sey an sich mangelhaft, im Vergleich mit
dem vollständigern, weiter reichenden Können des Menschen,
so liegen, hievon sehr deutliche Gründe in dem Mangel der
Hände und der Sprache. Denn solchergestalt bleibt ihre
Gelegenheit, sich Vorstellungen von den Dingen zu verschaf-
fen, sehr viel enger beschränkt; und während das Verstehen,
der Verstand des Menschen sich zunächst auf die Sprache
bezieht, können die Thiere höchstens zum Verständniß eini-
ger Zeichen gelangen. Das menschliche Kind aber befindet
sich nun auf seiner untersten Bildungsstufe im nämlichen
Falle, da es Anfangs sich der Hände noch eben so wenig
zu bedienen, weiß, als es Sprache gelernt hat.

Gesetzt zweitens, jenes geistige Können solle ein ver-
mindertes seyn, da es ursprünglich wohl größer seyn möchte,
so trifft auch dies bei den Thieren zu; und zwar zwiefach.
Denn erstlich tritt bey ihnen etwas Störendes in ihren Vor-
stellungskreis, welchis den Menschen nicht so sehr drückt.
Dies sind bei Thieren mit Kunsttrieben ganz deutlich die
organischen Reize, denen sie Folge leisten; bey andern kommt
die frühzeitige Pubertät in Betracht. Ueberdies aber kann
bei der verhältnißmäßigen Kleinheit ihres Gehirns wahr-
scheinlich der Organismus nicht so wie beim Menschen den
geistigen Reizen nachgeben.

Sen auch solche, und zwar sehr bösartige finden, die gerade-
zu aus dem Edelsten, den höchsten Regionen des mensch-
lichen Gedankenkreises ihren Ursprung nehmen; so daß es
unmöglich ist, sie zum untern, auch den Thieren beizule-
genden Vermögen zu rechnen. Man muß also den Gegen-
stand anders fassen.

61. Den Thieren im Vergleich gegen die Menschen
überhaupt ein unteres Vermögen beilegen, heißt entweder,
ihr geistiges Können als mangelhaft, oder als vermin-
dert
, oder als unterworfen ansehn.

Gesetzt, es sey an sich mangelhaft, im Vergleich mit
dem vollständigern, weiter reichenden Können des Menschen,
so liegen, hievon sehr deutliche Gründe in dem Mangel der
Hände und der Sprache. Denn solchergestalt bleibt ihre
Gelegenheit, sich Vorstellungen von den Dingen zu verschaf-
fen, sehr viel enger beschränkt; und während das Verstehen,
der Verstand des Menschen sich zunächst auf die Sprache
bezieht, können die Thiere höchstens zum Verständniß eini-
ger Zeichen gelangen. Das menschliche Kind aber befindet
sich nun auf seiner untersten Bildungsstufe im nämlichen
Falle, da es Anfangs sich der Hände noch eben so wenig
zu bedienen, weiß, als es Sprache gelernt hat.

Gesetzt zweitens, jenes geistige Können solle ein ver-
mindertes seyn, da es ursprünglich wohl größer seyn möchte,
so trifft auch dies bei den Thieren zu; und zwar zwiefach.
Denn erstlich tritt bey ihnen etwas Störendes in ihren Vor-
stellungskreis, welchis den Menschen nicht so sehr drückt.
Dies sind bei Thieren mit Kunsttrieben ganz deutlich die
organischen Reize, denen sie Folge leisten; bey andern kommt
die frühzeitige Pubertät in Betracht. Ueberdies aber kann
bei der verhältnißmäßigen Kleinheit ihres Gehirns wahr-
scheinlich der Organismus nicht so wie beim Menschen den
geistigen Reizen nachgeben.

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[47/0055] Sen auch solche, und zwar sehr bösartige finden, die gerade- zu aus dem Edelsten, den höchsten Regionen des mensch- lichen Gedankenkreises ihren Ursprung nehmen; so daß es unmöglich ist, sie zum untern, auch den Thieren beizule- genden Vermögen zu rechnen. Man muß also den Gegen- stand anders fassen. 61. Den Thieren im Vergleich gegen die Menschen überhaupt ein unteres Vermögen beilegen, heißt entweder, ihr geistiges Können als mangelhaft, oder als vermin- dert, oder als unterworfen ansehn. Gesetzt, es sey an sich mangelhaft, im Vergleich mit dem vollständigern, weiter reichenden Können des Menschen, so liegen, hievon sehr deutliche Gründe in dem Mangel der Hände und der Sprache. Denn solchergestalt bleibt ihre Gelegenheit, sich Vorstellungen von den Dingen zu verschaf- fen, sehr viel enger beschränkt; und während das Verstehen, der Verstand des Menschen sich zunächst auf die Sprache bezieht, können die Thiere höchstens zum Verständniß eini- ger Zeichen gelangen. Das menschliche Kind aber befindet sich nun auf seiner untersten Bildungsstufe im nämlichen Falle, da es Anfangs sich der Hände noch eben so wenig zu bedienen, weiß, als es Sprache gelernt hat. Gesetzt zweitens, jenes geistige Können solle ein ver- mindertes seyn, da es ursprünglich wohl größer seyn möchte, so trifft auch dies bei den Thieren zu; und zwar zwiefach. Denn erstlich tritt bey ihnen etwas Störendes in ihren Vor- stellungskreis, welchis den Menschen nicht so sehr drückt. Dies sind bei Thieren mit Kunsttrieben ganz deutlich die organischen Reize, denen sie Folge leisten; bey andern kommt die frühzeitige Pubertät in Betracht. Ueberdies aber kann bei der verhältnißmäßigen Kleinheit ihres Gehirns wahr- scheinlich der Organismus nicht so wie beim Menschen den geistigen Reizen nachgeben.

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/55>, abgerufen am 28.03.2024.