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Herder, Johann Gottfried von: Kapitel 5; Kapitel 6. In: Über die neuere Deutsche Litteratur. […] Dritte Sammlung. Riga, 1767, S. 50–75.

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nähert: sondern man erweckt eben Gedanken durch Worte: und diese erste Wörter, die wir lallen, sind die Grundsteine aller unsrer Erkänntniß. Bei allen sinnlichen Begriffen, bei den einfachen und Erfahrungsideen verhält sich "der Ausdruck zum Gedanken, wie die Haut zum Körper." Man versuche es, die Methoden der Sprachen in Gedanken umzukehren: alles, wobei, wenn wir die Sprache erfänden, der Ausdruck willkührlich wäre, alles dies wird meistens, wenn wir die Sprache lernen, unzertrennlich verknüpft. So waren in einer Jüdischen Republik die Gesezze, die zur äußern Bestimmung ihres Staats gehören, und andern willkührlich vorkommen müssen, drohender und schwerer, als die Gesezze des allgemeinen Naturrechts.

Da nun auf diesem Wege die menschliche Erkänntniß fortschreitet, mittelst Sachen zugleich Worte zu lernen, so möchten zweitens, alle die Gegenstände des Lebens, die ich sinnlich klar unterscheide, ohne mir des unterscheidenden Merkmals deutlich bewußt zu seyn, noch den Gedanken mit dem Ausdruck

nähert: sondern man erweckt eben Gedanken durch Worte: und diese erste Wörter, die wir lallen, sind die Grundsteine aller unsrer Erkänntniß. Bei allen sinnlichen Begriffen, bei den einfachen und Erfahrungsideen verhält sich "der Ausdruck zum Gedanken, wie die Haut zum Körper." Man versuche es, die Methoden der Sprachen in Gedanken umzukehren: alles, wobei, wenn wir die Sprache erfänden, der Ausdruck willkührlich wäre, alles dies wird meistens, wenn wir die Sprache lernen, unzertrennlich verknüpft. So waren in einer Jüdischen Republik die Gesezze, die zur äußern Bestimmung ihres Staats gehören, und andern willkührlich vorkommen müssen, drohender und schwerer, als die Gesezze des allgemeinen Naturrechts.

Da nun auf diesem Wege die menschliche Erkänntniß fortschreitet, mittelst Sachen zugleich Worte zu lernen, so möchten zweitens, alle die Gegenstände des Lebens, die ich sinnlich klar unterscheide, ohne mir des unterscheidenden Merkmals deutlich bewußt zu seyn, noch den Gedanken mit dem Ausdruck

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[51/0003] nähert: sondern man erweckt eben Gedanken durch Worte: und diese erste Wörter, die wir lallen, sind die Grundsteine aller unsrer Erkänntniß. Bei allen sinnlichen Begriffen, bei den einfachen und Erfahrungsideen verhält sich "der Ausdruck zum Gedanken, wie die Haut zum Körper." Man versuche es, die Methoden der Sprachen in Gedanken umzukehren: alles, wobei, wenn wir die Sprache erfänden, der Ausdruck willkührlich wäre, alles dies wird meistens, wenn wir die Sprache lernen, unzertrennlich verknüpft. So waren in einer Jüdischen Republik die Gesezze, die zur äußern Bestimmung ihres Staats gehören, und andern willkührlich vorkommen müssen, drohender und schwerer, als die Gesezze des allgemeinen Naturrechts. Da nun auf diesem Wege die menschliche Erkänntniß fortschreitet, mittelst Sachen zugleich Worte zu lernen, so möchten zweitens, alle die Gegenstände des Lebens, die ich sinnlich klar unterscheide, ohne mir des unterscheidenden Merkmals deutlich bewußt zu seyn, noch den Gedanken mit dem Ausdruck

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kapitel 5; Kapitel 6. In: Über die neuere Deutsche Litteratur. […] Dritte Sammlung. Riga, 1767, S. 50–75, hier S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_gedanke_1767/3>, abgerufen am 23.04.2024.