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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794.

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Ihr Götter, welch ein wohlgeartet Thier
Ist eine Schnecke. Kommt auf ihrem Gange
Sie einem bösen Nachbar nah; sie hebt
Ihr Haus und wandert weiter. Darum wohnt
Sie Sorgenlos, weil sie die Bösen immer flieht.


Er ist ein Knecht; hat aber Fleisch und Blut
Wie Du: denn keiner ward durch die Geburt
ein Knecht;
Unglücklich Schicksal macht zum Sklaven nur.


Ein böser Diener wird der Strafe nicht entgehn;
Du aber sei der Strafe Büttel nicht.


Dein Wort, o Freund, hat deine schöne That
Geschmäht; des Reichen That hat Bettlers
Wort vernichtet.
Rühmst du die Gabe selbst, die du dem Freun-
de gabst,
L 2

Ihr Goͤtter, welch ein wohlgeartet Thier
Iſt eine Schnecke. Kommt auf ihrem Gange
Sie einem boͤſen Nachbar nah; ſie hebt
Ihr Haus und wandert weiter. Darum wohnt
Sie Sorgenlos, weil ſie die Boͤſen immer flieht.


Er iſt ein Knecht; hat aber Fleiſch und Blut
Wie Du: denn keiner ward durch die Geburt
ein Knecht;
Ungluͤcklich Schickſal macht zum Sklaven nur.


Ein boͤſer Diener wird der Strafe nicht entgehn;
Du aber ſei der Strafe Buͤttel nicht.


Dein Wort, o Freund, hat deine ſchoͤne That
Geſchmaͤht; des Reichen That hat Bettlers
Wort vernichtet.
Ruͤhmſt du die Gabe ſelbſt, die du dem Freun-
de gabſt,
L 2
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[159/0168] Ihr Goͤtter, welch ein wohlgeartet Thier Iſt eine Schnecke. Kommt auf ihrem Gange Sie einem boͤſen Nachbar nah; ſie hebt Ihr Haus und wandert weiter. Darum wohnt Sie Sorgenlos, weil ſie die Boͤſen immer flieht. Er iſt ein Knecht; hat aber Fleiſch und Blut Wie Du: denn keiner ward durch die Geburt ein Knecht; Ungluͤcklich Schickſal macht zum Sklaven nur. Ein boͤſer Diener wird der Strafe nicht entgehn; Du aber ſei der Strafe Buͤttel nicht. Dein Wort, o Freund, hat deine ſchoͤne That Geſchmaͤht; des Reichen That hat Bettlers Wort vernichtet. Ruͤhmſt du die Gabe ſelbſt, die du dem Freun- de gabſt, L 2

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794/168>, abgerufen am 20.04.2024.