kunst üben, und wer die Kunstworte einer Wissenschaft, die ihn
interessirt, ohne alle Mühe behält, der hat oft ein schlechtes Gedächtniß für
Stadt -Neuigkeiten. -- Hier ver- räth es sich, daß die Reproduction, sowohl in
Hinsicht ihrer Lebhaftigkeit als ihrer Treue, mit der übrigen geistigen
Thä- tigkeit aufs engste zusammenhängt, und daß die Annahme von eigenen,
die Reproduction besorgenden, Vermögen der Seele höchst ungeschickt ist, um
die Erscheinungen auch nur befriedigend zusammenzustellen.
94. Gedächtniß und Einbildungskraft weichen darin von einander ab, daß jenes
nur Vorgestellte und gleich- sam todte Bilder
herbeyzuführen, diese im activen Vor- stellen
beschäfftigt zu seyn scheint. Das Uebergehn der Vorstellungen aus dem einen in den andern Zustand ist
sehr merklich beym Wiederlesen dessen, was man selbst ge- schrieben, beym
Prüfen dessen, was man selbst gedacht hat.
Viertes Capitel. Gefühlsvermögen.
95. Wenn einmal Seelenvermögen angenommen wer- den, so ergiebt sich die
Nothwendigkeit, außer dem Vermö- gen vorzustellen noch eins oder mehrere
anzunehmen, so- gleich daraus, daß wir durch Angabe dessen, was wir vor- stellen, oder wie das Vorstellen in uns entstehe, bey wei- tem nicht alles
dasjenige bezeichnen können, was in uns vorgehe. Jnsbesondre dringt es sich auf,
daß ein höchst mannigfaltiges Vorziehn und Verwerfen in uns vor- kommt; um dessentwillen auch schon
längst neben dem Vor- stellungsvermögen noch das des Begehrens und
Verabscheu- ens ist aufgestellt worden.
kunst üben, und wer die Kunstworte einer Wissenschaft, die ihn
interessirt, ohne alle Mühe behält, der hat oft ein schlechtes Gedächtniß für
Stadt -Neuigkeiten. — Hier ver- räth es sich, daß die Reproduction, sowohl in
Hinsicht ihrer Lebhaftigkeit als ihrer Treue, mit der übrigen geistigen
Thä- tigkeit aufs engste zusammenhängt, und daß die Annahme von eigenen,
die Reproduction besorgenden, Vermögen der Seele höchst ungeschickt ist, um
die Erscheinungen auch nur befriedigend zusammenzustellen.
94. Gedächtniß und Einbildungskraft weichen darin von einander ab, daß jenes
nur Vorgestellte und gleich- sam todte Bilder
herbeyzuführen, diese im activen Vor- stellen
beschäfftigt zu seyn scheint. Das Uebergehn der Vorstellungen aus dem einen in den andern Zustand ist
sehr merklich beym Wiederlesen dessen, was man selbst ge- schrieben, beym
Prüfen dessen, was man selbst gedacht hat.
Viertes Capitel. Gefühlsvermögen.
95. Wenn einmal Seelenvermögen angenommen wer- den, so ergiebt sich die
Nothwendigkeit, außer dem Vermö- gen vorzustellen noch eins oder mehrere
anzunehmen, so- gleich daraus, daß wir durch Angabe dessen, was wir vor- stellen, oder wie das Vorstellen in uns entstehe, bey wei- tem nicht alles
dasjenige bezeichnen können, was in uns vorgehe. Jnsbesondre dringt es sich auf,
daß ein höchst mannigfaltiges Vorziehn und Verwerfen in uns vor- kommt; um dessentwillen auch schon
längst neben dem Vor- stellungsvermögen noch das des Begehrens und
Verabscheu- ens ist aufgestellt worden.
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kunst üben, und wer die Kunstworte einer Wissenschaft, die
ihn interessirt, ohne alle Mühe behält, der hat oft ein
schlechtes Gedächtniß für Stadt -Neuigkeiten. — Hier ver-
räth es sich, daß die Reproduction, sowohl in Hinsicht ihrer
Lebhaftigkeit als ihrer Treue, mit der übrigen geistigen Thä-
tigkeit aufs engste zusammenhängt, und daß die Annahme
von eigenen, die Reproduction besorgenden, Vermögen der
Seele höchst ungeschickt ist, um die Erscheinungen auch nur
befriedigend zusammenzustellen.
94. Gedächtniß und Einbildungskraft weichen darin
von einander ab, daß jenes nur Vorgestellte und gleich-
sam todte Bilder herbeyzuführen, diese im activen Vor-
stellen beschäfftigt zu seyn scheint. Das Uebergehn der
Vorstellungen aus dem einen in den andern Zustand
ist sehr merklich beym Wiederlesen dessen, was man selbst ge-
schrieben, beym Prüfen dessen, was man selbst gedacht hat.
Viertes Capitel.
Gefühlsvermögen.
95. Wenn einmal Seelenvermögen angenommen wer-
den, so ergiebt sich die Nothwendigkeit, außer dem Vermö-
gen vorzustellen noch eins oder mehrere anzunehmen, so-
gleich daraus, daß wir durch Angabe dessen, was wir vor-
stellen, oder wie das Vorstellen in uns entstehe, bey wei-
tem nicht alles dasjenige bezeichnen können, was in uns
vorgehe. Jnsbesondre dringt es sich auf, daß ein höchst
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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/83>, abgerufen am 07.02.2025.
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