stenthums mit ihren Jüdischen Vorurthei- len, je mehr sie in die Idee eines christli- chen Publicums, eines Evangeliums für alle Völker eintraten; und es kann nicht fehlen, daß diese Läuterung des Christen- thums durch sanfte oder rauhe Mittel nicht mit den Jahrhunderten fortgehen sollte. Es ist sehr lehrreich, die Folge zu bemerken, mit der sich in der soge- nannten Kirchengeschichte die harte Hülse des Christenthums gebildet, hie und da aufgelöset und jedesmal einen reicheren Kern, einen feineren Samen der Fort- pflanzung gewährt hat; so wird das Werk, mit oder ohne Namen des Urhebers, fort- gehen bis ans Ende der Zeiten. Manche Formen sind zerbrochen, andre werden sich auflösen; nicht durch äussere Gewalt, sondern durch den innern treibenden Keim selbst, den die Sonne ruft, dem die gan-
Fünfte Samml. (G)
ſtenthums mit ihren Juͤdiſchen Vorurthei- len, je mehr ſie in die Idee eines chriſtli- chen Publicums, eines Evangeliums fuͤr alle Voͤlker eintraten; und es kann nicht fehlen, daß dieſe Laͤuterung des Chriſten- thums durch ſanfte oder rauhe Mittel nicht mit den Jahrhunderten fortgehen ſollte. Es iſt ſehr lehrreich, die Folge zu bemerken, mit der ſich in der ſoge- nannten Kirchengeſchichte die harte Huͤlſe des Chriſtenthums gebildet, hie und da aufgeloͤſet und jedesmal einen reicheren Kern, einen feineren Samen der Fort- pflanzung gewaͤhrt hat; ſo wird das Werk, mit oder ohne Namen des Urhebers, fort- gehen bis ans Ende der Zeiten. Manche Formen ſind zerbrochen, andre werden ſich aufloͤſen; nicht durch aͤuſſere Gewalt, ſondern durch den innern treibenden Keim ſelbſt, den die Sonne ruft, dem die gan-
Fuͤnfte Samml. (G)
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ſtenthums mit ihren Juͤdiſchen Vorurthei-
len, je mehr ſie in die Idee eines chriſtli-
chen Publicums, eines Evangeliums fuͤr
alle Voͤlker eintraten; und es kann nicht
fehlen, daß dieſe Laͤuterung des Chriſten-
thums durch ſanfte oder rauhe Mittel
nicht mit den Jahrhunderten fortgehen
ſollte. Es iſt ſehr lehrreich, die Folge
zu bemerken, mit der ſich in der ſoge-
nannten Kirchengeſchichte die harte Huͤlſe
des Chriſtenthums gebildet, hie und da
aufgeloͤſet und jedesmal einen reicheren
Kern, einen feineren Samen der Fort-
pflanzung gewaͤhrt hat; ſo wird das Werk,
mit oder ohne Namen des Urhebers, fort-
gehen bis ans Ende der Zeiten. Manche
Formen ſind zerbrochen, andre werden
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795/112>, abgerufen am 29.05.2023.
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