Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite


Wir haben bisher die Erde als einen Wohnplatz des
Menschengeschlechts überhaupt betrachtet und sodann
die Stelle zu bemerken gesucht, die der Mensch in der Reihe
der Lebendigen auf ihr einnimmt. Lasset uns jetzt, nachdem
wir die Jdee seiner Natur überhaupt festgestellet haben, die
verschiednen Erscheinungen betrachten, in denen er sich auf
diesem runden Schauplatz zeiget.

Aber wer giebt uns einen Leitfaden in diesem Labyrinth?
welchen sichern Fußtritten dörfen wir folgen? Wenigstens
soll kein trügendes Prachtkleid einer angemaasten Allwissen-
heit die Mängel verhüllen, die der Geschichtschreiber der
Menschheit und noch vielmehr der Philosoph dieser Geschich-
te nothwendig mit sich träget: denn nur der Genius unsres
Geschlechts übersiehet desselben ganze Geschichte. Wir fan-

gen
A 2


Wir haben bisher die Erde als einen Wohnplatz des
Menſchengeſchlechts uͤberhaupt betrachtet und ſodann
die Stelle zu bemerken geſucht, die der Menſch in der Reihe
der Lebendigen auf ihr einnimmt. Laſſet uns jetzt, nachdem
wir die Jdee ſeiner Natur uͤberhaupt feſtgeſtellet haben, die
verſchiednen Erſcheinungen betrachten, in denen er ſich auf
dieſem runden Schauplatz zeiget.

Aber wer giebt uns einen Leitfaden in dieſem Labyrinth?
welchen ſichern Fußtritten doͤrfen wir folgen? Wenigſtens
ſoll kein truͤgendes Prachtkleid einer angemaasten Allwiſſen-
heit die Maͤngel verhuͤllen, die der Geſchichtſchreiber der
Menſchheit und noch vielmehr der Philoſoph dieſer Geſchich-
te nothwendig mit ſich traͤget: denn nur der Genius unſres
Geſchlechts uͤberſiehet deſſelben ganze Geſchichte. Wir fan-

gen
A 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0015"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head/>
          <p><hi rendition="#in">W</hi>ir haben bisher die Erde als einen Wohnplatz des<lb/>
Men&#x017F;chenge&#x017F;chlechts u&#x0364;berhaupt betrachtet und &#x017F;odann<lb/>
die Stelle zu bemerken ge&#x017F;ucht, die der Men&#x017F;ch in der Reihe<lb/>
der Lebendigen auf ihr einnimmt. La&#x017F;&#x017F;et uns jetzt, nachdem<lb/>
wir die Jdee &#x017F;einer Natur u&#x0364;berhaupt fe&#x017F;tge&#x017F;tellet haben, die<lb/>
ver&#x017F;chiednen Er&#x017F;cheinungen betrachten, in denen er &#x017F;ich auf<lb/>
die&#x017F;em runden Schauplatz zeiget.</p><lb/>
          <p>Aber wer giebt uns einen Leitfaden in die&#x017F;em Labyrinth?<lb/>
welchen &#x017F;ichern Fußtritten do&#x0364;rfen wir folgen? Wenig&#x017F;tens<lb/>
&#x017F;oll kein tru&#x0364;gendes Prachtkleid einer angemaasten Allwi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
heit die Ma&#x0364;ngel verhu&#x0364;llen, die der Ge&#x017F;chicht&#x017F;chreiber der<lb/>
Men&#x017F;chheit und noch vielmehr der Philo&#x017F;oph die&#x017F;er Ge&#x017F;chich-<lb/>
te nothwendig mit &#x017F;ich tra&#x0364;get: denn nur der Genius un&#x017F;res<lb/>
Ge&#x017F;chlechts u&#x0364;ber&#x017F;iehet de&#x017F;&#x017F;elben ganze Ge&#x017F;chichte. Wir fan-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 2</fw><fw place="bottom" type="catch">gen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0015] Wir haben bisher die Erde als einen Wohnplatz des Menſchengeſchlechts uͤberhaupt betrachtet und ſodann die Stelle zu bemerken geſucht, die der Menſch in der Reihe der Lebendigen auf ihr einnimmt. Laſſet uns jetzt, nachdem wir die Jdee ſeiner Natur uͤberhaupt feſtgeſtellet haben, die verſchiednen Erſcheinungen betrachten, in denen er ſich auf dieſem runden Schauplatz zeiget. Aber wer giebt uns einen Leitfaden in dieſem Labyrinth? welchen ſichern Fußtritten doͤrfen wir folgen? Wenigſtens ſoll kein truͤgendes Prachtkleid einer angemaasten Allwiſſen- heit die Maͤngel verhuͤllen, die der Geſchichtſchreiber der Menſchheit und noch vielmehr der Philoſoph dieſer Geſchich- te nothwendig mit ſich traͤget: denn nur der Genius unſres Geſchlechts uͤberſiehet deſſelben ganze Geſchichte. Wir fan- gen A 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/15
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/15>, abgerufen am 28.03.2024.